Frau Hektor, als Pfarrerin ist Herr Reimers auch Ihr Personalchef. Herr Reimers, Sie sind auch in Ihrer Führungsfunktion immer noch Pfarrer, die Vorsitzende des Pfarrer- und Pfarrerinenvereins ist Frau Hektor. Fühlen Sie sich von dem jeweils anderen gut vertreten?

Reimers: Der Pfarrerverein ist für mich ein ganz wichtiger Partner, um Themen und Inhalte weiter entwickeln zu können. Bei Personalangelegenheiten können wir auch hinter verschlossenen Türen miteinander sprechen, um in konkreten Fällen Menschen zu helfen. Klar ist natürlich auch, dass ein Personalchef und der Pfarrerverein als Interessensvertretung unterschiedliche Rollen und Perspektiven haben.

Hektor: Das stimmt. Aber zur Zeit tue ich mich schwer zu sagen, dass ich mich als Pfarrerin bei  meinem Personalchef gut aufgehoben fühle. Das hat jedoch überhaupt nichts mit persönlichen Befindlichkeiten zu tun, sondern mir den Planungen der Kirchenleitung, Gehalt und Versorgung zu kürzen.

Was sind denn da für Sie die konkreten Knackpunkte?

Hektor: Dieser Prozess wurde 2014 angestoßen, weil damals die Einnahmen aus der Kirchensteuer für wenige Monate geringer ausfielen als erwartet. Die Ursache war die Einführung der Kapitalertragskirchensteuer, die von der Kirchenleitung  ganz schlecht  kommuniziert worden war, was zu einer erhöhten Zahl an Austritten geführt hat. Den Ärger hatten die KollegInnen vor Ort. Und an denen soll nun gespart werden. Außerdem ist das Verfahren schwierig. In dem dafür gebildeten Ausschuss haben die verschiedenen Berufsgruppen, die es betrifft,  keinen Sitz, Informationen kamen nur einmal, waren vorläufig – und vertraulich. Von der versprochenen Transparenz und Beteiligung war also wenig zu merken.  Ich sehe die Änderung der Versorgung rechtlich als Einstieg in eine Kirche, die nicht mehr verlässlich ist für die Menschen, die in ihr arbeiten.

Reimers: Widerspruch! Dieses Ziel haben unsere Überlegungen gerade nicht. Ich stehe auch persönlich für einen klaren Besoldungs- und Versorgungsrahmen für die Pfarrer und die anderen betroffenen Berufsgruppen, wie beispielsweise die Diakone oder Religionspädagogen. Auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Pfarrer einen äußerst fordernden Beruf haben mit einer hohen Finanz-, Personal- und Gestaltungsverantwortung. Sie verdienen und brauchen eine angemessene Besoldung, um ihren Beruf ausüben zu können, ohne sich permanent Sorgen ums Geld machen zu müssen. Deshalb gehen wir aus dem  öffentlich-rechtlichen Besoldungssystem nicht raus, die Rahmenbedingungen bleiben. Wir drehen nur an einigen Stellschrauben, um die finanzielle Zukunftsfähigkeit der Kirche zu gewährleisten. Denn im Gegensatz zum Staat können wir nicht ohne weiteres mit Zuwächsen ins System rechnen, wie etwa durch mehr Steuerzahler oder höhere Steuern. Dazu kommen noch der demographische Faktor und die Austrittszahlen, die bislang leider auf einem relativ hohen Niveau geblieben sind.

An welchen Stellschrauben wollen Sie denn drehen?

Reimers: Die Lebensarbeitszeit soll zum Beispiel schrittweise und langfristig auf 68 Jahre angehoben werden. Die "Jahressonderzahlungen", also das Weihnachtsgeld, sollen in der Besoldungsgruppe ab A 12 von 65 % auf 50 % zurückgehen, gestreckt über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Für die darunter liegenden Besoldungsgruppen im aktiven Dienst bleibt übrigens alles beim Alten. Nachdenken sollten wir langfristig über die Frage gesetzliche oder private Krankenkasse, in den Versorgungsfonds für die Kirchenbeamten und Pfarrer sollen zusätzlich 112 Millionen Euro eingestellt werden. Diese und andere Vorschläge bringt das Papier des Ausschusses Versorgung, der mit vier Vertretern des Landeskirchenrats und vier Vertretern der Landessynode besetzt ist. Entscheiden muss über das Paket dann natürlich die Landessynode, die ja auch die Auftraggeberin für diesen Prozess ist.

