Seit geraumer Zeit stagniert die politische Lösungsfindung im Nahost-Konflikt. Gegenseitige Gewalt und Schuldzuweisungen füllen immer wieder die Schlagzeilen. Wie lässt sich langsam ein Weg aus der Gewaltspirale finden?

Das Friedensprojekt "The Art Road to Peace" des Tamad e.V. versucht, israelische und arabische Kinder Toleranz und gegenseitigen Respekt zu vermitteln. Das Credo ist dabei "Über die Kunst auf dem Weg zum Frieden". Wir haben mit der Vorsitzenden Hélène E. Gleitman gesprochen. 

"Jede Gruppe besteht jeweils zur Hälfte aus jüdischen und arabischen Kindern."

Wie läuft das Projekt "Art Road to Peace" eigentlich konkret ab?

Hélène E. Gleitman: Es gibt am Tel Aviv Museum of Art eine kunstpädagogische Abteilung, die sich hauptsächlich damit beschäftigt, Kunst an Kinder heranzutragen. Das Spezielle an unserem Projekt ist, dass dort jüdische und arabische Kinder zusammenkommen. Jede Gruppe besteht jeweils zur Hälfte aus jüdischen und arabischen Kindern. Das Gleiche gilt für die Lehrkräfte. Sie werden in die entsprechenden Gruppen aufgeteilt und verbringen dann einen Tag im Museum. Sie besuchen gemeinsam die Ausstellungen und verarbeiten dann im Anschluss in Workshops das Gesehene und sind dann im kreativen Austausch miteinander. Das Interessante ist, dass wir Bildung über Kunst vermitteln und die Kinder mit der anderen Kultur in Kontakt kommen.

Der Fokus liegt also darauf, dass man sich auf sein Gegenüber einlässt und ein friedvolles Miteinander findet?

Genau, die Kinder merken dann: Da ist ein Kind, das kommt aus einer anderen Kultur und können dadurch, dass sie miteinander Kunst gestalten oder etwas gemeinsam erleben, ins Gespräch kommen. Wir haben zum Beispiel speziell eine Spielbox entwickelt, mit der die Kinder über die Kommunikation ins Gespräch kommen. Dabei werden arabische Buchstaben und hebräische Buchstaben gezeigt und die Kinder fangen an, sich auszutauschen. Das ist der Weg, sich kennenzulernen. Darum geht es. Und mit dem Kennenlernen zu sehen, dass das auch ein Kind ist, das die Dinge so wie ich erlebt. Das hilft, Vorurteile abzubauen.

Kooperieren sie bei dem Projekt mit Schulen in Tel Aviv zusammen?

Ja, das Museum arbeitet eng mit der Stadt Tel Aviv und den Schulen zusammen. Es gibt zwar gemischte Schulen, aber in der Regel gehen die jüdischen Kinder in jüdische Schulen und die arabischen Kinder in arabischen Schulen, das ist zum Beispiel in Jaffa so. Die meisten Pädagoginnen und Pädagogen sprechen aber beide Sprachen, also Arabisch und Hebräisch. 

"Wir sehen, dass Freundschaften entstehen."

Sehen sie auch, dass sich bei den Kindern ein Stück weit etwas verändert, wenn sie gemeinsam dieses Projekt erleben?

Ja, wir sehen, dass Freundschaften entstehen. Dazu versuchen wir im Nachhinein uns einen Überblick zu verschaffen, welche Wirkung erzielt wurde. Und da kann man schon erleben, dass Kinder überrascht sind und sagen: Das andere Kind ist ja auch nur ein Kind so wie ich. Es hat auf jeden Fall einen Effekt und es ist eine Erfahrung, die sonst in ihrem Alltag nicht haben, weil die Kinder getrennt in ihren Kulturen leben, die begegnen sich nicht.

Kunst ist ein großer Bestandteil des Projekts, wie wichtig ist sie denn für den gemeinsamen Austausch der Kinder untereinander?

