Es fehlt an allen Ecken und Kanten: In Kindergärten werden die Betreuungszeiten verkürzt, weil das Personal fehlt. Pflegeheime schließen, obwohl der Bedarf da ist, aber die Finanzierung zusammenbricht.

Ob Jugend- oder Altenhilfe, Beratungsangebote oder Kitas: Im wohlhabenden Bayern steht die Sozialwirtschaft mit dem Rücken zur Wand. Die Klage kommt nicht nur von einzelnen Trägern, sondern von den großen Sozialverbänden: Diakonie, Caritas, das Rote Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, die Arbeiterwohlfahrt und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland schlagen Alarm.

Sie alle sind im Verband der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen: 455.000 Beschäftigte allein in Bayern, dazu 136.500 ehrenamtlich Mitarbeitende.

Das soziale Netz ist davor zu reißen

Es gehe nicht mehr allein um Löcher im sozialen Netz, "es ist davor, zu reißen", warnt Sabine Weingärtner, die Präsidentin des Diakonischen Werks Bayern, die derzeit auch Verbandsvorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege insgesamt ist. Die Träger seien unterfinanziert, bleiben auf ihren Defiziten sitzen, schustern aus Eigenmitteln zu bis zur Insolvenz.

Die Ampelkoalition plant weitere Kürzungen im Sozialbereich. Doch wenn der Bund aussteigt, bricht für die Sozialeinrichtungen das System der Finanzierung zusammen: Viele stützen sich auf Mischfinanzierungen aus Bundes- und Landesmitteln sowie Zuwendungen der Kommunen.

Klar, der Staat hat in den vergangenen Jahren massiv Schulden gemacht. Die sollen nicht weiter wachsen, sondern möglichst abgebaut werden. Coronahilfen, Sonderausgaben Bundeswehr, kriegsbegleitende Energiepreisexplosion und Inflation: All das kostet massiv Geld. Die Frage ist: Welche Prioritäten werden im Verteilungskampf gesetzt?

Gekürzt werden 20 Millionen für die Politische Bildung – und das in Zeiten verstärkter Demokratiefeindlichkeit. Schon wird über eine kapitalgestützte Altersversorgung nachgedacht.

Warum so die Zukunft kaputtgespart wird

Das sind verheerende Signale – mit materiellen und mentalen Folgen für die Gesellschaft. Die Leidtragenden sind nicht nur die finanziell Schwachen. Längst geht die Rotstift-Politik auch der Mittelschicht an den Geldbeutel. Wenn sie weniger arbeiten kann, weil die Kita schließt oder die ambulante Pflege fehlt, fragen sich auch Normalverdiener: Und wer zahlt die Miete?

Ohne soziale Einrichtungen kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Wenn an den Stellschrauben der sozialen Infrastruktur gedreht wird, dann sind das keine Einsparungen mehr, sondern existenzielle Gefährdungen. So wird die Zukunft kaputtgespart.

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