Der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel vor knapp zwei Wochen erschüttert auch den interreligiösen Dialog in München. Ein Dutzend Münchner Imame zeigen sich in einem offenen Brief "in größter, akuter Sorge um den Frieden in unserer Stadt", darunter auch der überregional bekannte Penzberger Imam Benjamin Idriz.

Vertreter von Stadt und Kirchen fordern von Vertretern der muslimischen Gemeinschaft ein unmissverständliches Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und eine Verurteilung der Hamas. Idriz findet solche Forderungen "absurd":

"Was wir schon viele Male betont haben, kann nicht eingefordert werden."

Der Beauftragte der Landeshauptstadt München für den interreligiösen Dialog, Marian Offman, sieht eben diesen Dialog mit Vertretern der islamischen Religionen - mit Ausnahme der Aleviten - als "sehr gestört" an. Es fehle eine "klare und vorbehaltlose Verurteilung des brutalen Angriffs der Hamas auf Israel".

Allein Idriz habe den Angriff als unislamisch bezeichnet, lasse aber "eine Anerkennung des Staates Israel nicht erkennen". Die Voraussetzung für einen Dialog sei eben diese Anerkennung des Existenzrechts Israels: "Das ist deutsche Staatsräson, fast wie das Grundgesetz" und gelte für alle Menschen, die in Deutschland leben, sagte Offman, ehemaliger Vizepräsident der Israelitischen Kultursgemeinde (IKG) München.

Klarheit "Vorbedingung für den interreligiösen Dialog"

Ähnlich äußerte sich der evangelische Stadtdekan Bernhard Liess im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erwarte "von allen Muslimen und allen islamischen Verbänden, dass sie sich klar vom Terror der Hamas gegen den Staat Israel distanzieren". Diese Distanzierung müsse öffentlich geschehen. In solchen Erklärungen müssten zwei Formulierungen vorkommen: "Terror der Hamas" und "Staat Israel". Nur so werde "klar formuliert, dass der Staat Israel ein Existenzrecht hat - in dieser Frage darf kein Hintertürchen offenbleiben". Diese Klarheit brauche man als Vorbedingung für den interreligiösen Dialog, sagte Liess.

Ein Sprecher der in München ansässigen Europäischen Rabbinerkonferenz CER sagte, man habe den offenen Brief der muslimischen Verbände und Vereine in München irritiert zur Kenntnis genommen. Wenn Imame öffentlich ihre Angst davor äußerten, dass der Frieden in der Stadt in Gefahr sei, "ist das doch ein klares Zeichen dafür, dass sie ihre Community nicht im Griff haben". Gerade in solch aufgeheizten Zeiten sei es Aufgabe der Imame, zu befrieden. Dazu gehöre auch, nicht auf pro-palästinenische Mahnwachen oder Kundgebungen zu bestehen - denn letztlich würden diese oft für Hamas-Propaganda missbraucht.

Imam: Immer mit Opfern solidarisch

Imam Idriz sagte auf epd-Anfrage, er habe nicht das Gefühl, dass der interreligiöse Dialog im Großraum München gestört sei. Gleichwohl empfinde er es als "ärgerlich, wenn ich über Dritte zu etwas aufgefordert werde, was ich schon mehrfach getan habe". Er sei in jedem Konflikt und nach jedem Anschlag "immer mit den Opfern solidarisch", sagte er, dies sei Teil seines religiösen Bekenntnisses. Dass die Stadt grundsätzlich pro-palästinensische Demos verboten habe, sei "nicht gut" für die Demokratie. Man wolle zwar keine Szenen wie in Berlin, dennoch seien Verbote falsch:

"Wir wünschen uns gemeinsame Mahnwachen für die Opfer."

Wie angespannt und teilweise aufgeheizt die Stimmung in allen Ecken des Freistaats ist, zeigen etwa die Polizei-Meldungen der vergangenen Tage. In Bayreuth beispielsweise wollten Unbekannte eine Israel-Fahne von einem vorbeilaufenden Passanten stehlen, in Fürth machten sich mehrere Jugendliche an einer Israel-Flagge vor dem Rathaus zu schaffen. In München rufen pro-palästinensische Organisatoren für Samstag zu einem Autokorso mit Flaggen durch die Innenstadt auf. Die Imame wollten nach eigenen Angaben an diesem Freitag in ihren Gemeinden dazu auffordern, nicht an Kundgebungen teilzunehmen, in denen Gewalt bejubelt werde.

Idriz sagte, er sei deshalb sehr froh, dass Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dem Wunsch der muslimischen Gemeinde und Verbände nun entsprochen habe und sich an diesem Freitag (20. Oktober) zu Gesprächen mit ihnen treffen wolle.

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