Heinrich Schütz wurde in einem Gasthof geboren. In einem anderen Gasthof wurde er entdeckt. Nach seinem Tod geriet er zu Unrecht für 200 Jahre in Vergessenheit. Seit Ende des 19. Jahrhunderts, als unter anderem Franz Liszt und Johannes Brahms auf ihn aufmerksam wurden, entdeckt man ihn und seine Kunst mehr und mehr wieder.

Schon seine Zeitgenossen feierten ihn nicht ohne Grund als "hervorragendsten Musiker seines Jahrhunderts" (wie man ihm auf den Grabstein schrieb). Oder als parens nostrae musicae modernae, wobei die beliebte Übertragung dieses lateinischen Ehrentitels als "Vater der deutschen Musik" eigentlich eine nationalistisch gefärbte Irreführung ist: Gemeint war die in der frühen Barockzeit neue "moderne", italienisch beeinflusste Musik nördlich der Alpen. Seine kompositorische Virtuosität im Umgang mit den unterschiedlichsten musikalischen Formen und Elementen, mit Sprache und Stimmen begeistert Musikliebhaber bis heute.

Kein geborener Weltstar, kein Kind armer Leute

Zum "Weltstar" zu werden war ihm nicht unbedingt in die Wiege gelegt, doch ein Kind armer Leute war der Wirtssohn nicht: Der von der Singstimme des zwölfjährigen Heinrich bezauberte Landgraf Moritz von Hessen musste lange bei den Eltern des Knaben darum werben, ihm ihren Sohn für seine Hofkapelle und zur Ausbildung anzuvertrauen.

Die Familie Schütz war irgendwann aus Franken zugewandert: Ein Vorfahr lebte 100 Jahre zuvor noch in Nürnberg. Heinrichs Großvater Albrecht war 1545 der erste "Oberwirth" in Köstritz, aus dem später ein "Goldener Kranich" wurde. Hier wurde Heinrich Schütz (nach dem alten Kalender) am 8. Oktober 1585 geboren. Als er am 6. November 1672 in Dresden starb, hatte er fast ein ganzes Jahrhundert durchlebt – oft auch durchlitten.

Die Blütezeit seines Erwachsenenlebens war vom Dreißigjährigen Krieg geprägt. Als dieser 1648 zu Ende ging, war die Zahl der Menschen in Deutschland um ein Drittel geringer als zu seinem Beginn. Die drei Jahrzehnte des Mordens und Metzelns gelten zwar meist als "Religionskrieg" zwischen Protestanten und Katholiken, aber das ist eine Verkürzung komplexer Geschehnisse. Der lutherische Protestant Heinrich Schütz – mit seinen Sympathien für die reformierten Calvinisten und ohne Berührungsängste mit der katholischen Seite – stand mittendrin.

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In Italien gelernt, in Dänemark gearbeitet

Nicht überall waren die Verwüstungen und Verheerungen dieses Kriegs gleich. Aber Schütz’ mitteldeutsche Heimaten waren – vor allem in den teilweise völlig entvölkerten ländlichen Regionen – besonders schlimm betroffen. In dieser Zeit, in der Zerstörung und Tod allgegenwärtig waren, lebte Heinrich Schütz ein außergewöhnlich langes Leben und kam dabei durch ganz Europa: Er hatte in Italien gelernt und in Dänemark gearbeitet, sein Netzwerk an Freundschaften mit Kollegen und Gelehrten reichte weit.

Die Köstritzer Kirche St. Leonhard sieht heute völlig anders aus als zu der Zeit, als man den kleinen Heinrich am Tag nach seiner Geburt in ihr taufte. Herren über das heutige Bad Köstritz in Thüringen war das Adelshaus Reuß. Kaiser Heinrich VI., Sohn des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa, hatte dessen Vorfahren zu advocati, Verwaltern, eines großen Gebiets im Herzen Deutschlands gemacht. Das historische Vogtland, das von Asch in Böhmen über Hof und Selb in Oberfranken, den heutigen Vogtlandkreis mit der Hauptstadt Plauen bis nach Greiz und Gera reichte, hat seinen Namen von ihnen. Kaiser Heinrich zu Ehren hießen die Vögte und später alle Reußen mit Vornamen stets Heinrich. Kein Zufall also, dass Heinrich so hieß wie sein Landesherr. Mit Heinrich II. Posthumus Reuß (1572-1635), einem kunstsinnigen, gebildeten und ebenso tatkräftigen wie toleranten Fürsten, blieb Heinrich Schütz bis zu dessen Tod so gut befreundet, wie das zwischen einem adeligen Herren und seinem Untertan möglich ist.

