Der Personalchef der bayerischen evangelischen Landeskirche, Stefan Reimers, ist im Juli seit einem Jahr im Amt. Während dieser Zeit hat das Thema Missbrauch die katholische Welt weiter erschüttert. Doch auch in der evangelischen Kirche gibt es dunkle Seiten. Reimers will sie nach eigenen Angaben intensiv angehen. Er ist Dienstvorgesetzter des Personals der Landeskirche, darunter die rund 2.400 evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern.

Herr Reimers, warum ist die evangelische Kirche so spät in die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs eingestiegen?

Reimers: Die Situation ist nicht verschlafen worden, aber durch die Diskussionen in der katholischen Kirche ist auch bei uns das Thema hochgekommen. Natürlich sind auch wir mit Fällen konfrontiert und vor allem herausgefordert von den Menschen, die davon betroffen sind und Opfer wurden. Damit müssen wir angemessen umgehen.

Wie sieht diese Aufarbeitung im Einzelnen aus?

Reimers: Grundsätzlich gilt, dass jeder einzelne Mensch, der von einem anderen missbraucht wurde, einer zuviel ist. Wir arbeiten derzeit an einem Präventionsgesetz, lassen konkrete Fälle aufarbeiten und versuchen herauszufinden, wo wir möglicherweise in der Vergangenheit Dinge nicht so behandelt haben, wie sie hätten behandelt werden müssen. Das ist im Moment ein intensiver Prozess, der nicht nur in der bayerischen Landeskirche läuft, sondern auch in allen anderen Landeskirchen.

Wir sind auch im ökumenischen Austausch mit der katholischen Kirche, weil wir voneinander lernen wollen. Aber ich gebe persönlich zu, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen es mich traurig macht, dass das Vertrauen von Menschen in der Kirche so beschädigt wurde und wird. Ich will alles dafür tun, dass das nicht mehr passiert. Wir versuchen daher, intensiv mit den Opfern in Kontakt zu sein. Der Landesbischof und auch ich führen viele Gespräche dazu.

Handelt es sich ausschließlich um Altfälle, die verjährt sind, oder sind diese Fälle noch staatsanwaltlich relevant?

Reimers: Wir sind derzeit in einer überschaubaren Zahl von Fällen intensiv engagiert. Das heißt, auf mich kommen Menschen zu, die vor mehreren Jahrzehnten eine Erfahrung gemacht haben, so dass staatsanwaltlich keine Relevanz mehr besteht und die Dinge häufig verjährt sind. Dennoch sind die Menschen mehr oder weniger ein Leben lang damit beschäftigt.

Ich bin dankbar, wenn sie auf mich zukommen und wir in einen Austausch kommen. Wir als Kirche können daraus nur lernen. Es gibt uns die Chance, nichts zu verschweigen, nichts zu verdecken, sondern in die Öffentlichkeit damit zu gehen und für uns als Kirche etwas zu ändern. Es ist gut, dass das Thema oben aufliegt, aber es ist ein schmerzhafter Prozess im Blick auf jeden einzelnen Menschen und unsere eigenen Ansprüche an uns.