Wenn Eva-Maria Mauerer von ihrem neuen Alltag erzählt, klingt das nicht nach Pflichterfüllung, sondern nach Berufung. Nicht nach einem Job, sondern nach dem Erfüllen eines tiefen Wunsches. Und auch nicht nach einem geradlinigen Lebenslauf, sondern nach einem Weg, der durch viele Kurven, Zweifel und Umwege in eine Kirche geführt hat, die sich gerade selbst verändert.

Seit Palmsonntag ist sie nun offiziell im Amt: Prädikantin im hauptamtlichen Dienst in der Epiphaniasgemeinde in Laineck. Der Titel klingt sperrig, das Konzept ist es nicht – im Gegenteil: Es ist eigentlich so naheliegend im Jahr 2025. Eine theologisch geschulte Prädikantin, fest angestellt, geistlich und seelsorgerlich tätig, mittendrin im Gemeindeleben – und doch keine ordinierte Pfarrerin. In Bayern ist das bislang einmalig.

"Ich bin ich – und das reicht"

Eva-Maria Mauerer lacht oft in diesem Gespräch. Offen, herzlich, ein bisschen ungläubig, dass das, was sie gerade erlebt, wirklich wahr ist. Denn sie hat lange auf diesen Moment hingearbeitet – ohne genau zu wissen, ob es ihn je geben würde.

"Ich habe keine Vorbilder", sagt sie gleich zu Beginn. "Ich bin ich. Und ich mache das, wie es mir ins Herz gelegt ist." Diese Mischung aus Bodenständigkeit und innerer Überzeugung durchzieht ihr ganzes Wirken. Der neue Titel – "Prädikantin mit Leitungsverantwortung" – ist für sie kein Machtanspruch, sondern eine Einladung zur Nähe. "Ich habe jetzt meine Gemeinde. Ich bin präsent. Ich bin zuständig. Ich darf mitwirken. Und das macht mich glücklich."

In ihrer neuen Rolle übernimmt sie nicht nur Gottesdienste, sondern begleitet Taufen, besucht ältere Gemeindemitglieder, arbeitet eng mit dem Kindergarten zusammen und ist ganz grundsätzlich: da. Ansprechbar. Hörend. Vertrauend.

Spätberufung mit Leidenschaft

"Ich hätte es mir auch früher gewünscht", gesteht sie offen. Doch wie so oft im Leben kam es anders. Nach dem Abitur war sie erst einmal beruflich auf anderen Pfaden unterwegs – Jura Studium, Wirtschaftsstudium, eigene Kanzlei als Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie heiratete, bekam Kinder, arbeitete, zweifelte auch. Und immer wieder kam da dieses Gefühl: Da ist noch mehr. Da wartet etwas auf mich.

2005 nahm sie erstmals Kontakt zur Christuskirchen Gemeinde in Bayreuth auf, begann sich ehrenamtlich dort zu engagieren. Ab 2010 dann die Ausbildung zur Lektorin – und später zur Prädikantin – also zur Ehrenamtlichen, die Gottesdienste halten darf. "Ich hab das geliebt", sagt sie. "Aber ich wollte mehr. Ich wollte tiefer rein."

Das Ehrenamt wurde zur Leidenschaft, aus der schließlich ein Beruf wurde. Auch wenn sie selbst schmunzelnd sagt: "Warum gerade ich diese Stelle bekommen habe? Das weiß nur Gott allein."

Von der Kanzel auf Augenhöhe

Was Mauerer lebt, ist keine Theologie von oben, sondern eine Spiritualität zum Anfassen. Ihre Predigten sind klar, ihre Liturgie bodenständig, ihre Seelsorge geprägt von Offenheit und einem tiefen Interesse an den Menschen.

"Ich will kein Leitungsmensch im klassischen Sinn sein. Es geht um ein Miteinander – nicht um Hierarchie", betont sie. Und so beschreibt sie ihre Rolle auch nicht als "Chefposten", sondern als Bindeglied zwischen Gemeinde und Kirche, zwischen Alltag und Glauben, zwischen den Fragen der Menschen und der Hoffnung des Evangeliums.

