Schönheit wird die Welt retten
"Schönheit wird die Welt retten." So lautet ein wichtiger Gedanke des Schriftstellers Fjodor Dostojewski. "Schönheit wird die Welt retten". Den Gedanken finde ich schön – aber auch ziemlich gewagt. Kann Schönheit die Welt retten?
Für meine eigene innere Welt stimmt das. Nicht immer, aber doch oft oder wenigstens manchmal kann das Schöne mich retten, mich freuen, mich aufrichten und trösten. Etwas schön finden heißt: Etwas besonders wahrnehmen. Schön kommt von schauen. Und etwas schön finden, heißt dann: intensiv schauen und staunen. Für einen Augenblick ganz in diesem Moment sein. Genießen. Den Moment auskosten. Schönheit ist: Intensive, erfüllte Gegenwart.
In diesem Sommer konnte ich in Schönheit baden: Ich war zweieinhalb Wochen Italien. Erst fünf Tage in Florenz, eine Stadt, in der eine klassische Schönheit neben der nächsten steht. Der Dom und die kleine Taufkapelle daneben, der Ponte Vecchio, das ist die berühmte Brücke über den Fluss Arno, San Miniato, eine Kirche oberhalb von Florenz mit herrlichem Ausblick. Fiesole, ein Städtchen in den Bergen rund um Florenz. Herrlich. Schon die Namen klingen schön, wie Musik in meinen Ohren.
Anschließend sind wir mit Zug und Schiff auf die Äolischen Inseln weiter gereist. Sieben kleine Vulkaninseln, nördlich von Sizilien. Jede hat ihren eigenen Charme. Herrliche Sonnenuntergänge am Meer. Weiße Häuschen an den Hängen. Bäume mit Zitronen und Orangen dran. Die Meeresluft und der Duft der Landschaft, der Kräuter. Antipasti, fein gewürztes Gemüse, eingelegt in Olivenöl, das duftet und schmeckt.
Dieser Urlaub war für mich wie eine Rundumkur für die Sinne, und wird wahrscheinlich das Schönste sein, das ich in diesem Jahr erlebt habe. Jetzt ist der Urlaub vorbei, doch von dem Schönen ist viel gespeichert: Auf meiner Handykamera und in meiner Erinnerung. Wenn ich die Urlaubsfotos durchklicke, kommt mir der Gedanke: Schön, das Meer, die Sonnenuntergänge. Wenn ich‘s nicht selber erlebt und gesehen hätte, würde ich sagen. Ein bisschen kitschig, romantisch. Das Schöne lebt vom Moment, der vergänglich ist, es lässt sich nicht festhalten. Und die mitgebrachten Antipasti und Weine schmecken zu Hause gut, aber nicht so gut wie in Italien.
Das Schöne tut meiner Seele gut und bringt sie zum Leuchten, zum Vibrieren, zum Glänzen. Oder mit einem alten Wort gesagt: Da bin ich ergriffen. Da greift was nach mir. Da erlebe ich im Schönen, dass etwas, dass jemand nach mir greift. Ergriffen von dem, was uns unbedingt angeht, so hat das Paul Tillich ausgedrückt, ein Theologe des letzten Jahrhunderts. Wenn ich Schönes bewusst erlebe, fühle ich eine tiefe Dankbarkeit. Wow, wie schön und wie groß ist das denn! Was für ein Geschenk, was für ein Glück, das erleben und genießen zu können. Das müsste alles nicht sein. Ist es aber. Und ich steh hier und kann es erleben und genießen, das Schöne… Danke…
Ich sage Ja. Zum Augenblick. Und dann auch: Zu Gott, und zu dem Leben, das er mir geschenkt hat, so wie es ist. Gott ist es, der mir diesen Moment des Schönen schenkt und sich mir durch das Schöne ins Gedächtnis einprägt. Schönheit rettet die Welt, meine Welt zumindest immer wieder.
Welche Schönheit wird die Welt retten?
