Mit stolzen 40 Jahren ist das "Gostner Hoftheater" im Nürnberger Stadtteil Gostenhof die älteste Kleinkunstbühne der Stadt. Am 14. September werden vier Theaterdekaden voller glorreicher Momente und Mitsprache am gesellschaftspolitischen Geschehen gefeiert. Von Anfang an dabei ist Gisela Hoffmann - künstlerische Leiterin, Geschäftsführerin und "Frau für alle Fälle". Vor kurzem wurde die in Hersbruck geborene Theatermacherin mit der Bürgermedaille der Stadt geehrt. Aber zum Jahresende macht sie Schluss.

Sie waren Kultur-Idealisten - die bunte Truppe von Lehrern, Kunsthistorikern, Theaterwissenschaftlern und Studenten, die Ende der 1970er-Jahre das Haus in der Austraße in dem Nürnberger Stadtteil kauften, der damals als "Glasscherbenviertel" verrufen war und heute als hippes Epizentrum der Nürnberger Stadtgesellschaft gilt. "Hätten viele von uns nicht bereits feste Jobs und damit Sicherheiten gehabt, hätten uns die Banken den Umbau zu einem Kulturzentrum nicht finanziert", erinnert sich Gisela Hoffmann.

"Gostner Hoftheater" mit eigenen Theaterstücken seit 1985

In einer ehemaligen Spielzeugfabrik entstand zuerst ein Werkstatttheater mit 80 Sitzplätzen, das von der aus New York herüber schwappenden Off-Theaterszene mit provokanten und experimentellen Stücken beeinflusst war. Ab 1985 wurde dem Team der reine Gastspielbetrieb zu langweilig. Es entstanden erste Eigenproduktionen, die um Themen kreisten, die aktuelle politische Verhältnisse widerspiegelten.

"Mir war immer wichtig, dass Theater zur Diskussion anregen soll. Gesellschaft funktioniert nur, wenn man sich über seine Fragen austauscht. Hierzu kann Theater einen Beitrag leisten", erklärt Hoffmann. Gerne auch mit einem Schuss Ironie. Wie beispielsweise 2014/15 bei Ingrid Lausunds  "Jeder rettet einen Afrikaner", einem Stück über die Irrwege der Political Correctness, den Wunsch nach einer besseren Welt und die Tücken unserer Wohltätigkeitsgesellschaft.

Dazu kamen Engagements von Regisseuren, die klassische Stücke wie Goethes "Egmont" modern interpretierten und die Bilderstürmer, die im Original vor 400 Jahren in Brüssel gegen die spanischen Besatzer kämpften heute ihre Debatten um Recht und Freiheit am EU-Hauptsitz austrugen. "Wir haben lange gebraucht, um unser Profil zu schärfen. Und es ist ein ewiger, nach allen Seiten offener Prozess", beschreibt Hoffmann ihren Weg.

Kleinkunstbühne mit rund 25.000 Gästen pro Jahr

Heute besuchen rund 25.000 Gäste pro Jahr die Veranstaltungen des Gostner Hoftheaters, es gibt sogar Abos wie in den großen Häusern. Die hatten damals, als 1979 das erste Mal der Vorhang im Gostner Hoftheater aufging, noch eher klassisches Theater im Programm. Heute werden auch im Staatstheater Nürnberg zeitgenössische Stoffe dargebracht - eine Herausforderung für kleine Häuser wie das Gostner, eigene Akzente zu setzen. Auch im digitalen Zeitalter wolle man eine Rolle spielen und die Menschen online erreichen. "Jedoch ist die Nähe, das Live-Erlebnis unserer Bühne gleichsam auch unsere Stärke", sagt Hoffmann.

Dazu komme eine zwanglose Atmosphäre im Theater und eine offene Art der Begegnung mit den Theatermachern. Riefen früher öfter Leute an, die sich mit der Frage "Is das lustig?" nach dem platten Unterhaltungswert eines Stückes erkundigen wollen, wissen die Stammgäste heute, dass die Lachmuskeln auch im Gostner Hoftheater gekitzelt werden können, dabei aber immer auch ausreichend Futter für das Gehirn vorhanden ist.

Für den Bekanntheitsgrad sorgte im Lauf der Jahre nicht nur das Bespielen anderer Bühnen wie beispielsweise der eigenen Theaterkneipe "Loft", dem Hubertussaal oder auch mal der Dreeinigkeitskirche, sondern die Kooperationen mit Schulen, der Gostner Jugendclub oder die Aktion "Kulturrucksack für Hauptschulen", bei der gezielt fünften und sechsten Hauptschulklassen bei Workshops professionelle, künstlerische Erfahrungen samt praktischer Einblicke in die vielen Sparten der Kunstwelt vermittelt werden.

Gisela Hoffmann: Aufbauhelferin und Regisseurin

Auch das Internationale Jugendtheater-Festival licht.blicke geht auf Gisela Hoffmanns Initiative zurück. Außerdem die vielen Ausstellungen oder Konzerte, die begleitend zu den etwa 300 Veranstaltungen des Theaterteams pro Jahr stattfinden und Brücken zwischen den Künsten und Künstlern schlagen sollen. Hoffmann selbst arbeitete neben ihrem Engagement von der Aufbauhelferin bis zur Regisseurin im Gostner Hoftheater lange Jahre auch als Englisch-Lehrerin.

Den Job hängte sie endgültig erst 2005 an den Nagel. Damals hatte Sohn Manuel beschlossen, nach dem Abitur doch nicht zu studieren und eine Ausbildung zu beginnen. "Wir mussten ihn also nicht zwingend länger finanzieren und konnten uns voll auf das Theater konzentrieren", erklärt Hoffmann ihren Schritt raus aus dem sicheren Hafen der Festanstellung, den Ehemann Gerhard Kohler-Hoffmann mitging, der bis heute als technischer Leiter fungiert.

Die neu gewonnene Freiheit hatte sie damals gleich in Mehrarbeit im Theater gesteckt. Dazu gehörten auch die aktive Förderung von Kinder- und Schultheater oder Aktionen wie FEMOA (Freier Eintritt für Menschen ohne Arbeit) sowie unterstützende Initiativen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Wenn für die Beiden nun zum Jahresende der Vorhang fällt, dann will Gisela Hoffmann noch keine Pläne für die "Zeit danach" schmieden. Die Wohnung liegt zwar in unmittelbarer Nähe zum Theater. Aber erst einmal stehen ausgedehnte Reisen auf dem Programm. Und danach? Dem Verein bleiben die Kultur-Idealisten jedenfalls noch erhalten.

Veranstaltungstipp

Zur Geburtstagsfeier am 14. September um 19.30 Uhr im Nürnberger Hubertussaal werden unter anderem die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner sowie Künstler wie Christa Naaß, Christine Mertens, Rebecca Kirchmann, Helwig Arenz, Budde Thiem, das Hildegard Pohl Trio, das Norbert Nagel Quartett und Fabian Scheuerlein & Band erwartet. Außerdem werden Ausschnitte aus dem Geburtstagsstück "Die 40ty ever young Gostner Show" gezeigt. Mehr Infos unter www.gostner.de.