Sie inspiriert und gibt den Kindern die Möglichkeit, sich auszudrücken, auch weil sie basteln oder malen können und sich so auf verschiedenste Art und Weise einbringen. Die Kinder werden ja an die Kunst herangeführt. Es sind so viele Aspekte integriert, die man vermitteln kann. Über den Künstler zum Beispiel oder in welchem Bezug das Werk zu der damaligen Zeit steht. Das Personal ist auch derart geschult, sie bekommen zudem eine spezielle Ausbildung für unsere Gruppe, denn es kann auch sein, dass es zu Spannungen kommt. Da muss man damit umgehen können und diese auch lösen. 

Ein Mann steht vor einem großen Gemälde und um ihn herum sitzen Kinder in einem Sitzkreis, die ihm sichtlich gespannt zuhören.

Es sind dann doch zwei Kulturen, die aufeinanderprallen. 

Also, wenn sich politisch irgendetwas ereignet oder hochgeschaukelt hat, dann ist es schwierig. Da kann es auch vorkommen, dass Besuche abgesagt werden, wenn wieder etwas passiert. Man muss ja auch die Eltern gewinnen, es geht auch immer nur mit Einverständnis der Eltern. Die Bereitschaft ist da und die Eltern begegnen sich dann auch bei den Abschlusstreffen. Das Projekt läuft ja meistens über ein Schuljahr und da kommen die Eltern dann auch zusammen.

"Das eine sind die Menschen und das andere ist die Politik."

Die Lage ist ja grundsätzlich sehr angespannt.

Das eine sind die Menschen und das andere ist die Politik. Das ist etwas ganz anderes. Das deckt sich ja manchmal gar nicht. Das ist ja das Tragische. Und es gibt so viele tolle Menschen überall, die auch nichts dafür können, dass die Politik so ist, wie sie ist.

Ist das auch Ihre Motivation, um das Projekt mitzugestalten?

Für uns hat ja Israel eine besondere Bedeutung und ist uns wichtig. Gleichzeitig sind wir hier sozialisiert und aufgewachsen, fühlen uns als Münchner Bürger und hatten immer das Bedürfnis, von hier aus etwas dort mitzugestalten, etwas beizutragen. Und das sehen wir als einen Beitrag für den inneren Frieden in Israel. Und man darf nicht vergessen 20 Prozent der Bevölkerung ist ja arabischer Herkunft. Die Menschen sitzen teilweise zwischen allen Stühlen. In Israel ist es so, dass alles im Straßenverkehr oder im Museum auf Hebräisch, Arabisch und Englisch geschrieben ist.

"Wir bauen hier die Brücke zwischen Deutschland und Israel."

Der Freundeskreis versucht auch, in Deutschland Menschen miteinander zu verbinden. Wie läuft das genau ab?

Ja, wir bauen ja nicht nur die Brücke in Israel zwischen den jüdischen und arabischen Kindern und zwischen den jüdischen und arabischen Kunstpädagogen. Wir bauen hier die Brücke zwischen Deutschland und Israel, zum Beispiel durch durch unsere Kunstreisen nach Israel.  Dann präsentieren wir hier Events oder Vorträge, wie beispielweise zu Israels Metamorphose zur Start-Up Nation oder der Provenienzforschung.

Über den Freundeskreis

Die Freunde des Tel Aviv Museum of Art Deutschland e.V. wurden 2001 als ein gemeinnütziger Verein gegründet, dessen satzungsmäßiger Zweck die Förderung der Kunst und Kultur ist. Im Vordergrund steht dabei das Friedensprojekt "The Art Road to Peace". Zusätzlich fördern sie den Kontakt zwischen deutschen und israelischen Künstlern sowie die Zusammenarbeit mit Museen und Galerien in Deutschland und Israel. Hélène E. Gleitman ist Vorsitzende des Vorstandes. Hier finden Sie weitere Details zum Freundeskreis. 

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