Die bayerische Landeskirche hat die Versorgungsleistungen für ihre Pfarrer und Kirchenbeamten, wie etwa die Pensionen, auf den Prüfstand gestellt. Warum das nötig war und wie es weitergeht, erklärt der Personalchef der ELKB im Video-Interview. Außerdem geht der Oberkirchenrat darauf ein, was die Kirche tun muss, um mehr junge Leute für sich zu begeistern.

Frau Hektor, die diese Vorschläge begeistern Sie wohl nicht sehr?

Hektor: Von dem Gedanken der Sicherheit für die kirchlichen Berufsgruppen finde ich in dem Papier jedenfalls nichts. Im Gegenteil. Es ist ausdrücklich von Weiterarbeit an weiteren Stellschrauben bis hin zur Abschaffung des bisherigen  Systems die Rede. Damit entsteht der Eindruck, dass wir künftig immer mehr Aufgaben und Arbeit bekommen, dafür aber weniger Gehalt. Unser Beruf ist anspruchsvoll, auch für Familien, und einige strukturelle Nachteile gehören zwingend dazu. Und das ist ok. Aber es ist kein Privileg, in der Arbeit zu wohnen, so dass jederzeit jemand klingeln kann, wenn es gut geht eine 6 Tage Woche zu haben, ein antiquiertes Disziplinarrecht usw. Die 48 Stunden Wochenarbeitszeit funktioniert in kaum einer Dienstordnung – weil deutlich mehr Arbeit auf den Stellen liegt.

Es gibt aber doch auch viele Kirchensteuerzahler, die auch viel arbeiten, weitaus geringere Gehälter beziehen und statt Beamtenpensionen oft nur eine sehr überschaubare Rente bekommen. Wo bleibt da die von Kirche und Theologie so oft beschworene Gerechtigkeit?

Hektor: Ohne Zweifel gibt es in unserer Gesellschaft Menschen, denen es wesentlich schlechter geht als den Pfarrerinnen und Pfarrern. Es geht hier jedoch um den angemessenen Vergleich. Pfarrer haben ein sehr langes Studium und eine anspruchsvolle Ausbildung hinter sich und haben im Pfarrdienst eine große Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen. Deshalb ist es doch nur recht und billig, wenn sie vom Gehalt in etwa den Gymnasiallehren gleichgestellt sind und es  bleiben – auch bei der Altersversorgung. Im übrigen haben viele Angestellte zusätzlich Betriebsrenten und Wohneigentum. Das haben wir beides nicht.

Geht es gerade bei dem Pfarrberuf über materielle Regelungen hinaus nicht in erster Linie um eine Haltung?

Reimers: In der Tat geht es bei allen Reformprozessen, die zurzeit in der Kirche laufen, um eine Haltung. Bei dem großen Reformkonzept "Profil und Konzentration", mit dem wir die Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen wieder ganz neu erreichen wollen, leitet uns die Frage nach unserem Auftrag für konkrete Menschen in ihren konkreten Situationen. Auch die größere Kooperation der kirchlichen Berufsgruppen, die wir anstreben, hat mit einer Änderung der Haltung zu tun: Wir brauchen einen neuen Blick für Profile und Gaben der Mitarbeitenden und für die Bedarfe und Anforderungen am konkreten Orte. Nötig ist eine qualifizierte Durchlässigkeit zwischen den Berufen. So sollte es beispielsweise möglich sein, dass nicht nur ein Pfarrer, sondern auch ein Diakon die Pfarramtsführung innehat, wenn er die erforderlichen Fähigkeiten in Verwaltung und Leitung hat.

Hektor: Das wäre mir vor allem in der Leitungsfrage zu generell. Denn ein Ergebnis des Pfarrbildprozesses ist, dass die Kirchenvorstände, die Mitarbeitenden aus dem Landeskirchenamt  und andere kirchliche Berufsgruppen von den Pfarrern Leitung und Gesamtverantwortung für die Gemeinde erwarten.

Die bayerische Landeskirche hat die Versorgungsleistungen für Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Kirchenbeamte, wie zum Beispiel Pensionen, auf den Prüfstand gestellt. Die erste Vorsitzende des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins der ELKB, Corinna Hektor, ist strikt gegen jegliche Kürzungen. Warum, erklärt sie im Interview. Zudem geht sie darauf ein, wie der Pfarrberuf wieder attraktiver werden kann.

Neben diesen eher langfristigen Vorhaben und Perspektiven steht jetzt als ganz konkretes Projekt die neue Landesstellenplanung an, mit der die Pfarrerstellen möglichst gerecht in Bayern verteilt werden. Was ist da zu erwarten?

