Was ist das Gendern eigentlich? Dazu zählen neben orthografisch nicht vorgesehenen Sonderzeichen und Fantasiekonstruktionen auch Doppelnennungen der Geschlechter oder substantivierte Partizipien. Varianten, fast so vielfältig wie die Gründe der Gegner.

Auch ich kann mich mit gendergerechter Sprache wenig anfreunden. Sie macht zum Beispiel die noch vor der Uni auf die Vorlesung wartenden Studenten zu Studierenden, während die eigentlich im Hörsaal büffeln, oder mich als Besitzer eines Pkw-Führerscheins zum Autofahrenden, auch wenn ich zu Fuß unterwegs bin.

Es gibt Texte, auch aus dem kirchlichen Bereich, bei denen ich beim Lesen mehr Sternchen sehe als Rocky Balboa beim Kampf gegen Apollo Creed. Jedes Mal, wenn jemand beim Sprechen zu Kunstpausen ansetzt, die mich an südafrikanische Khoisan-Sprachen (umgangssprachlich auch Klicklautsprachen genannt) erinnert, um der maskulinen Form ein "-innen" nachzusetzen, durchfährt es mich: Jetzt stirbt irgendwo auf der Welt ein Linguist.

Die "Sichtbarkeit" der Frauen macht sich auf dem Gehaltszettel oder in Führungspositionen bemerkbar

Wenig Sinn macht die von den Befürwortern genannte Begründung, dadurch würden die beiden Geschlechter "sichtbar". Bedanken dürften sich Frauen vielleicht, wenn diese Sichtbarkeit dann auch für den Gehaltszettel oder bei der Benennung in Führungspositionen gilt.

Trotzdem: BinnenIs, Doppelpunkte, Mehrfachnennungen oder gar Sternchen können ja in umgangssprachlicher Kommunikation verwendet werden. In ernst zu nehmenden Texten haben sie aber nichts verloren. Nicht nur, weil die Sprache so zerhackt, verkompliziert und beliebig gemacht wird. Auch, weil sich die ohnehin schon schwierige deutsche Sprache dann noch schwerer erlernen lässt und ihre Schönheit verliert.

Höflichkeit, Interesse und Empathie an den Mitmenschen statt gendern

Aber Gendern verbieten? Ich meine: leben und gendern lassen. Wer durch kreative Orthografie oder Glottisschlag Vielfalt sichtbar machen will – bitte sehr. Ich binde auch nicht jedem ständig auf die Nase, dass ich diese Sprechart als pseudobemühten Gleichberechtigungsunsinn ansehe. Ich möchte aber auch nicht ob meiner Ansichten über Sprache und Sprechen mitleidig angeschaut oder hypermoralisch belehrt werden.

Meinen Respekt gegenüber dem Nächsten drücke ich weiter durch Handeln mit Höflichkeit, Interesse und Empathie aus. Persönlich, und in deutscher Standardsprache.

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