Mittagstisch für alle
Der gepflasterte Platz vor der Kirche aus roten Backsteinen ist mit Holztischen und Bänken zugestellt. Bäume spenden Schatten. Daneben haben Helfer einen Flohmarkt mit gebrauchten Kleidern, Geschirr und Spielen aufgebaut. Andere füllen Kisten zur Lebensmittelausgabe.
Donnerstags ab 12 Uhr sind jedermann und jede Frau zum "Mittagstisch für alle" an der Evangelisch-methodistischen Christuskirche am Merianplatz in Frankfurt am Main eingeladen. Die von Freiwilligen getragene Initiative feiert am Samstag das 20-jährige Bestehen.
Das Team
In der Küche hinter dem Kirchsaal führt Uli Bechthold Regie mit ruhiger Hand. Dem weißbärtigen Koch im Ruhestand macht es seit zehn Jahren Spaß, einmal die Woche für 150 bis 170 Gäste zu kochen, wie er sagt. Er kann auf ein eingespieltes Team von vier Helfern im Rentenalter bauen: "Die sind echt gut", lobt Bechthold.
Hilfskoch Hans Stehling ist seit sechs bis sieben Jahren gerne dabei. "Das Leben ist so schön, dass ich etwas zurückgeben will an andere", sagt der frühere Pressesprecher. Auch Bärbel Lampe, der einzigen Frau in der Küche, macht die Arbeit Spaß. "Ich und meine Männer sind eine schöne Gemeinschaft", findet sie.
Die insgesamt rund 25 Helferinnen und Helfern arbeiten routiniert Hand in Hand. Um 6.30 Uhr beginnen die ersten, die Anlieferungen von der Tafel zu sortieren, Gemüse und Obst zu putzen und zu schneiden. Es gibt zwei Gerichte, eines mit Fleisch und ein vegetarisches. Das vierköpfige Ausgabeteam sortiert nicht benötigtes Gemüse, Obst, Nudeln oder Molkereiprodukte in Kisten zur Lebensmittelausgabe. Für einen Euro gibt es eine Portion zum Mitnehmen.
Die Idee
Die Idee zu dem "Mittagstisch für alle" hatte ein früherer Pastor der evangelisch-methodistischen Gemeinde, wie der derzeitige Pastor Uwe Saßnowski erzählt. Der Gründer habe als Alkoholkranker selbst eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Der "Mittagstisch für alle" solle Menschen in Not helfen, aus der Einsamkeit herausholen und soziale Mauern durchbrechen. "Wie ein kleines Fest mitten in der Woche", sagt Saßnowski.
Finanziert werde der Mittagstisch vor allem durch die Erträge des Flohmarkts, daneben überwiesen rund zehn Förderer Geld. Das Team kauft zu den Tafel-Spenden Fleisch und Fisch hinzu. Die insgesamt 40 bis 45 Freiwilligen spendeten ihr Können und ihre Zeit.
Pünktlich um zwölf sind die Tische von rund 80 Gästen besetzt. Für den Preis von einem Euro haben sie Marken für die Essensausgabe bekommen. An diesem Tag gibt es entweder Hähnchenschenkel mit Reis oder Klöße mit Zucchini-Gemüse, beide Gerichte mit Salat und Nachtisch. Vor dem Schlangestehen erinnert Pastor Uwe Saßnowski an das gemeinsame Mahl von Jesus und dem Zöllner Zachäus (Lukas 19).
"Gott setzt sich zu uns an den Tisch", erklärt er. "Wäre es nicht schön, wenn wir uns versöhnen und Gemeinschaft miteinander haben?"
Die Gäste klatschen.
Die Besucher
Die meisten der Besucher sind Ältere. Hans Brost ist regelmäßig zu Gast. Der Kaufmann musste seinen ursprünglichen Beruf aufgeben, wurde krank. Trotz 47 Jahren Arbeit bekomme er nur eine kleine Rente, sagt er. Nebenbei gehe er bei alten Leuten putzen. Auch Manuela Gärtig ist durch ihre Erkrankung und die Folgen arbeitslos geworden. Zu ihrem Arbeitslosengeld II brauche sie Lebensmittelspenden, sagt sie.
"Als ich das erste Mal zum Mittagstisch kam, habe ich geheult, weil ich mich geschämt habe", erzählt sie. "Jetzt komme ich total gern."
Elsa nennt nur ihren Vornamen, sie ist Studentin und das erste Mal da. Die Leute seien sehr nett und das Essen gut, sagt sie. Wegen ihrer Migräne könne sie derzeit nicht arbeiten, da bringe der Mittagstisch eine finanzielle Erleichterung.
Rita, mit Make-up und schick gekleidet, steht beim Flohmarkt. "Ich trage alles Secondhand, ich brauche keine Shopping-Malls", sagt sie. "Das ist nachhaltig." Früher habe sie in der Unternehmensberatung gearbeitet, heute bekomme sie nur eine kleine Rente. Als Gast seit acht Jahren findet sie den Mittagstisch "eine ganz tolle Institution". "Erst habe ich mich etwas geschämt, jetzt gehöre ich dazu", sagt auch sie.
Andere Gäste kommen, weil sie den Mittagstisch mögen und unterstützen wollen. Ilse ist Sozialarbeiterin, sie kaufe beim Flohmarkt und spende. "Mich interessiert es, unter den Leuten zu sein, mit denen ich arbeite", sagt sie. Theresia Eichler aus der Nachbarschaft spendet für den Mittagstisch seit zwölf Jahren. "Das Essen ist immer gut, wie daheim", sagt sie. Die älteren Gäste seien auch dankbar für Gespräche.
"Ich erlebe die Arbeit mit den Ehrenamtlichen und Gästen als sehr befriedigend", resümiert Pastor Saßnowski. "Man sieht, dass man etwas bewirken kann." Gäste, die keine Gemeindemitglieder seien, sagten: "Das ist meine Kirche." Vielleicht deute der "Mittagstisch für alle" auf eine neue Form der Kirche in der Zukunft hin, sinniert der Pastor.
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