"Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein." Diese bei Lukas überlieferte Verheißung Jesu an den reuigen Schächer ist eine der wenigen Stellen im Neuen Testament, die explizit vom Paradies sprechen.

Überwiegend weltliche Paradiese der Künstlergruppen Brücke und Blauer Reiter zeigt das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt noch bis zum 22. April: "Back to Paradise. Meisterwerke des Expressionismus", rund 150 Exponate – Gemälde, Aquarelle, Druckgrafiken und die von den Expressionisten besonders geschätzten Holzschnitte aus dem Osthaus Museum Hagen, dem Kunsthaus Aargau und einer Privatsammlung. Sie dokumentieren die Aufbruchsstimmung und explosive Farbigkeit der avantgardistischen Kunst in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Ausstellung zeigt Paradies für Nolde, Pechstein & Co.

Das Paradies als Gegenort zur Zivilisation fanden Brücke-Künstler wie der in Aschaffenburg geborene Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), Max Pechstein (1881-1955) und Emil Nolde (1867-1956) an ganz verschiedenen Orten. Harmonie suchten sie in der Natur als Vorbild für die Menschheit, in der Darstellung von Badenden, Fischern und Bergbauern und im Tierreich.

Für Nolde beispielsweise bot die Südsee eine Perspektive als Rückzugsort. Dort hoffte der Maler das "Urwesenhafte" zu finden. Bei seiner Reise nach Neuguinea 1913/1914 hielt Nolde die Urbevölkerung in zahlreichen Aquarellen fest – für den Künstler verkörperten seine Modelle die enge Verbindung zwischen ursprünglich lebenden Menschen und der Natur. Ein von fern an das Paradies des Alten Testaments, den "Baumgarten" erinnerndes Glanzstück der Ausstellung: die 1908 entstandene "Frau im Blumengarten", eine Symphonie von Grün, Rot und Orange, Gelb, Lila und Weiß.

Ausstellung zeigt Anti-Paradies

Ebenfalls zu den Beständen des Osthaus Museums Hagen gehören die Holzschnitte "Eva greift nach dem Apfel" und "Sündenfall" Walther Böttichers aus dem Jahr 1911. Der 1885 in Hagen geborene, 1916 an der Somme gefallene und weitgehend vergessene Künstler beschäftigte sich in den sechs Holzschnitten einer Mappe mit der Paradiesthematik. Biblische Themen griff der Künstler auch in der Folgezeit auf. So entstand 1913 der kolorierte Holzschnitt "Kain erschlägt Abel". Böttichers Werk ist von verschiedenen Strömungen beeinflusst: Der Sohn eines Gymnasiallehrers hatte nach Studien an der Kunstschule Weimar und im "Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst" in München Unterricht bei Christian Rohlfs genommen. Mit seinem Lehrer teilte er ein Atelier bei Weimar, übersiedelte 1910 nach Berlin. Den Einfluss Noldes zeigt das farbintensive und expressive Gemälde "Hohe Stämme im Unterholz".

Mit "religiösen" Paradiesvorstellungen beschäftigte sich zur selben Zeit Franz Marc (1880-1916), ein Mitglied des Blauen Reiter: Der wegen seiner Tiermotive bekannt gewordene Künstler plante eine Bibelillustration, für die er auf die Holzschnitte frühneuzeitlicher Bibelausgaben und deren archaisch anmutende Bildersprache zurückgriff. In der Ausstellung zu besichtigen sind die 1914 entstandenen Holzschnitte "Schöpfungsgeschichte" I und II aus der Sammlung des Osthaus Museums Hagen. Der vom liberalen Kulturprotestantismus geprägte Marc setzte sich in seiner Jugend intensiv mit dem Christentum auseinander und plante, Geistlicher zu werden.

Die Schweinfurter Ausstellung zeigt auch "Anti-Paradiese". So präsentieren die zehn Lithografien aus der 1922 von Max Beckmann geschaffenen Mappe "Berliner Reise" die Schattenseiten des Lebens in der Großstadt. Die Titel sprechen für sich: "Der Bettler", "Kaschemme", "Die Enttäuschten" I und II und "Nackttanz". Idyllen und die Perspektive auf Erlösung sucht der Betrachter hier vergebens. Deswegen wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, hinter das Ausstellungsmotto "Back to Paradise" ein Fragezeichen zu setzen.

Infos zur Ausstellung

Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr und donnerstags bis 21 Uhr. Eintrittspreise: Erwachsene 11 Euro, ermäßigt 9 Euro. Zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag ein Katalog erschienen. Mehr Infos hier.