Es rauscht und plätschert im Innern dieser kleinen Grotte. Vogelgezwitscher mischt sich unter eine Frauenstimme, die etwas vorliest. Ursprung der Geräusche scheint eine verschnörkelte alte Wasserpumpe zu sein. Tatsächlich kommen sie jedoch aus vier Lautsprechern, die aus verschiedenen Richtungen auf sie ausgerichtet sind. Die Klänge sind Teil einer Installation der brasilianischen Künstlerin Laura Belém – errichtet inmitten des grünen Parks der evangelischen Tagungsstätte Wildbad in Rothenburg ob der Tauber.
"Art Residency Wildbad": einzigartiges kirchliches Kunstprojekt
Seit fünf Jahren lädt das Wildbad Künstlerinnen und Künstler zu Arbeitsaufenthalten in das Tagungshaus im Taubertal ein. Gegen Kost und Logis sollen sie ein "ortsspezifisches Kunstwerk" auf dem weitläufigen Gelände schaffen. Selbst bewerben können sich die Kunstschaffenden für das im kirchlichen Bereich einzigartige Projekt "Art Residency Wildbad" nicht. Eine Fachjury schlägt 2017 jedes Jahr neue Kunstschaffende und Gruppen vor, von denen ein Auserwählter oder eine
Auserwählte mehrere Monate im hauseigenen Atelier und entlang des malerischen Tauber-Ufers kreativ werden darf. Für 2021 fiel die Wahl auf den Bamberger Künstler Benjamin Zuber.
"Kunst und Kultur drängen sich hier einfach auf, weil der Ort so speziell ist"
... schwärmt der Wirtschaftsleiter der Tagungsstätte, Stephan Michels, der auch verantwortlich für das Kunststipendium ist. "Die Künstler setzen sich zunächst mit dem Wildbad, den Mitarbeitern und der Stadt auseinander und lassen den Ort auf sich wirken." Die einzige Vorgabe im Schöpfungsprozess lautet dann: Am Ende muss etwas Kreatives entstehen, das auch nach ihrem Aufenthalt im Park bleibt.
"In zehn Jahren wird hier ein Skulpturenpark stehen, den es nirgendwo anders gibt und der originär für diesen Ort geschaffen wurde"
... sagt Michels stolz. Das Projekt, das auf zehn Jahre ausgelegt ist, lässt sich die Tagungsstätte einiges kosten: Für die Finanzierung des "Art Residency Wildbad" stellt sie jährlich ein Budget von 30.000 Euro zur Verfügung. Hinzu kommen Gelder aus dem Kunstfonds der bayerischen Landeskirche sowie von Sponsoren.
Wie Kunst und Kirche zusammenpassen
Schon jetzt locken die bestehenden Werke Kunstliebende aller Art an: Hotelgäste, die durch die Grünanlage spazieren und spontan fasziniert sind von den Arrangements; Menschen, die gezielt an Führungen teilnehmen, um mehr über die Kunstwerke zu erfahren; Gottesdienstbesucher, die sich besonders für Kunst interessieren. Das Projekt hat nach Ansicht von Michels einen weiteren Vorteil: "Ich sehe hier auch ganz viele Möglichkeiten, den Menschen den kirchlichen Auftrag und die Schöpfung näherzubringen." Auch wenn die Stipendiaten nicht alle gläubig seien, würden sie mit ihren Werken essenzielle Fragen des Lebens aufwerfen.
Gutes Beispiel sei das österreichische Künstlerkollektiv "Breathe Earth Collective", das 2020 im Wildbad verweilen durfte. Ausgangspunkt der Arbeit der Gruppe, deren Mitglieder im Bereich Design, Architektur und Kunst tätig sind, waren "Luft und Klima als Materie, Nahrungsmittel und Quelle des Lebens". Als Ergebnis präsentierte die Gruppe aus vier Männern und einer Frau einen Schriftzug mitten im Wald: "Blick in den Atem der Welt" ist dort nun in leuchtenden Großbuchstaben zu lesen.
Urlaubermagazin "Grüß Gott" 2021: Jetzt zum Download!
Mit dem Fahrrad auf den Spuren Martin Luthers, experimentelle Kunst im Park der Evangelischen Tagungsstätte Wildbad und wandern auf dem Mühlenweg im Frankenwald: Das kostenlose Urlaubermagazin "Grüß Gott" 2021 der bayerischen Landeskirche ist erschienen und steht ab sofort hier zum Download bereit.