"Zum goldenen Ring"

1590 zog die vielköpfige Familie ins 30 Kilometer nördlich gelegene Weißenfels. Der Vater hatte dort das Gasthaus "Zum goldenen Ring" in der Nähe der Saalebrücke gekauft. Heute steht hier ein Stadthaus, über dessen Portal ein Relief mit "güldenem Ringleyn" an die Geschichte erinnert. Fünf "Hotels" gab es schon damals in der Stadt, die an der Via Regia liegt, der "Königlichen Straße", die über die Reichs- und Messestädte Frankfurt und Leipzig nach Dresden und weiter in den Osten führte. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war sie die wichtigste Ost-West-Verbindung durch Mitteldeutschland.

Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (1572-1632) und seine Familie gehörten zur wohlhabenden Stammkundschaft. Die Beziehungen zwischen Hessen und Sachsen waren eng. Man reiste häufiger hin und her, um sich zu besuchen. Mehrfach stiegen die hohen Herrschaften im Gasthaus der Familie Schütz ab.

Wie Heinrich Schütz sein musikalisches Talent entdeckte

Die Geschichte, wie Heinrich – er selbst schrieb seinen Vornamen stets "Henrich" – und sein musikalisches Talent entdeckt wurden, klingt märchenhaft: Als Gast im "güldenen Ring" hörte Landgraf Moritz den kleinen Heinrich singen. Moritz war elektrisiert und bot den Eltern an, den Knaben in seine Hofkapelle aufzunehmen – verbunden mit einem Stipendium für das "Mauritianum", seinem Kasseler Gymnasium, um Heinrich dort eine umfassende Bildung nach den höchsten Standards der Zeit zu verschaffen.

Es muss Moritz sehr ernst gewesen sein, sonst hätte er nicht beharrlich nachgehakt, bis die sich zierenden Eltern zustimmten. 1599 beginnt Heinrichs Ausbildung in Kassel. Sein musikalischer Lehrer ist Georg Otto. Der Kasseler Kapellmeister stammt aus Sachsen. Doch eine musikalische Karriere ist da noch keineswegs beschlossene Sache.

Jurastudium in Marburg

Wäre es den Eltern die liebere, weil solidere Berufswahl gewesen? Jedenfalls studierte Heinrich an der Universität Marburg Jura. Aus dem deutschen "Henrich Schütz" wird der humanistisch-latinisierte "Henricus Sagittarius". Er macht seinen Abschluss. Doch schon ein Jahr später bricht er 1609 – auf Drängen seines Fürsten und gegen den Willen der Eltern – zu der großen Reise auf, die sein Leben für immer verändern wird: Landgraf Moritz stattet ihn mit einem Stipendium von jährlich 200 Talern aus und schickt ihn nach Venedig, um bei Giovanni Gabrieli (1554/7-1612), dem berühmten Organisten am Markusdom, zu studieren. Moritz war ein großer Fan der italienischen Musik und ihrer neuen, unerhörten Klänge. Sein Stipendium war großzügig: Ein Maurergeselle verdiente damals etwa vier Groschen am Tag. Für einen Taler musste er eine ganze Woche arbeiten. Musikstudent Schütz hatte das Vierfache zur Verfügung.

In Kassel hütete man einige Drucke von Gabrieli-Kompositionen. Schütz konnte ihnen entnehmen, wie meisterhaft der Italiener, der selbst am Münchner Hof bei Orlando di Lasso studiert hatte, mit mehreren Chören an verschiedenen Orten des Kirchenraums experimentierte, um einen faszinierenden Rundum-Klang zu erzeugen.

Schütz’ erstes eigenes Werk, "Il primo libro de Madrigali" (SWV 1-19), entstand 1611 in Venedig. Schütz widmete es seinem Entdecker, Förderer und Fürsten. 1612 kehrte er zurück nach Kassel und dürfte sich Hoffnungen gemacht haben, bald die Hofkapellmeisterstelle zu übernehmen. Heinrich – voller Tatendrang und Ideen – scharrte mit den Hufen. Moritz verlängerte sein Stipendium, machte ihn zum Privatsekretär und offiziellen "Prinzenerzieher". Aber auch die Ernennung zum "Zweiten Hoforganisten" hinter Georg Otto konnte nicht kaschieren, dass in Kassel für Schütz vorerst wenig mehr drin war als der Wartestand.