Wenn ich an all das denke, was heute gerettet werden könnte oder sollte: Das Klima und der Regenwald, die Flüchtlinge, die Demokratie, das friedliche Miteinander in unserem Land, die kleiner werdende Kirche und vieles mehr – kann man da sagen: Schönheit wird die Welt retten? Für vieles bräuchten wir kluge Rezepte und Antworten – und wir bemühen uns schon drum. Aber kann ausgerechnet Schönheit da weiterhelfen? Und welche Schönheit? Wir haben ziemlich verinnerlicht, dass Schönheit etwas mit äußerem Aussehen und bestimmten Maßstäben zu tun hat. Was schön ist, liegt zwar im Auge der Betrachterin. Und jeder findet etwas anderes schön….
Aber bei Schönheit gibt es Ideale. Wenn ich "Schönheitsideale Frauen" google, dann begegne ich als erstes einer Seite mit günstigen Angeboten für Beauty-Behandlungen. Frauen, so lese ich, gelten als schön, wenn sie groß, schlank, durchtrainiert und sexy sind. Ausdrucksstarke Augen, buschige Augenbrauen, lange Haare und markante Wangenknochen gehören auch dazu.
Männer, so lese ich zwei Klicks weiter, Männer sollten groß, schlank und möglichst sportlich sein. Am besten noch ein schmales Gesicht, markante Wangenknochen und einen gebräunten Teint, gerne herbe Gesichtszüge. Klar, das sind Schönheitsideale, mit denen Geld gemacht werden soll. Ziemlich durchschaubar. Aber: Auch wenn man das durchschaut: Man kann sich dem dann doch nicht so leicht entziehen. Man wird eben mit diesem Aussehen anders angesehen als mit jenem.
Wenn ich in meinem Sportstudio trainiere, passiert es mir schon mal, ich gebe es zu: Ich schau mich um und denke mir: Mann, sind die da trainiert und haben Muskeln. Mann, hat der einen Bartwuchs. Und wenn man so dunklere Haut hätte wie die zwei da drüben, das wär‘ schon fein. Und ich merke dann: Hmm, ich hab auch meine Schönheitsideale in mir. Das eine like ich in meinem Kopf, das andere nicht. Und unweigerlich kommt man ins Urteilen und Vergleichen.
Dating-Portale über Schönheiten
Auf Dating-Portalen für Partnersuchen schreiben manche: Keine Hässlichen, keine Dicken. Es ist von "Beuterastern" die Rede. So oder so sollte ein attraktiver Mensch aussehen.
Wenigstens vom Verstand her ist uns klar: Das kann nicht alles sein, nicht mal das Wesentliche von Schönheit. Solche Schönheit rettet nicht. Solche Schönheitsideale sagen mir nur, was mir alles fehlt und woran ich noch arbeiten muss. Es ist nichts dagegen zu sagen, auf die eigene Schönheit wert zu legen, sie zu pflegen. Sie ist ein Gottesgeschenk. Und dieses Gottesgeschenk kann man natürlich auch im Barbershop, bei der Kosmetikerin, beim Friseur, bei der Ärztin, beim Masseur pflegen lassen. Schönheitsideale sind verführerisch. Sie verführen mich, nicht mehr ich selbst sein zu wollen, ich mit den kleinen und großen Besonderheiten, die mich von den Idealen unterscheiden, weil Gott kein Ideale, sondern Einzelstücke wollte: Mich und all die anderen. Wenn Ideale dazu führen, dass man nur noch unzufrieden mit sich und anderen ist, sind sie destruktiv und ziehen einen runter. Und was einen runterzieht und abwertet, kann niemals wirklich schön sein und nichts und niemanden retten.
Heute Vormittag wird in evangelischen Gottesdiensten eine Geschichte gelesen, in der es auch um Schönheit geht. Aber erst auf den zweiten Blick. Sie beginnt damit, wie ein Mensch angeschaut wird.
Sie brachten zu Jesus einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, dass er ihm die Hand auflege.
Und Jesus nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und spuckte aus und berührte seine Zunge und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!, das heißt: Tu dich auf!
Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge wurde gelöst, und er redete richtig.
Und Jesus gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's ihnen aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus.
Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hören und die Sprachlosen reden. (Markus 7,32-37)
Was fehlt diesem Mann, was braucht er eigentlich? Das ist nicht so ganz klar. Das Gehör fehlt, ja, und das ist schon schlimm. Und was ist das mit seiner Sprachfähigkeit, mit seiner Zunge? Sprachstörungen haben mit dem Gehirn zu tun… Die Geschichte lässt hier offen, was der Mann eigentlich fehlt. "Taubstumm" hieß die Etikette lange, ein unschönes Wort. Lassen wir offen, was den Mann bedrückt. Vielleicht sind auch die Schablonen, in die ihn die Leute pressen. "Du musst zum Arzt. Du musst so und so sein… Ich habe Gehörlose als besonders sensible Menschen kennen gelernt. Vielleicht ist es diese Sensibilität, die die Leute erschreckt, oder die es ihm schwer macht, in der Welt zurecht zu kommen.
Was macht Jesus nun mit diesem Mann? Jesus schaut den Mann genau an und berührt ihn. Zärtlich. Und zwar an seinen Schwachstellen. Zuerst die Ohren. Ich stelle mir das vor, wie sich das anfühlt: Wenn mir einer zärtlich die Finger in die Ohren legt…Eine ungewohnte Vorstellung. Aber schön. Und sehr intim.
Und dann berührt Jesus die Zunge dieses Mannes mit seinem Speichel. Fast wie ein Kuss: Intim, erotisch, wunderschön: Jesus berührt zärtlich und liebevoll die Stellen, an denen dieser Mann verletzt ist. Und schließlich ein Seufzen, Stöhnen zum Himmel. Ein Gebet aus dem Herzen. Hefata, öffne dich. Und dann - kann der Mann hören und reden - und schmecken und riechen. Er kann nun anders und mehr wahrnehmen als vorher. Kann den Wein schmecken und das frisch gebackene Brot. Kann den Menschen, den er liebt, küssen, schmecken und riechen. Der Mann kann nun genießen. Das Schöne neu und anders wahrnehmen.
Es ist eine Heilungsgeschichte. Aber da geschieht mehr und anderes als beim HNO-Arzt oder bei der Logopädin. Jesus berührt die verletzten Sinnesorgane. Unsere Sinnesorgane sind wie Fenster zwischen Gott und der Seele im Inneren des Menschen. Jesus hat Teile dieses Fenster geputzt und durchlässig gemacht – für Gott und für die Seele. Nun kann der Mann Ja sagen: zu sich, zu Gott, zu seinem Leben mit seinen Verletzungen, zu Gott. Das Fenster zwischen Gott und der Seele ist durchlässig geworden.
Der Mann ist sensibel geworden für das Schöne und vor allem: Sensibel für die Schönheit seines eigenen Lebens. Er erfährt: Ich bin liebenswert. Da schaut mich wer an, findet mich jemand schön. Ein Glanzmoment. Das Fenster zwischen Gott und mir ist gerade wie frisch geputzt.
Angeschaut werden, sich liebenswert fühlen, sensibel werden für die Schönheit des eigenen Lebens - das gehört zusammen. Das Schwere, die Ungereimtheiten im eigenen Leben und in der Welt bleiben bestehen. Doch wenn das Fenster der Seele durchlässig ist für Gott, für das Schöne, kann ich mein Leben annehmen. Dann kann ich mein Halleluja singen. Auch und gerade ein Leben mit Brüchen ist ein schönes Leben. Das "broken Halleluja" von Leonard Cohen singt davon
Schönheit wird die Welt retten. Und für diesen Mann heißt gerettet und heil werden: Neu sensibel werden für das Schöne in ihm, an ihm und um ihn herum.
Schöne Kirche?
