Der Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hat kürzlich in einem Zeitungsbeitrag darauf hingewiesen, dass unsere freiheitlichen Verfassungen "mit einem Bekenntnis" beginnen: Sie "bekennen sich" zu den unveräußerlichen und universalen Menschenrechten. Er folgert daraus: "Multikulturell" ist unsere Gesellschaft, soweit damit ein offenes Zusammenleben "bei Anerkennung gemeinsamer Verfassungs- und Rechtsgrundlagen" gemeint ist. Doch multikulturell könne nicht bedeuten, dass die Prinzipien der Rechtsordnung zur Disposition stehen, zum Beispiel die Religionsfreiheit: In anderen Kulturen werden die Bürger auf eine Staatsreligion verpflichtet. Oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau, denn andere Verfassungen kennen eine Kultur des Dienens der Frau.

Wenn wir auch Angehörigen anderer Kulturen offen begegnen und gerne mit ihnen zusammenleben, wollen wir es doch nicht offen lassen, ob die Menschenrechte beachtet oder eines Tages außer Kraft gesetzt werden. In dieser Hinsicht haben wir uns festgelegt; und unsere Verfassung bekennt sich dazu.

Wenn dies schon von Grundwerten der Rechtsordnung gilt, ist davon auszugehen, dass es in gesteigertem Maße für den religiösen Glauben zutrifft; denn darin hat man es nicht nur mit Werten zu tun, die unter Umständen einem Wandel unterliegen, sondern mit Gott selbst, der letzten Instanz.

Das Bekenntnis zu Gott ist vergleichbar mit der Eheschließung

Im Bekenntnis legt man sich fest und formuliert in Kürze, woran man sich gebunden weiß und was man hofft und glaubt. Das Bekenntnis sagt aus, woran ich mich im Leben und Sterben halten will und wo ich mein Heil suche. Es ist eine Zusammenfassung der Heilsbotschaft, die in der Verkündigung entfaltet wird, und die sich im Zwiegespräch erläutern lässt. Religionsgeschichtlich verallgemeinernd kann man sagen: "Unter Bekenntnis versteht man die begriffliche Formulierung der Lebensmitte einer Religion" (Gustav Mensching).

Die Lebensmitte der biblischen Religion ist die Begegnung mit dem lebendigen Gott. Israel und die Kirche bekennen sich zu Ihm. Sie legen sich auf Ihn fest. Verständlicherweise wurde daher im Alten und Neuen Testament die Bindung der Gläubigen an Gott mit einer Eheschließung verglichen. Wie sich eine Braut auf ihren Bräutigam festlegt (und umgekehrt), so bekennen sich die Gläubigen zu ihrem Gott.

Israel bekannte: "Jahwe ist unser Gott" (Josua 24, 16-24), und zwar Er allein (5. Mose 6,4), kein anderer neben Ihm (5. Mose 5,7). Christen bekennen: Jesus ist der Christus (Markus 8,19), der Herr (1. Kor. 12,3), Gottes Sohn (Apg. 8,37). Wie das Alte Testament die Heilsgeschichte der großen Taten Gottes an Israel erzählt, so bekennt das Neue Testament, dass Jesus sich in seinem Tod am Kreuz aufgeopfert hat, damit allen, die an ihn glauben, die Sünden vergeben werden, und dass seine Auferweckung ihnen das ewige Leben verbürgt.

Das bloße Hersagen des Bekenntnisses nützt wenig - es kommt auf den "Glauben des Herzens" an

Als es im 16. Jahrhundert den kirchlichen und staatlichen Behörden als fraglich erschien, ob die Anhänger Luthers als kirchliche Christen oder aber als Ketzer zu gelten hätten, legte Philipp Melanchthon dem 1530 in Augsburg tagenden Reichstag dar, "was in unseren Kirchen gelehrt wird". Diese Zusammenfassung der Lehre wird als "Augsburger Bekenntnis" bezeichnet. In einer Verteidigungsschrift (Apologie), die dieses "Bekenntnis" gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz nahm, stellte Melanchthon fest, dass das bloße Hersagen des Bekenntnisses freilich wenig nützt; es kommt vielmehr auf den "Glauben des Herzens" an.

