Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat die Kirchen gegen den Vorwurf verteidigt, in der Corona-Pandemie zu leise gewesen zu sein. Schon Mitte März 2020 hätten die Kirchen eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, die Trost spenden sollte, sagte Bedford-Strohm am Sonntag in Berlin. Zu Beginn der Pandemie sei zudem eine der größten Sorgen der Kirchen gewesen, dass Sterbende nicht begleitet werden können. "Dann muss man auch sagen, warum das nicht so einfach war", sagte der bayerische Landesbischof.
Warum Seelsorge zu Beginn der Pandemie schwierig war
Wesentliches Problem zu Beginn der Pandemie sei die Knappheit von Schutzausrüstung und Schutzkleidung gewesen. Um Seelsorgern den Zugang zur Begleitung zu ermöglichen, hätte man diese Pflegerinnen wegnehmen müssen. Das habe er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren können. "Es war eine grauenhafte Dilemmasituation", sagte Bedford-Strohm. Dennoch habe man versucht, Seelsorge zu leisten. Das sei öffentlich nur weniger bekannt. "Seelsorge ist etwas, das von der Sache her nicht in die Schlagzeilen kommt."
Bedford-Strohm diskutierte unter anderem mit dem Historiker Paul Nolte anlässlich dessen Verabschiedung als Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin über die Kirchen in der Corona-Pandemie. Nolte erneuerte seine auch während der Pandemie geäußerte Kritik, die Kirchen seien etwa mit der Absage von Gottesdiensten sehr staatsnah gewesen.
Nolte hätte sich mehr "Widerborstigkeit" der Kirche gewünscht
Er würde den Kirchen zum Vorwurf machen, "dass sie sich in einen Gesamtsolidarismus haben einspannen lassen". Nolte sagte, die Kirchen seien im Dilemma gewesen zwischen den Interessen ihrer eigenen Mitglieder und dem Impuls, für alle Menschen das Richtige zu tun. Ihm hätte gefallen, die Kirchen hätten zugunsten der eigenen Sache etwas mehr "Widerborstigkeit" gezeigt.
Nolte scheidet Ende Juni nach zwölf Jahren an der Spitze der Evangelischen Akademie zu Berlin aus dem Amt. Der Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin will damit nach eigenen Worten einen Wechsel in der Bildungseinrichtung ermöglichen. Wer dem 58-Jährigen nachfolgt, ist noch nicht entschieden.