Reimers: Jedenfalls wird die Landesstellenplanung anders ablaufen als die früheren. Denn sie ist verknüpft mit dem Konzept "Profil und Konzentration", es geht also um Inhalte und auch da um eine Änderung der Haltung: Die Kirche und ihre Angebote werden jeweils in einem Raum gesehen und die mittlere Ebene, also die Dekanate, sollen entscheiden, welche Ressourcen, sprich Personalstellen, sie wo für welche Aufgaben einsetzen. Denn sie kennen ihr Umfeld, ihren Raum und seine spezifischen Anforderungen am besten. Außerdem wird es möglich sein, dass sich Grenzen zwischen Dekanaten und Gemeinden ändern, wenn neue Zuschnitte sinnvoller sind. Die Landesstellenplanung setzt also den Rahmen, den die mittlere Ebene mit inhaltlichen Entscheidungen füllen kann. Die Festsetzung der Kontingente richtet sich nach der einfachen Formel, wie viele Gemeindemitglieder in Bezug auf die Fläche kommen, in der sie leben.

Hektor: Diese Formel sehe ich mit deutlicher Skepsis, sie hat nämlich einen zweiten Teil, der größere Einheiten bevorzugt. Und wie gerade bei der katholischen Kirche deutlich wird, sind die entstandenen großen Gemeindeverbünde nicht unproblematisch, weil durch die schiere Größe die seelsorgerliche Betreuung der Menschen schwieriger wird. Aus den Erprobungsdekanaten werden jedenfalls Befürchtungen laut, die Landesstellenplanung ist eben doch in erster Linie ein Sparprogramm.

Reimers: Das wäre ein großes Missverständnis, genau das Gegenteil ist richtig. Die Landesstellenplanung soll den Dekanaten die Möglichkeit geben, die Personalressourcen an inhaltlichen Vorgaben auszurichten. Richtig ist aber auch, dass im Rahmen der Landesstellenplanung die Pfarrstellen um zehn  Prozent reduziert werden, weil in diesem Umfang auch die Zahl der Gemeindemitglieder abgenommen hat. Inhaltliche Ziele und äußere Rahmenbedingungen müssen einfach miteinander verknüpft werden.

Die Voraussetzung für jede Landesstellenplanung ist aber, dass es überhaupt genügend Pfarrer und Pfarrerinnen gibt, die verteilt werden können. Wie sieht es mit dem theologischen Nachwuchs aus?

Reimers: In der Tat ist die Frage, wie wir Nachwuchs gewinnen können, ein ganz großes Thema. Denn ab Mitte der 20-er Jahre wird die Situation durch eine Pensionierungswelle bei den Pfarrern deutlich angespannter. Wir müssen also gezielt dafür werben, dass junge Menschen diesen Berufsweg einschlagen.

Mit welchen Argumenten wollen Sie das tun?

Reimers: Wir müssen deutlich machen, welche tollen Arbeitsmöglichkeiten es für Pfarrer in den unterschiedlichen Regionen gibt. Dazu müssen wir zum Beispiel die ganz unterschiedlichen Regionen unserer Landeskirche noch besser "leuchten" lassen und in ihrer Lebens- und Arbeitsqualität hervor heben. Der Pfarrberuf muss in seiner konkreten Ausgestaltung familienfreundlicher werden und wir müssen durch unsere Kontakte vor Ort mithelfen, dass die Partner von Pfarrerinnen oder Pfarrern auch eine Arbeitsstelle finden können. Wir dürfen allerdings auch nicht die Großwetterlage aus den Augen verlieren: Die Relevanz der Kirche in Gesellschaft und Öffentlichkeit geht zurück. Wir sind als Kirche geradezu in einer paradoxen Situation, weil wir zwar momentan eine gute Ausstattung haben, aber zunehmend in Frage stehen, weil alte Selbstverständlichkeiten wegbrechen. Als angehende Pfarrer sollten wir deshalb genau die jungen Menschen gewinnen, die diese Parodoxie als Herausforderung sehen und neue Antworten suchen.

Hektor: Am besten wirbt man nicht mit Broschüren, sondern mit Menschen. Junge Leute lassen sich für den Pfarrberuf begeistern, wenn ein Pfarrer, eine Pfarrerin sie direkt anspricht, ihnen etwas zutraut und vorlebt, dass der Beruf erfüllt. Das setzt voraus, dass man Zeit hat, nicht frustriert oder überarbeitet ist und glaubwürdig werben kann für einen eigentlich wunderbaren Beruf. Hervorheben sollten wir, welche enorme Vielfalt und welche Gestaltungsmöglichkeiten dieser Beruf hat. Dazu gehören aber auch Stellen, auf denen das wirklich möglich ist und eine Kirche, die sich als verlässliche Dienstgeberin erweist.