Wer sagt: "Ich glaube", legt sich persönlich fest. In der Frühzeit der Kirche konnte nur getauft werden, wer zuvor das Glaubensbekenntnis ablegte, sich also entschieden zu Christus, zu dem dreieinigen Gott und zu der im Bekenntnis stichwortartig erwähnten Heilsgeschichte bekannte. Nach wie vor gehört das Glaubensbekenntnis zu jeder Tauf- und Konfirmationsfeier. Wer sich zum Glauben an Christus bekennt, gesteht damit öffentlich ein, dass er ihn braucht. Das christliche Glaubensbekenntnis schließt das Sündenbekenntnis ein. Wer bekennt, dass er an Christus glaubt, bekennt damit auch, dass er ohne ihn verloren wäre. Zugleich enthält das Glaubensbekenntnis das Zeugnis, gerettet worden zu sein.

Wer sich im Bekenntnis festlegt, erteilt anderen Heilsangeboten eine Absage

Im Akt des Bekennens deckt man auf, wozu man steht und worauf man sich verlässt. Diese Festlegung schließt ausdrücklich oder stillschweigend eine Absage an andere Heilsangebote ein. Der schwerkranke Martin Luther veröffentlichte 1537 seine als Konzilsvorlage entworfenen "Schmalkaldischen Artikel" trotz Verschiebung des Konzilsbeginns, damit die, "die nach mir leben, dieses mein Zeugnis und Bekenntnis vorzeigen können". Schon 1528 hatte er in der Erwartung, bald ums Leben zu kommen, ein persönliches "Bekenntnis" herausgegeben, "auf dem ich auch noch bisher geblieben bin und auch künftig bleiben will mit Gottes Gnade".

Die inhaltliche Zusammenfassung der wichtigsten Glaubensaussagen dient auch dazu, Rechenschaft darüber abzulegen, was man glaubt, und solche, die ebenfalls glauben möchten, in den Glauben einzuführen. Zu den Bekenntnisschriften unserer Kirche zählen auch Luthers Katechismen, die Lehrbücher für den Glaubensunterricht. Schüler können sich das formulierte Credo einprägen, um, falls sie erkennen, dass das darin Ausgesagte ihre Rettung bedeutet, sich selbst dazu bekennen zu können.

Das Glaubensbekenntnis entwickelt sich auch im Konflikt mit anderen

Israel formulierte sein Bekenntnis in entschiedener Abgrenzung gegen die Verehrung anderer Götter durch die Nachbarvölker. Ähnlich profilierte sich das christliche Glaubensbekenntnis in Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Glaubensauffassungen. Das Auftreten Jesu hatte im Judentum Widerspruch hervorgerufen. Die Synagoge exkommunizierte die Christen, weil sie sich zu Jesus als dem Messias bekannten.

Das christliche Bekenntnis "Jesus ist der Herr" kam wegen seiner Ausschließlichkeit auch schnell mit der römischen Staatsreligion in Konflikt, denn der Kaiserkult verlangte das Bekenntnis: "Der Kaiser ist Herr" (Kyrios Kaisar). Auch innerhalb der christlichen Gemeinde wurden Klarstellungen erforderlich. Schon Paulus musste ein Evangelium, das "anders" gepredigt wird, verwerfen (Gal 1,6ff).

Immer wieder musste in der Geschichte der Kirche Jesu Christi das Bekenntnis im Widerspruch zu irreführenden Lehrmeinungen festgehalten werden. Als die sogenannten "Deutschen Christen" ihre Lehre der Ideologie des Nationalsozialismus anpassten, legten Vertreter der "Bekennenden Kirche" in der "Barmer Theologischen Erklärung" 1934 ein aktuelles Glaubensbekenntnis ab.

Melanchthon stellte in seiner "Apologie" fest: "Ein Glaube ist nicht stark, der sich nicht im Bekenntnis bezeugt". Und Christus selbst setzt "das Bekenntnis der Heiligen" dem "Reich des Teufels" entgegen, drängt diesen damit zurück und offenbart in unserer Ohnmacht seine Überzeugungskraft.