Das Vertrauen in die Kirche ist nach den Worten des Religionssoziologen Detlef Pollack auf einem Tiefstand. Aber die Kirchen selber könnten gar nicht so viel tun, um dieses Vertrauen wiederzugewinnen, sagte Pollack dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie könnten nur punktuell dagegen wirken.

Jeder Versuch, das eigene Image aufzubessern, werde in der Öffentlichkeit sofort als eine Form der Selbstrechtfertigung wahrgenommen, sagte Pollack.

"Da scheinen den Kirchen die Hände gebunden zu sein."

Das heiße allerdings nicht, dass die Kirchen völlig ohnmächtig seien. "Sie können Seelsorge betreiben, sie können sozial-diakonische Aufgaben erfüllen, gute Jugendarbeit und Religionsunterricht anbieten."

Damit erhöhten sich die Chancen, dass die Menschen spüren, sie können den kirchlichen Mitarbeitern vertrauen, sagte Pollack. Die Einflussmöglichkeiten sind aus seiner Sicht gleichwohl begrenzt, weil viele Menschen die kirchlichen Angebote gar nicht mehr kennen.

Nur wenige Kirchenmitglieder gehen in die Kirche

Knapp 47 Prozent der Deutschen sind Kirchenmitglieder. Aber nur ganz wenige darunter gingen in die Kirche und wüssten, was in der Kirche ablaufe. "Die allermeisten haben Vorurteile über die Kirche, die nicht korrigiert werden können, weil der Kontakt zur Kirche abgerissen ist - bei der Mehrheit der Bevölkerung und auch bei der Mehrheit der Kirchenmitglieder", sagte Pollack.

Die Kirche müsse alles tun, um die Kontaktflächen zur Gesellschaft zu erweitern. "Das dürfte kaum gelingen, wenn sie mit der christlichen Botschaft unmittelbar einsetzt", betonte er. Sie müsse zunächst nach den Problemen der Menschen fragen. Sei man erst einmal mit den Menschen in Kontakt, ließen sich dann im Dialog auch Inhalte des Evangeliums vermitteln. "Aber wenn man sehr direkt mit der christlichen Botschaft kommt, ist die Gefahr groß, dass Menschen auf Distanz gehen."

Bis Merkel galten Kirchen noch als wahlwichtig

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller wiederum beobachtet einen abnehmenden politischen Einfluss der Kirchen in Deutschland. "Bis zur Merkel-Zeit galten die Kirchen als wahlwichtig, weil sie einen großen Teil der Bevölkerung abbildeten", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Da hat man schon darauf geachtet, die Meinung der Kirche einzubeziehen." Als Beispiel nannte Schüller den Kompromiss zu Schwangerschaftsabbrüchen, an dem die Kirchen maßgeblich mitgewirkt hätten.

Die jetzige Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) habe dagegen in die Kommission zur Prüfung, ob Abtreibungen künftig auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden können, nicht einmal mehr Kirchenvertreter eingeladen, erklärte der Professor für kanonisches Recht. "Auf der Ebene der Kommunen und der Länder will man hingegen mit den verlässlichen Partnern nicht brechen." Das führe zu einer ambivalenten Situation.

Lücke von Kirche als sozialem Träger nur schwer zu füllen

Schüller plädierte für eine stärkere Trennung von Kirche und Staat sowie Diversität bei den freien Trägern der Sozialfürsorge, "um der wachsenden weltanschaulichen Pluralität in unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen". Zugleich räumte er ein, dass Lücken nur schwerlich gefüllt werden könnten, die die Kirchen als soziale Träger hinterlassen: Es gebe kaum Vereine, Weltanschauungsgemeinschaften oder private Initiativen, die finanziell zuverlässig in der Lage seien, die Verantwortung etwa für eine Kindertagesstätte oder eine Schule zu übernehmen.

"Deswegen sind die Bundesländer ja auch froh, wenn sie die Kirchen als Kooperationspartner behalten können."

Den Kirchen prophezeit Schüller, dass ihnen im Jahr 2030 noch 35 bis 40 Prozent der Deutschen angehören werden. Daher sollten sie viel stärker ökumenisch zusammenarbeiten, "etwa indem man sich ein Kirchengebäude teilt". Die Kirchen dürften auch keine Angst davor haben, Einrichtungen wie Kitas und Altenheime aufzugeben: "Der Staat wird dann auch sehen, was evangelische und katholische Kirchenmitglieder ehrenamtlich leisten, was staatliche Akteure nur mit hauptamtlichen Mitarbeitern hinkriegen, die aus Steuermitteln bezahlt werden."

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