Würzburg ist ab dem 10. November das Zentrum des deutschen Protestantismus – zumindest für drei Tage. So lange diskutieren und beschließen die 128 Abgeordneten der EKD-Synode in der ehemaligen Residenzstadt der katholischen Fürstbischöfe ihre Themen.

Zwar steht "Migration, Flucht und Menschenrechte" als Schwerpunkt auf der Tagesordnung, doch die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Raum der evangelischen Kirche und seine künftige Verhinderung sind das heimliche Hauptthema.

Das Ausmaß der Taten und die Zahl der Fälle erschütterten die Protestanten

Schließlich ist seit der letzten Tagung in Ulm im November 2023 einiges passiert. Dort sah sich die damalige EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus mit Vorwürfen konfrontiert, sie habe in den 1990er-Jahren einen Fall von sexuellen Übergriffen vertuscht.

Kurschus trat am 20. November zurück; seither leitet die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs den EKD-Rat kommissarisch. Und im Januar 2024 wurde die Forum-Studie zur Aufarbeitung von Missbrauch im Raum der evangelischen Kirche vorgestellt.

Das Ausmaß der Taten und die Zahl der Fälle erschütterten die Protestanten – genauso wie das Urteil des Forschungsteams, dass die Strukturen in der aufgeklärten, liberalen evangelische Kirche sexuellen Missbrauch ebenso begünstigten wie die Besonderheiten der katholischen Schwesterkirche. 

Wenn sich die EKD-Synodalen nun in Würzburg treffen, ist das die erste Möglichkeit für das Gremium, öffentlich zur Forum-Studie Stellung zu nehmen. Noch eine Demutsbekundung mehr ist zu erwarten; viel wichtiger jedoch sind die konkreten Pläne, wie Missbrauchstaten jeder Art künftig verhindert und wie Betroffene für erlittenes Unrecht angemessen entschädigt werden können. 

Mehr als 40 Punkte umfasst der Maßnahmenplan, der den Synodalen vorliegt. Auch das Disziplinarrecht für Pfarrpersonen soll geändert werden. Schon Anfang Oktober ist außerdem die Vernetzungsplattform "Bene" an den Start gegangen, auf der sich Betroffene organisieren können. 

Die Aufarbeitung schreitet zu langsam voran

Auf das geplante einheitliche System für Anerkennungsleistungen müssen sie allerdings noch warten. Obwohl auf EKD-Ebene eine Richtlinie verhandelt und gebilligt wurde, muss diese erst noch eine zusätzliche Prüfschleife durch die Landeskirchenämter absolvieren.

Das sei eine Enttäuschung, sagen Betroffenenvertreter. Schon während des letzten Jahres hatten sie immer wieder bemängelt, dass die Aufarbeitung zu langsam voranschreite.

Gar keine Frage: Neben den vielen anderen Themen wie Mitgliederschwund, Struktur- und Klimafragen oder Personal- und Geldknappheit bleibt die Aufarbeitung von Missbrauch auch in den nächsten Jahren eine Mammutaufgabe für die Evangelische Kirche in Deutschland.

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