Nicht erst seit der Feuersbrunst in der Pariser Kathedrale Notre-Dame steht Brandschutz bei den großen bayerischen Kirchen auf der Tagesordnung. Die evangelischen Kirchen St. Lorenz und St. Sebald in der Nürnberger Innenstadt beispielsweise setzten seit zwei Jahren ein neues Brandschutzkonzept um, sagte Lorenzpfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd). Beide mittelalterlichen Gebäude seien jedoch verwinkelt, zum Teil aus Holz gebaut, eine Brandschottung unmöglich: "Da kriegt man kein Optimum hin", berichtete die Pfarrerin.
Die Touristenattraktion von St. Lorenz ist der 500 Jahre alte, kunsthistorisch bedeutsame "Engelsgruß" von Veit Stoß - im Falle eines Brandes wie in Notre-Dame wäre er vermutlich nicht zu retten. "Aber es ist ja auch keine Alternative, all die wertvollen Altäre und Kunstwerke, die unsere Kirchen ausmachen, irgendwo in feuersichere Depots zu bringen", sagte Voigt-Grabenstein. Ihr Kollege Martin Brons von St. Sebald ergänzt: "Wir können uns nur um einen bestmöglichen Personen- und Gebäudeschutz bemühen - eine absolute Sicherheit gibt es bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht." Wichtig sei, dass es Rettungs- und Brandschutzpläne gebe, an denen sich Einsatzkräfte orientieren könnten.
Das größte Sorgenkind sind die Kirchentürme
So wie beispielsweise bei der Münchner Liebfrauenkirche. Wie für jedes größere Objekt habe die Feuerwehr auch für den Dom einen Einsatzplan, der regelmäßig geübt werde, sagte Oberbrandmeister Tobias Reuther dem epd. Das größte Problem im Brandfall wären die Türme: "Sie sind 98 und 99 Meter hoch - die Drehleiter kommt aber nur auf 32 Meter, und für die Hubrettungsbühne ist bei 52 Metern Schluss", erklärte Reuther, der zum Team der Münchner Hauptfeuerwache gehört.
Glücklicherweise seien die Türme der spätgotischen Kathedrale aber baulich und brandschutztechnisch komplett vom restlichen Kirchenschiff getrennt. "Zudem sind sie mit einer Sprühwasserlöschanlage ausgestattet, die im Notfall das Feuer eindämmen und uns mehr Zeit verschaffen würde", sagte der Fachmann. Das Kirchenschiff selbst sei beim jüngsten Umbau mit einem Rauchansaugsystem ausgestattet, das frühzeitig Alarm gebe.
Evakuieren während Gottesdienst schwierig
Der Regensburger Dom St. Peter, eine der bedeutendsten gotischen Kathedralen Bayerns, ist ebenfalls durch eine Brandmeldeanlage gesichert, die im vergangenen Jahr "auf absolut neuesten Stand" gebracht wurde, wie Karl Stock, Leiter des staatlichen Bauamts, auf epd-Anfrage mitteilte. Zum Brandschutzkonzept gehörten auch Entfluchtungspläne. Sollte während eines Gottesdienstes Feuer ausbrechen, müssten bis zu 2.500 Menschen evakuiert werden - so viele finden in der Kirche Platz.
Der fast 750 Jahre alte Regensburger Dom ist berühmt für seine mittelalterlichen Glasfenster und den prunkvollen silbernen Hochalter. Und er ist - wie viele andere Kathedralen - eine Dauerbaustelle. "Das verpflichtet zu besonderer Vorsicht", sagte Stock. Denn bei Arbeiten mit technischen Geräten müsste die Brandmeldeanlage jedes Mal abgeschaltet werden. Die Brandwache übernähmen dann Menschen. Das staatliche Bauamt setze beim Dom in erster Linie auf den "vorbeugenden Brandschutz". Das sei auch der Grund, weshalb - anders als im Kölner Dom - keine Branddecken zum Schutz der Kunstschätze vorhanden seien.
Pikant bei Kirchen mitten in der Altstadt
Das Brandschutzkonzept der evangelischen Annakirche in Augsburg wurde nach Angaben des Dekanats im Jahr 2011 überarbeitet. Damals wurde die aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche, die unter anderem ein Luther-Porträt von Lukas Cranach d.Ä. beherbergt, komplett saniert. "Um potenzielle Brandquellen zu beseitigen, wurden mit den Sanierungsarbeiten alte Elektroleitungen ausgetauscht und die Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht", teilte das Dekanat mit. Pikant ist die Lage der evangelischen Hauptkirche Augsburgs: Sie befindet sich inmitten der Altstadt und grenzt direkt an andere, teils historische Gebäude an. Bei einem Brand gehe stets "Personenschutz vor Objektschutz", betonte das Dekanat.
Im Würzburger Kiliansdom, der am Ende des Zweiten Weltkrieges fast komplett zerstört wurde, könnte ein Brand wie in Paris nur schwer passieren: Der Dachstuhl ist inzwischen aus Stahl und nicht mehr aus Holz. In den großen Ansbacher Innenstadtkirchen St. Johannis und St. Gumbertus finden regelmäßig Begehungen mit Feuerwehr und Rettungskräften statt, sagte Dekan Hans Stiegler. So würden die Fahrtwege für die Löschfahrzeuge überprüft sowie Abseilübungen aus den Kirchtürmen geübt. In der Johanniskirche gebe es auch eine Steigleitung mit Wasser bis in den Turm.
"Wasser ist für Kirchen Gift"
Das ist auch in St. Lorenz in Nürnberg so, aber nicht immer eine Lösung. Denn: "Wasser ist für die Kirchen auch Gift. St. Martha ist damals auch wegen der Last des Löschwassers eingestürzt - man weiß nie, wie sich das Löschen auf die Statik auswirkt", erklärte Lorenzpfarrerin Voigt-Grabenstein. Die gotische Nürnberger Kirche St. Martha wurde vor fünf Jahren aus bis heute ungeklärten Gründen während ihrer Sanierung von einem Feuer zerstört. Martha-Kirche-Pfarrer Dieter Krabbe rät den Parisern aus seiner Erfahrung, "in der Krise eine Chance zu sehen". Man könne die Katastrophe als Wink verstehen, sich auch als Gemeinde Notre-Dame neu zu positionieren und sich auch eventuell spirituell diakonisch neu aufzustellen.
Welche Folgen ein Großfeuer haben kann, zeigt sich auch am Regensburger Dom St. Peter: Er fußt in Teilen auf einem alten Gotteshaus, das 1273 bei einem Brand zerstört wurde.