Er ist ein mysteriöser Mensch. Ein Mann ohne Namen, ohne Geschichte, die Serie nennt ihn nur "The Client". Aber er ist es, der das "Star-Wars"-Spin-Off "The Mandalorian" (2019) ins Rollen bringt. Der Filmemacher Werner Herzog, der am 5. September 80 Jahre alt wird, spielt diese rätselhafte Figur, die nur kurze Auftritte hat, gravitätisch und sehr einprägsam. Und mit diesem seltsamen Werner-Herzog-Englisch, das immer ziemlich obsessiv wirkt.

Menschen in Ausnahmesituationen

Unter den deutschstämmigen Filmemachern, die in den USA arbeiten, ist Herzog der vielseitigste. Er dreht Dokumentar- und Spielfilme, er leiht seine Stimme auch mal den "Simpsons", und seine Auftritte in Filmen (etwa als Bösewicht in "Jack Reacher", 2012) sind kultig. Aber "The Client" könnte auch eine Figur aus dem filmischen Universum von Werner Herzog sein, ihn haben schon immer die nicht klar definierbaren Typen interessiert und Menschen in Ausnahmesituationen.

Im Umfeld des eher verkopften Autorenfilms der 60er- bis 80er-Jahre war Herzog der Bild-Visionär. In seinem Epos "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972) folgt er dem Konquistador Lope de Aguirre durch den Urwald Perus auf seiner Expedition, die mit Wahnsinn und Tod endet. Zu Beginn kämpft sich ein Tross von Soldaten, eingeborenen Sklaven, Frauen in Sänften und Geistlichen zu der sphärischen Musik der Band Popol Vuh durch die Berge einer nebligen, unwirtlichen Landschaft - diese Eröffnungssequenz gehört zu den ganz großen Momenten der deutschen Filmgeschichte der letzten Jahrzehnte.

Immer an Grenzerfahrungen interessiert

Herzog haben immer Grenzerfahrungen interessiert. Schon sein erster Langfilm "Lebenszeichen" (1968), in dem eine Handvoll deutscher Soldaten ein Munitionsdepot auf der griechischen Insel Kos verteidigen soll, war kein "normaler" Kriegsfilm. Er war eine existenzialistische Studie, in der die Hauptfigur, ein genesender Soldat, nach und nach verrückt wird.

Und nach solchen Verrückten hat Herzog in den sechs Jahrzehnten seines Schaffens auch immer gesucht. Nach Menschen, die mit ihrem Leben gegen eine im Grunde verrückte Welt anstehen - sei es der als großes Kind in die Welt geworfene Kaspar Hauser in "Jeder für sich und Gott gegen alle" (1974) oder der von Nicolas Cage verkörperte Polizist in seinem Remake "Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen" (2009), der in einem Sumpf aus Drogen und Verbrechen watet.

Fünf Filme mit Kinski

Die Hauptrolle in "Aguirre" spielte ein anderer Kino-Verrückter, Klaus Kinski. Fünf Filme hat Herzog mit dem exzentrischen Schauspieler gedreht. Neben dem Konquistadoren-Epos waren das "Nosferatu" (1979), "Woyzeck" (1979), "Fitzcarraldo" (1982) und "Cobra Verde" (1987) - in einer legendären Schauspieler/Regisseur-Relation, die selbst so etwas wie eine sadomasochistische Grenzerfahrung war. Herzog selbst hat sie 1999 in dem Film "Mein liebster Feind" dokumentiert.

Der schönste Film dieser Zusammenarbeit ist sicherlich "Fitzcarraldo", in dem ein Exzentriker ein Opernhaus im Dschungel bauen möchte. Herzog ließ für diesen Film ein echtes Boot im echten Dschungel über einen echten Berg ziehen - was damals allerdings zu Protesten von Ureinwohnern führte. 

In den vergangenen Jahrzehnten hat Herzog, der mittlerweile in Los Angeles lebt, mehr Dokumentar- als Spielfilme realisiert: über den Bärenforscher Timothy Treadwell, der selbst von einem Bären getötet wurde ("Grizzly Man", 2005), oder fünf Todeskandidaten in texanischen Gefängnissen ("Death Row", 2012). Und man findet auch in seinen Dokumentarfilmen den gewissen Herzog-Touch, die Suche nach der Magie und der Mystik der Orte und Menschen.

Wenig Glück mit Spielfilmen

Man spürt diese Handschrift etwa in der Doku "Die Höhle der vergessenen Träume" aus dem Jahr 2011, einer seiner schönsten Arbeiten. Da filmte Herzog mit einer kleinen 3D-Kamera die Zeichnungen, die Menschen in der Höhle von Chauvet in Südfrankreich vor 35.000 Jahren gemacht haben. Mehr als 400 Zeichnungen sind erhalten, und besonders haben es Herzog die Tierbilder angetan, die wie in Bewegung festgehalten sind. "Urkino", sagt er selbst im Film. Aber Herzog interessieren in diesem Film nicht nur die ältesten erhaltenen Zeichnungen der Menschheit. Ihn faszinieren, wie es der Titel andeutet, die Träume und Gefühle, die in diesen Bildern stecken, die tiefere Wahrheit, die sie zeigen.

Mit seinen Spielfilmen hatte Herzog in den vergangenen Jahren wenig Glück. "Königin der Wüste" (2015) mit Nicole Kidman und "Salt And Fire" (2016) mit Veronica Ferres wurden von der Kritik ziemlich zerrissen und floppten an den Kinokassen. Es dürfte ihn deshalb gefreut haben, dass seit dem 24. August eine Ausstellung im Berliner Filmmuseum den Konstanten in dem mehr als 70 Filme umfassenden Werk dieses fast mythischen Künstlers nachspürt.