Spiritualität sei für sie kein separater Bereich, sondern Teil des Ganzen: "Das eine geht nicht ohne das andere. Die Gemeinde befruchtet meine Spiritualität, und umgekehrt."

Ein Amt, das Schule machen könnte

Mit ihrer neuen Position betritt Mauerer kirchliches Neuland. Hauptamtliche Prädikant*innen sind in der Landeskirche bisher eine absolute Ausnahme. Dabei könnte gerade dieses Modell in Zeiten sinkender Pfarrzahlen, wachsender Anforderungen und pluraler Lebensentwürfe zu einem wichtigen Puzzlestück werden.

Mauerer sieht darin jedenfalls eine große Chance: "Es kommen neue Kompetenzen in die Teams. Neue Perspektiven. Neue Zugänge. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt für die Kirche der Zukunft."

Dass sie mit ihrer Biografie Brücken schlagen kann – zwischen Hauptamt und Ehrenamt, zwischen Verwaltung und Verkündigung, zwischen Berufsleben und Glaubensreise –, sieht sie als Stärke. "Ich bringe vieles mit. Und ich bin bereit zu lernen."

Was sagt die Gemeinde dazu?

Natürlich sei das für manche anfangs ungewohnt gewesen, erzählt sie. Eine Prädikantin, festangestellt, mit Aufgaben über den Gottesdienst hinaus – das muss sich erst einspielen. Aber die Reaktionen seien durchweg positiv: "Viele waren ganz offen, herzlich, neugierig. Das ist ein tolles Miteinander – schon nach wenigen Wochen."

Manche nennen sie "Frau Pfarrerin". Andere fragen nach, was genau ihr Amt bedeutet. "Ich stelle das nicht immer richtig", sagt sie pragmatisch. "Die Menschen sollen mich als das sehen, was ich bin: Eva-Maria, die da ist. Die zuhört. Die mitgeht."

Ein solcher Weg lässt sich nicht ohne Rückhalt gehen. Mauerers Familie trägt ihre Entscheidung mit – und wie. "Die kennen meinen Traum", sagt sie. "Die haben gesagt: Mama, mach das. Wir stehen hinter dir."

Dass ihre Kinder stolz sind – das spürt sie. Dass ihr Ehemann, ihre Freund:innen und Wegbegleiter:innen sie unterstützen – das trägt sie. Und dass sie diesen mutigen Schritt mit 55 Jahren gewagt hat, erfüllt sie mit Freude: "Ich bin so dankbar, dass ich das gemacht habe."

Kirche neu denken – mit Menschen wie ihr

Der Pfarrberuf verändert sich. Die Strukturen bröckeln. Ehrenamtliche tragen vielerorts das Gemeindeleben. Und mittendrin eine Frau, die weder Pfarrerin ist noch Diakonin, aber mit vollem Herzen verkündigt, seelsorgt, begleitet.

Prädikantin im hauptamtlichen Dienst – das klingt nach Paragraphen, Personalrecht und Pastoralkonzept. Doch in Laineck hat es einen anderen Klang bekommen. Einen lebendigen. Einen hoffnungsvollen. Einen menschlichen.

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JohannesH am So, 29.06.2025 - 12:38 Link

Na, das ist doch ein mutmachender Beitrag. Nachdem alle kirchlich einschlägigen Berufsbilder (Pfarrer:innen, Diakon:innen, Religionspädagog:inne und Kirchenmusiker:innen) mit Blick auf die Zukunft in Frage stehen, stellt sich nur eine Frage: Wozu noch ein Theologiestudium?
Eigentlich braucht es kein Theologiestudium, um zu einer „Spiritualität zum Anfassen“ zu kommen, oder um zu einer „klaren Predigt“ mit einer „bodenständigen Liturgie“, einer „Seelsorge, die von Offenheit und tiefen Interesse an den Menschen geprägt“ ist. Wenn man den gut gemeinten Beitrag so liest, spart Kirche (und Gesellschaft!) viel Geld! Johannes Haeffner (Ev. Hochschule Nürnberg).