Das Schöne gehörte in der antiken Philosophie zu den drei Hauptthemen, Ideen des Lebens: Das Gute, das Wahre und das Schöne. In Gott vollendet sich das Gute, Wahre und Schöne. Schönheit, so habe ich manchmal den Eindruck, ist in der Kirche heute nicht wirklich ein Thema. Über das Gute und das Wahre denken wir nach. Und natürlich auch darüber, dass die Kirche hinter dem Guten und Wahren zurückbleibt. Das Nachdenken über das Schöne ist irgendwie still und leise verloren gegangen. Es ist zu subjektiv, weil der eine das, die andere das schön findet. Die eine Epoche hat dieses Schönheitsideal, der andere Kulturkreis wieder ein ganz anderes. Und auch bei mir selber merke ich das: Heute finde ich anderes schön als noch vor zehn Jahren. Was ich heute schön finde, werde ich in zehn Jahren vielleicht ganz anders sehen.
Über das Gute und Wahre auch in religiösen Fragen kann man vermeintlich objektiv sprechen, das Schöne ist scheinbar nur subjektiv, im Auge der Betrachterin.
Für mich sind die Kirchen in der Nachfolge Jesu Räume und Gemeinschaften, die das Schöne pflegen. Dies geschieht vor allem in einem schönen Gottesdienst. Da kann ich im Bestfall erleben, was der Mann im Evangelium erlebt: Gemeinschaft mit anderen und intimes Zusammensein mit Jesus, neues Hören und Wahrnehmen, tiefe Worte und schöne Klänge, die berühren. Das heilige Abendmahl als Geschmack von Liebe. Heilende Schönheit.
Oft wird geklagt, dass in der Kirche die Generation 65plus stark vertreten ist und die Jugend fehlt. Junge Leute heute sind sensibel für die bedrohte Erde. Und sie sind sensibel für das Schöne und Sinnliche und lassen sich darüber auch für den christlichen Glauben und den Gottesdienst begeistern.
Zum Beispiel in Taizé – das ist der ökumenische Jugendwallfahrtsort in Frankreich, die erfolgreichste christliche Jugendarbeit weltweit. Mehrere Stunden Gottesdienst, jeden Tag dreimal: viele Kerzen und warme farbige Lichter, Bibellesung, Gebet, lange Stille und: die bekannten Taize-Gesänge, ein Satz, der wie ein Mantra x-fach wiederholt wird, bis das Herz singt und die Seele vibriert. In Taizé lebt eine einfache, leichte und freundliche Schönheit - und das zieht Jugendliche jedes Jahr zu hunderttausenden an.
Einen der Gesänge aus Taizé mag ich besonders: Confitemini Domino. Ein Psalmvers auf Latein -Martin Luther mochte diesen Vers sehr gern –, der übersetzt heißt: Vertraut und dankt dem Herrn, er ist gut.
Er hat alles gut gemacht, singt die Menge aus der biblischen Geschichte, als sie merken: Der Mann ist geheilt. Gut und schön haben im Griechischen und Hebräischen dieselbe Vokabel. Wenn man überall in der Bibel bei Aussagen zu Gott "gut" durch "schön" ersetzt, ergibt sich eine ganz besondere Atmosphäre: Gott ist schön. Und das tut der Seele gut.
Das Hässliche und das wahre und gute Schöne
Dass Gott schön ist, das muss sich aber auch bewähren: Im Angesicht des Unschönen, des Banalen, des Hässlichen und des Abscheulichen. In diesem September erinnern wir uns an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren.
Ein schrecklicher Krieg, der auf einem quasireligiösen Boden gewachsen ist. Das sogenannte Dritte Reich hat sich selbst wie eine Religion aufgeführt. "Heil" – das, was Menschen von Gott erwarten, was der Mann durch Jesus erfährt: "Heil", Heil sein an Leib und Seele, - das sollte auf einmal von einem Führer kommen und einem Sieg. Auch das Schöne wurde festgelegt, definiert. Schön ist, was arisch, blond, deutsch, gesund und heterosexuell ist. Die Frau ist schön, solang sie brav Kinder kriegt und für ihren Mann da ist. Alles andere ist entartet, verwerflich, gefährlich, muss verfolgt, vernichtet werden. Die, die Jesus berührt und geheilt hat, etwa wie in unserem Evangelium heute, wären im Dritten Reich in der Gaskammer gelandet. Und Jesus als gebürtiger Jude mittendrin.
