Das deutsche Rettungsschiff "Alan Kurdi" der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye wird seit April von den italienischen Behörden in Palermo festgehalten. Rettungseinsätze sind derzeit nicht möglich. Nun wollen die Seenotretter ein weiteres Schiff kaufen, kündigte Sea-Eye-Vorsitzender Gorden Isler  im Gespräch mit Sonntagsblatt.de an.

Herr Isler, Italien wirft Sea-Eye vor, die "Alan Kurdi" habe "gravierende Sicherheitsmängel". Wie beurteilen Sie das?

Gorden Isler: Wir haben uns dagegen Anfang August mit einer Klage vor dem italienischen Verwaltungsgericht in Palermo zur Wehr gesetzt und gehen davon aus, dass das Gericht unserer Argumentation folgt, und die Verantwortung, so wie es nach internationalen Gesetzen auch geregelt ist, an den Flaggenstaat Deutschland delegiert. Die deutsche Flaggenstaatsverwaltung ist der Meinung, dass das Schiff korrekt zertifiziert ist, entsprechend seiner Schiffsklasse. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir diese Klage gewinnen, in den nächsten Wochen ein Urteil bekommen und die "Alan Kurdi" weiter rechtssicher einsetzen können.

Sie werden dann zwei Schiffe im Einsatz haben, wenn Sie ein weiteres ankaufen wollen. Wann soll es auslaufen?

Isler: Über die ganzen Diskussionen, in denen es darum ging, wie groß unsere Fäkalientanks sind, wie viel Abwasserkapazität und wie viele Müllbehälter wir an Bord haben, beschlossen wir im November 2019, ein Projekt zu entwickeln, dass alle technischen Beanstandungen berücksichtigt. Deshalb haben wir im März 2020 eine Projektleiterin eingestellt für unser Projekt "Sea-Eye 4" - weil es insgesamt unser viertes Schiff wäre -, mit dem Ziel, ein geeignetes Objekt zu finden. Wir hatten zwei Schiffe identifiziert, die geeignet sind, und haben uns vor kurzem für eines entschieden. In den nächsten zwei bis drei Wochen wird alles geklärt sein und dann werden wir das Schiff hoffentlich Ende September der Öffentlichkeit präsentieren können. Unser Ziel ist, es dieses Jahr noch in den Einsatz zu schicken.

Das jetzige Schiff ist nach dem zweijährigen Jungen Alan Kurdi benannt, der im Mittelmeer ertrunken ist und dessen Leichnam an die griechische Küste gespült wurde. Welchen Namen wird das neue Schiff tragen?

Isler: Wir werden das Schiff "Ghalib Kurdi" nennen, nach dem zwei Jahre älteren Bruder von Alan Kurdi, der wenige hundert Meter weiter zusammen mit seiner Mutter Rehanna tot am Strand aufgefunden wurde. "Alan und Ghalib Kurdi", das kleine und das große Schiff. Beide Schiffe können dann zusammen in den Einsatz starten. Das größere wird technisch besser ausgestattet sein, um möglichst keine Gründe für technische Beanstandungen zu liefern.

Wie viele Flüchtlinge wird die "Ghalib Kurdi" aufnehmen können?

Isler: Wir beabsichtigen, mehrere hundert Personen sicher zu beherbergen. Natürlich nicht über Wochen, sondern für den jeweiligen Moment. Es wird - darüber werden sich die italienischen Behörden freuen - über ausreichend Toiletten, Abwassersysteme, Müllbehälter und sanitäre Möglichkeiten verfügen. Das ist der Kernvorwurf gewesen, dass wir nicht genügend Becken hätten, was gefährlich für die Meeresumwelt wäre, wenn wir mit so viel Leuten an Bord fahren. Dabei haben die Behörden selbst die Probleme verursacht, indem sie uns blockierten und sagten, unsere Schiffe seien nicht geeignet dafür. Wenn sie uns einen sicheren Ort nicht immer wieder verwehren würden, dann gäbe es auch keine Probleme.

Warum wird Regensburg Heimathafen für das neue Schiff sein?

Isler: Das Herz des Vereins mit seinen 500 Mitgliedern liegt in Regensburg. Die Stadt verfügt auch über ein Hochseeschiffregister. Außerdem war Regensburg die erste bayerische Stadt, die sich zum sicheren Hafen erklärt hat. Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) hat mir versichert, dass Regensburg weiter zur Potsdamer Erklärung steht. Sie war begeistert, dass wir uns Regensburg als Hafen ausgesucht haben.

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