Sächsischer Kurfürst erkennt Schütz' Talent sofort

Vielleicht hat Landgraf Moritz es im Rückblick als Fehler eingeordnet, dass er den talentierten jungen Mann 1613 mit auf eine seiner Reisen an den Dresdner Hof mitnahm. Kurfürst Johann Georg I. erkannte jedenfalls sofort, welches Juwel der hessische Verwandte da mitgebracht hatte.

Ende August 1614 kam ein Brief aus Dresden in Kassel an: Der Kurfürst bat dringend, ihm den Heinrich Schütz auszuleihen – es sei die Taufe seines zweiten Sohns August musikalisch zu gestalten.

Aus dem einen Projekt wurden mehrere, und schließlich, im Dezember 1616, ließ der sächsische Kurfürst die Katze aus dem Sack: Er wolle Schütz nun ganz und dauerhaft in Dresden behalten. Die Beziehungen zwischen den Fürstenhäusern waren eigentlich gut und eng, doch über Heinrich Schütz kam es zum Streit. Landgraf Moritz stellte ernsthaft Überlegungen an, ob er gegen die deutlich mächtigere Verwandtschaft in Dresden zu Felde ziehen sollte, als Kurfürst Johann Georg den hoffnungsvollen Musiker und Komponisten nicht mehr zurück nach Kassel ließ.

Schütz wird Hofkapellmeister

Die Sachsen saßen am längeren Hebel, und im Februar 1617 war der Streit entschieden: Heinrich Schütz wurde (bei verdoppeltem Salär) kurfürstlich-sächsischer Hofkapellmeister. Schütz leitete sofort ein Fülle an Reformen ein, schaffte neue Noten an, stellte mehr Musiker ein. Zudem nahm er eine umfangreiche Lehrtätigkeit auf, die ihm von vielen seiner Komponistenschülern und Kapellknaben viel Lob eintrug.

Eine enorm fruchtbare Periode begann 1619. Er begann seine "Psalmen Davids sampt etlichen Moteten vnd Concerten", deutsche Psalmvertonungen, die mehrchörig und auf bisher ungehörte Weise Sprachkraft mit dem neuen italienischen Generalbass-Stil verbanden. Man holte ihn – zusammen mit Praetorius und Samuel Scheidt (1587-1654) – als Orgelgutachter nach Bayreuth, was er auch zu einem Verwandtschaftsbesuch nutzte. Zuvor heiratete er noch: Am 1. Juni 1619 wurde die 15 Jahre jüngere Magdalena Wildeck seine Frau. Sie war 18 und Tochter eines für "Land- und Tranksteuer" zuständigen Dresdner Hofbeamten. Kurfürst Johann Georg billigte die Ehe ausdrücklich und hat sie wohl auch begünstigt, um seinen Musiker noch enger an Dresden zu binden.

Den beiden sind nur sechs gemeinsame Jahre beschieden, dann wird Magdalena mit nur 24 Jahren an den Blattern sterben.

Der Dreißigjährige Krieg wirft seine Schatten voraus

Auch der große, lange Krieg wirft seit dem Prager Fenstersturz seine Schatten voraus. Als sächsischer Hofmusiker ist Heinrich Schütz mitten im Geschehen: Lange steht das lutherische Sachsen treu an der Seite des Kaisers und der katholischen Habsburger.

Noch sieht alles gar nicht so schlimm aus: War die Rebellion des protestantischen "Winterkönigs" Friedrich V. von der Pfalz vielleicht doch nur eine tragische Episode? Die schlesischen Fürsten hatten sich auf seine Seite geschlagen, sich nach dessen katastrophaler Niederlage aber – bei Zusage von Religionsfreiheit – dem Kaiser unterworfen. Nun ging es darum, die alte Ordnung auch formal wiederherzustellen: durch eine öffentliche und pompöse "Huldigung". Und der katholische Kaiser in Wien beauftragte den lutherischen sächsischen Kurfürsten, diese als sein Stellvertreter entgegenzunehmen.