Die Erinnerung an das Dritte Reich zeigt mir: Es gibt auch eine falsche, eine verlogene Schönheit, die Lüge, die nichts Wahres und Gutes hat, die nichts und niemand rettet, sondern die Welt zerstört. Schönheit ist Gestalt gewordene Liebe. Wenn die Liebe Gottes allen gilt, wie Jesus sagt, dann hat Schönheit auch objektive Maßstäbe: Sie muss durchsichtig sein dafür, dass die ewige Liebe jeder, jedem gilt, Ihnen und mir. Den Menschen, die wir schön finden. Und erst recht allen anderen. Und auch natürlich - keine Frage – dem Transmenschen, dem dunkelhäutigen Migranten aus Afrika, der behinderten Dame im Rollstuhl und dem alten Herrn mit Demenz. Ich sage das, weil diese Menschen vor 80 Jahren wegen ihres Aussehens gefährlich lebten und als "unwertes Leben" galten. Allein der hässliche Begriff ist Sünde. Jeder Mensch ist schön und wertvoll in Gottes Augen, von unwertem Leben zu reden ist dumm und gottlos.
In Potsdam hat der Bildhauer Rainer Opolka vor kurzem in einer Kunstaktion eine Figur vor der Zentrale einer Partei aufgestellt: Ein Wolf, der einen Hitlergruß macht und einen Helm trägt. Eine Erinnerung daran, dass Worte und Haltungen des Dritten Reiches heute wieder gesellschaftsfähig wahren. Solche Kunst ist nicht schön, sondern verstörend – und das muss sie sein. Der Mensch als Wolf, manchmal im Schafspelz. Und ich frage mich: Bin ich das auch? Ein Wolf, der dem Mitmenschen zum Wolf wird? Ich bin doch so schön und gut. Meine ich zumindest. Manchmal. Wenigstens nach außen hin, will ich den Schein halten. Wenn ich etwas bewusst Hässliches und Verstörendes auf mich wirken lasse, wie diesen Wolf mit Helm und Hitlergruß, dann steigen in mir die Fragen auf: Was ist für mich eigentlich schön, was ist gut, was ist wahr? Und wofür setze ich mich ein?
Schön, wahr und gut – das gehört zusammen. Wahrheit ohne das Schöne wird fanatisch: Das Gute – ohne das Schöne – wird moralinsauer: Und das Schöne – ohne das Wahre und Gute – wird weltfremd, peinlich. Schönheit kann die Welt retten. Die innere Welt – und nach und nach auch die äußere. Menschen, die mit sich und Gott im Einklang sind, werden fähig, etwas zur Rettung der Welt beizutragen. Wer sensibel ist für Momente des Schönen, geht anders mit der Welt und den Mitmenschen um.
Eine Erfahrung von Schönheit im zweiten Weltkrieg hat mich beeindruckt und demütig gemacht: Ludwig Steil, evangelischer Pfarrer, 43 Jahre, wird im September 1944 von der Gestapo verhaftet und ins KZ gebracht. Grund: Sein Vortrag mit dem Titel "Schweigt Gott im Krieg?". Ludwig Steil kommt ins Konzentrationslager Dachau. Von dort schreibt er an seine Frau:
"Eben beim Essen erfreute mich die schöne Zeichnung eines Lorbeerblatts auf meiner Suppe. Ich ließ es auf dem Rand der Suppe liegen, während ich aß und staunte über die Verästelung der Rippen und die vollendete Form. So erinnert uns Gott auch in einer Umgebung, in der alles fehlt, was lieblich ist und wohllautet, an die Schönheit seines Reiches. Es hat mir noch an keinem Tag an Grund zum Danken gefehlt" (Magazin INSIST 1/2011, 19)
Die Schönheit Gottes: im Lorbeerblatt. In der Suppe. Diese Sensibilität für das Schöne beeindruckt mich. Das möchte ich auch: In Extremsituationen des Lebens für Gott und das Schöne sensibel sein. Und auch sagen können: Es hat mir noch an keinem Tag an Grund zum Danken gefehlt.