Diese beiden Pfarrer erreichen ihre Gemeinde in Sekunden. Ein Bild, ein Video, ein Klick - und schon fliegen ihnen die Herzen und Likes zu. Sandra Schindler und Nicolai Opifanti sind Social-Media-Pfarrer. Seit kurzem haben die beiden eine Projektstelle für den "Pfarrdienst in Digitalen Räumen". Auf Instagram, Twitter oder TikTok sollen sie die Digitalisierung in der württembergischen Landeskirche vorantreiben.

"Das Tolle an der digitalen Kirche ist, dass es keine parochialen Grenzen gibt", erzählt Sarah Schindler beim Barcamp Kirche Süd (#bckirche der @ekiba, @ekwue, und @elkb), das am Freitagabend im Netz gestartet wurde und von den Landeskirchen aus Bayern, Baden und Württemberg organisiert wird. Den knapp zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich an diesem Abend digital versammelt haben, will Schindler erzählen, wie der Wechsel vom traditionellen Pfarrerbild zur digitalen Kommunikation gelingen kann.

"Kirche im digitalen Raum geschieht nicht viel anders als im analogen Raum",

sagt Schindler, "es gibt Beziehungen und Begegnungen, und wir können Kirche zusammen leben und gestalten". Auf ihrem Instagram-Account @sarahs_glanzundgloria präsentiert sich die 33-jährige Schindler aus Stuttgart mit tagebuchartigen Einträgen. Neben Landschaften oder Blumenbilder postet sie vor allem Selfies mit ihrem 34-jährigen Kollegen Nicolai Opifanti, der sich auf Instagram unter dem Namen @pfarrerausplastik einen Namen gemacht hat.

Digitale Arbeit in der evangelischen Kirche

Die Projektstelle gehört zu einer ganzen Reihe von Initiativen, mit denen die evangelischen Kirchen bundesweit die digitale Arbeit verstärken. Das Yeet-Netzwerk fördert und unterstützt christliche Creator*innen und Sinnfluencer*innen, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat einen Digital-Innovationsfonds aufgesetzt, und auch landesweit geht einiges voran. Erst kürzlich haben die Landeskirchen von Bayern, Baden und Württemberg ein Modellprojekt mit "digitalen Mustergemeinden" gestartet.

Pfarrer Opifanti und Pfarrerin Schindler haben ihre Zusammenarbeit mit Beginn der Corona-Pandemie begonnen. Mit kurzen "Insta-Godis" wollten sie ihre Gemeindemitglieder erreichen. Eine Videoandacht mit Gebeten zum Mitlesen, Musik, Gebeten und interaktive Fragen zeichneten das Format aus. "Wir haben die Community beispielsweise gefragt, was sie beten möchten oder welche Fürbitte sie haben - und waren erstaunt, wie viele Reaktionen kamen", erzählt Schindler, die auf ihrem Account rund 1.500 Abonnenten versammelt.

Pfarrer Opifanti ist der Pfarrer aus Plastik

Pfarrer Opifanti zeigt auf seinem Instagram-Account inzwischen eine große Bandbreite an digitalen Verkündigungsformaten - von der Meditation über das stille Gebet bis hin zum Online-Segen. Unter dem Begriff "Bonez-Gebet" spricht er über Wut, mentale Gesundheit oder das Montagstief und endet mit einem kurzen Gebet. Das poppige, bunte und laute Format findet großen Anklang und wird zuweilen mehr als 10.000 mal aufgerufen. Sein Account hat inzwischen knapp 9.000 Follower - Tendenz steigend.

Die Community wächst stetig, was sicherlich auch daran liegt, dass die beiden Pfarrer selbst zur Zielgruppe der 25- bis 40-jährigen gehören, die sich auf Instagram bewegen. Die Selfiekultur und Selbstbespiegelung gehört zum selbstverständlichen Repertoire der beiden und sorgt für hohe Resonanz innerhalb der Community.

 

Sarah Schindler und Nicolai Opifanti
Sarah Schindler und Nicolai Opifanti

 

Social-Media-Pfarrer auf Instagram

"Wir hätten nie im Leben mit so einer großen Reichweite gerechnet", erklärt Schindler.

"Wir sehen an unseren Accounts, dass die Menschen interessiert sind und durchaus ansprechbar für religiöse Themen".

Nun gehe es darum, mit den Menschen weiter in Beziehung zu treten und die Erfahrungen mit den sozialen Medien auszubauen.

Immer wieder erproben die beiden Pfarrer neue Formate. In einem ihrer kurzen Instagram-Videos setzen sich Sarah und Nicolai in ein Riesenrad und sprechen darüber, was Menschen tun können, wenn ihnen die Probleme über den Kopf wachsen. Sie erzählen eine Geschichte aus der Bibel - und geben auch konkrete Tipps, wie es gelingen kann, aus einem "Problemkarussel" herauszukommen.

Seelsorge und Verkündigung sind die Themen, mit denen sich die beiden Pfarrer beschäftigen wollen, aber auch Bildung oder Fragen rund um das Ehrenamt. "Wir werden sicher einen gemeinsamen Account starten für inhaltliche Formate", verrät Sarah, "aber wie genau das aussieht, ist noch offen".

Social-Media-Pfarrer: Community mit einbinden bei neuen Formaten

"Uns ist es super wichtig, unsere Community bei der Entwicklung künftiger Formate mit einzubeziehen" schreiben die beiden in einem Posting und fragen, was sich die Userinnen und User wünschen: Videos aus dem Leben eines Pfarrers? Erklärvideos zu Taufe oder Beerdigung? Oder Fun-Reels? Digitale Gemeindemitglieder antworten rege und wünschen sich digitale Andachten, Erklärvideos zu Bibelversen oder aber konkrete Informationen. Darauf zu reagieren, sei Teil des Jobs, sagt Schindler.

"Wir haben eine große Freiheit, unsere Stelle weiter zu entwickeln", betont Schindler. Die zwei halben Stellen für die Social-Media-Arbeit sind wichtig, denn die beiden wissen aus eigener Erfahrung, wie viel Aufwand damit verbunden ist: "Wir rechnen mit zwei Tagen pro Woche für die Kommunikation auf den Social-Media-Kanälen und mit einem weiteren halben Tag für die Community-Arbeit", sagt Schindler.

Dass die digitale Arbeit auch im analogen Früchte tragen kann, ist für die beiden längst bewiesen. Wenn Pfarrerin Schindler einen Gottesdienst in der Zuffenhausener Pauluskirche hält, sieht sie gelegentlich neue Gesichter: "Das sind Leute, die mich auf Instagram kennengelernt haben und gerne mal in echt erleben wollen", sagt Schindler.

Beim Barcamp Kirche Süd will Schindler weitere Anregungen für ihre Arbeit sammeln. In den kleinen Arbeitsgruppen diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bis Samstag ihre Ideen und Projekte. Vielleicht entsteht dort auch ein neues Format für die Social-Media-Pfarrerin.