Es herrschte also noch Hoffnung auf Frieden im Land und zwischen den Konfessionen, als Heinrich Schütz, Musiker der Hofkapelle und mehr als 800 andere vom sächsischen Hof im Oktober 1621 zu den Huldigungsfeiern nach Breslau reisten. Schütz hatte eigens große Festmusiken für den Staatsakt geschrieben: das Syncharma Musicium (SWV 49) und vermutlich auch das Konzert Teutoniam dudum belli atra pericla molestant (SWV 338).

Kein Frieden, kein privates Glück

Doch die Friedenshoffnungen wurden ebenso enttäuscht wie die auf privates Glück. Wie sehr Heinrich Schütz der Tod seiner jungen Frau Magdalena traf, spiegelt das bewegende Vorwort zum 1628 veröffentlichten "Becker-Psalter", einer Sammlung von Psalm-Übersetzungen des Theologen Cornelius Becker, den Schütz teilweise vertonte, um den Schicksalsschlag zu verarbeiten, "als eine Trösterin meiner Trawrigkeit".

Heinrich Schütz hat danach nicht wieder geheiratet. Zwei Töchter hatten die beiden: Anna Justina (*1621) und Euphrosyne (*1623). Die kleinen Mädchen werden, weil der Vater viel unterwegs ist, von Verwandten versorgt und erzogen. Spätestens seit 1627 wohnte Heinrich Schütz in seinem eigenen Haus am Neumarkt in Dresden – in Bestlage. Aber erst 1639 wurde er Bürger der Stadt. Anna Justina starb knapp 17-jährig im Sommer 1638 in Dresden. Auch ihre jüngere Schwester überlebte ihren Vater nicht: Sie starb 1655 mit 31 im Kindbett.

Zurück nach Italien

Schütz zog es 1628 wieder nach Italien: Es war eine Möglichkeit, dem Krieg zu entfliehen, aber vor allem wollte Heinrich Schütz künstlerisch auftanken in Italien. Was hatte sich getan? Welche neuen Entwicklungen gab es?

Seit 1613 war kein Geringerer als der Neutöner Claudio Monteverdi (1567-1643) Kapellmeister an San Marco in Venedig. Und wie für viele andere Musiker in Nordeuropa schlug auch für Heinrich Schütz das Herz der Künste (und vor allem der Musik) selbstverständlich in Italien.

Auch das Thema Oper lag damals schon länger in der Luft – natürlich ebenfalls von Italien her. Dort, am Hof von Florenz, hatte der Komponist Jacopo Peri (1561-1633), Spitzname "der Zottelkopf" (Il Zazzerino), schon 1598 ein Musiktheaterstück mit dem Titel "La Dafne" zur Aufführung gebracht, das für manche als "erste Oper überhaupt" gilt. Von der Musik sind aber nur Fragmente erhalten, das Libretto schuf Ottavio Rinuccini. Heinrich Schütz’ Dichter-Kollege Martin Opitz sollte 1627 für die Hochzeit einer Kurfürstentochter auf Schloss Hartenfels bei Torgau dieses Libretto ins Deutsche übertragen, Schütz neue Musik dazu schreiben. Bis heute behaupten, manche das Werk sei die erste deutsche Oper der Geschichte gewesen.

Was auch immer auf Schloss Hartenfels am 13. April aufgeführt wurde: Das Stück um Apollon, den schlechten Schützen Eros, Liebe, Lust und eine in Lorbeer (gr. "Dafne") verwandelte Schönheit passte zu einer Hochzeit. Böse Zungen sagen, als das Stück gespielt wurde, habe trotzdem keiner mehr zugeschaut, weil alle schon betrunken waren. Doch erhalten ist nur Opitz' Neufassung des Librettos, nicht aber, was Schütz komponierte – wie überhaupt praktisch nichts von seiner weltlichen Musik überliefert ist. Und auch von seinen geistlichen Werken sind viele verloren.

