Als Martin Benz nach einer Predigt nach Hause kam, waren seine Frau und seine Kinder plötzlich nicht mehr da. Nur ein Brief blieb von rund 20 Jahren Ehe. Seine Frau war zu einem anderen Mann gezogen.

"Jetzt stand ich da vor den Trümmern meiner Ehe", berichtet der Theologe. "Ich war also vollkommen am Boden zerstört."

Er zog sich zurück, predigte erst einmal nicht mehr. "Ich dachte, ich werde nie mehr glücklich."

FuckUp-Night: Sieben Minuten Scheitern - und wieder aufstehen

Sieben Minuten Zeit hat Benz für seine Geschichte übers Scheitern - und wie er wieder aufgestanden ist. Zusammen mit der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), dem Künstler Gofi Müller und dem Geschäftsführer der Spielvereinigung Greuther Fürth, Holger Schwiewagner, nimmt er am Freitagabend an der "FuckUp-Night" des evangelischen Kirchentags teil. Die über 400 Plätze in der Fürther Kirche St. Paul sind fast alle besetzt.

Mittlerweile sieht die Welt von Benz wieder anders aus. Er sei wieder glücklich, habe eine neue Frau in seinem Leben gefunden. Er habe lernen müssen, mit seiner neuen Identität ohne "weißer Weste" zu leben.

Nicht mit dem Finger auf andere zeigen

Bei einer "FuckUp-Night" geht es laut Moderator Daniel Schneider nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

"Es geht um Tiefe, Echtheit, auch um Unterhaltung", betont er. Vor allem gehe es ums Lernen. Das Publikum lauscht aufmerksam.

Fußball-Geschäftsführer Schwiewagner berichtet wiederum von der Verantwortung für einen Verein - die vielen Jobs die daran hängen - und von der Angst, diese durch einen Abstieg zu gefährden. Künstler Gofi Müller erzählt wie der Autismus seiner beiden Kinder den Alltag veränderte. Die Familie habe nicht mehr ins Schema gepasst. Seine früheren, größeren beruflichen Ziele habe er nicht mehr weiterverfolgen können und wollen.

Kramp-Karrenbauer berichtet über Scheitern in der Politik

Die frühere saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer berichtet vom Scheitern in der Politik. Zunächst war ihre Direktwahl für den Bundestag 1998 "grandios schiefgegangen", nachdem sie das Mandat von Klaus Töpfer übernommen hatte.

Es habe sich nach persönlicher Zurückweisung angefühlt. Ein Kollege habe ihr erklärt, dass es Schlimmeres gebe.

Ihre erste Reaktion: "Stimmt, aber mir fällt gerade nichts ein." Sie habe lange überlegt, ob sie weiter Politik machen wolle.

Zweites Scheitern als CDU-Vorsitzende

Ihr zweites Scheitern sei dann als CDU-Vorsitzende gefolgt. Erst noch als nächste Kanzlerin gehandelt, seien ihr dann eigene Fehler und die Umstände in den Weg gekommen, erläutert Kramp-Karrenbauer. Zuletzt habe sie in der Öffentlichkeit nur noch ein Zerrbild von sich dargestellt erlebt. Sie sei misstrauisch geworden. Durch ihren Rückzug vom Parteivorsitz habe sie gelernt, dass ihr Engagement nicht abhängig von öffentlicher Zustimmung sein muss.

"Bei uns in Deutschland ist mit Scheitern immer noch so ein Stigma verbunden", betont die frühere CDU-Vorsitzende. Dabei gehöre Scheitern zum Leben.

"Aus Scheitern lernt man am allermeisten", sagt sie. "Ich würde mir gerade in Deutschland wünschen, dass wir uns das ein bisschen mehr zu Herzen nehmen."

Gleichzeitig warnt sie aber vor einer romantischen Vorstellung vom Scheitern. An der Veranstaltung hätten privilegierte Menschen teilgenommen. Wenn Menschen in einer Dauerschleife des Scheiterns seien, müsse man sie begleiten.

Kirchentag 2023 in Nürnberg

Unsere Sonntagsblatt-Redaktion berichtet über den Kirchentag 2023 in Nürnberg - hier findet Ihr das Dossier.

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Magnolie am So, 16.07.2023 - 14:49 Link

Der Ausdruck `Fuck-Up`zielt unter die Gürtellinie, ich mag so eine Sprache nicht- schon gar nicht als Überschrift im Sonntagsblatt ! Wieso spricht man nicht einfach von Mißerfolg?