Rückkehr nach Deutschland

Nach Schütz’ Rückkehr 1629 tobte der Krieg in Deutschland erst so richtig. Die Schaukelpolitik Sachsens zwischen den konfessionellen Lagern trug ab 1631 erheblich zur völligen Verheerung des Landes bei – abwechselnd durch kaiserliche und schwedische Truppen. Schütz wich dem Krieg aus, so gut es ging: 1633 wurde er Königlich Dänischer Kapellmeister in Kopenhagen. Wallenstein war tot und die blutige Schlacht bei Nördlingen geschlagen, da richtete Schütz im Herbst 1634 musikalisch die Hochzeit des dänischen Kronprinzen Christian (1603-1647) mit Magdalena Sibylla (1617-1669) aus, einer weiteren Tochter von Kurfürst Johann Georg I. 1636 komponierte er die "Musikalischen Exequien (SWV 279-281) zur Beerdigung seines Freundes und "Geburtsfürsten" Heinrich Posthumus Reuß – ein weiteres Meisterwerk. Schütz lebt und arbeitet in seiner Heimatstadt Weißenfels, in Hannover, Braunschweig, Hildesheim und Wolfenbüttel, ist 1643 noch einmal Königlich Dänischer Kapellmeister in Kopenhagen.

"Die sieben Worte Jesu am Kreuz" (SWV 478) vertont er 1645 – und bittet erstmals den Kurfürsten um Reduzierung seiner Amtsverpflichtungen. Sechs Jahre später bekräftigt er dies und bittet Johann Georg, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Er kauft in Weißenfels ein Haus in der Nikolaistraße, das ihm seit 1657 als ständiger Wohnsitz dient. Erst der Tod des Kurfürsten in diesem Jahr befreit ihn von seinen Pflichten: Der neue Kurfürst Johann Georg II. ernennt ihn zum "älteren Kapellmeister", entbindet Schütz aber vom regelmäßigen Dienst. Nur zur Vervollständigung des noch unvollendeten "Becker-Psalters" verpflichtete er ihn.

Drei große Passionsmusiken

Schütz organisiert die Hofmusik am Hof von Zeitz neu und schafft von 1664 bis 1666 drei große Passionsmusiken, die Lukas-Passion (SWV 480), eine Johannes-Passion (SWV 481a) und die Matthäus-Passion (SWV 479). Er ist inzwischen über 80, sein Leben neigt sich dem Ende zu.

Es passt zum bewegten, reichen, langen und frommen Leben dieses großen Musikers, der in der Spanne seiner Zeit von so viel Sterben und Tod umgeben war, dass er sich intensiv und bewusst auf seinen eigenen Tod vorbereitete. Ganz bewusst hat Heinrich Schütz 1671 ein großes letztes Werk geschaffen – seinen "Schwanengesang", der erst im 20. Jahrhundert teilweise wiedergefunden wurde. Es war auch kein Zufall, dass darin sein Lieblingspsalm im Zentrum stand: "Herr, deine Gebote sind mein Lied geworden im Haus, in dem ich Fremdling bin", lautete mit Psalm 119, 4 seine Lebensbilanz. Das ließ ihn getrost, dankbar und hoffnungsvoll hinübergehen. Wie Maria konnte Heinrich Schütz in seinem "Deutschen Magnificat" am Ende sagen: "Denn er hat große Dinge an mir getan."

Tod mit 87 in Dresden

Am 6. November 1672 hauchte er mit 87 Jahren in Dresden sein Leben aus. Sein prächtiges Grabmal fiel dem Neubau der Frauenkirche zum Opfer, aber das ist eine andere Geschichte. Im Boden der wiedererstandenen Dresdner Frauenkirche erinnert heute ein Messingband an Heinrich Schütz – diesen "Vater der deutschen Musik".

350 Jahre nach seinem Tod kann Heinrich Schütz es in Sachen Prominenz nicht mit Bach oder Beethoven aufnehmen. Wer sich aber auf Heinrich Schütz einlässt mit offenen Ohren und offenem Herzen, auf den wartet ein "Kontinent voller Überraschungen". Und es kann gut passieren, dass einen die Musik des Heinrich Schütz und seine Zeit dann nicht mehr so schnell loslassen.

Denn bevor Europa im Irrsinn des Nationalismus versank, lebte in der Welt der Künste und der Musik und des christlichen Glaubens schon längst eine europäische Identität – auch wenn man das noch nicht so nannte. Heinrich Schütz machte aus seiner tiefen protestantischen Frömmigkeit heraus "deutsche Musik" – und doch ist er genau für diese europäische Perspektive der allerbeste Zeuge.