Die deutsch-schwedische Konzertpianistin Ann-Helena Schlüter ist eine Erscheinung: Nicht nur wegen der langen, blonden Haare, die ihr bei den zahlreichen YouTube-Videos manchmal über die Schultern wehen. Sondern auch wegen des Esprits und der andächtigen Ernsthaftigkeit, die die in Nürnberg geborene Musikerin versprüht, wenn sie an den Orgeln der Republik Kirchenchoräle oder eigene Kompositionen spielt.

Oft lockt sie damit Publikum an, das schon lange keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt hat. Bei ihren Auftritten organisiert sie oft Video- und Tonaufnahmen - so kann man schon wenige Tage später im Internet sehen und hören, wo Schlüter alte Dorf- oder riesige Barockorgeln zum Klingen gebracht hat.

Konzertpianistin Ann-Helena Schlüter

Das Klavierspiel begann Ann-Helena Schlüter im Alter von drei Jahren bei ihren Eltern, die beide Pianisten waren. Später studierte sie in Australien, den USA, Österreich, Schweiz und der Heimat Deutschland.

Nach dem Meisterklassendiplom im Fach Klavier an der Hochschule für Musik in Würzburg entdeckte sie die Orgel für sich und setzte ab 2017 ein Studium an der "Königin der Instrumente" obendrauf. Dazu kam noch der Magister in Musikwissenschaft und weitere Mastertitel sowie Konzertexamen.

Die Künstlerin setzt auf Vielseitigkeit.

"Normalerweise ist man entweder als Konzertmusikerin unterwegs oder kümmert sich um die reine, ernste Lehre der Musik. Ich wollte schon immer beides verbinden", sagt sie.

Sowohl das Klavier als auch die Orgel benötige sie für ihren Ausdruck als Interpretin wie als Komponistin. Dazu komme ihr tiefer Glaube und eine Spiritualität, die ihr vor allem im Kirchenraum dazu helfe, "ästhetischen Ausdruck in eine andere Dimension" herzustellen.

Breite Kreativität

Ann-Helena Schlüter begeistert sich auch für andere Musen. Sie malt, schreibt Gedichte und sogar Romane. Das Cover ihrer neuen CD "Holy Spirit - Komm, heil'ger Geist" hat sie mit einem Acryl-Kunstwerk aus eigener Werkstatt verziert. Mit Cartoonist Martin Perscheid hat sie Bücher veröffentlicht, in denen sie das Künstlerinnen-Dasein aufs Korn nimmt. Bald erscheint ein eigener Lyrik-Band.

"Es geht um Musik, Liebe und Gott", beschreibt sie den immerwährenden Dreiklang ihres Lebens. Neue Ideen bringt sie in Spielpausen ihrer Konzerte sofort aufs Papier. Der Kasseler Furore-Verlag, auf Kunst von Frauen spezialisiert, verlegt bald Noten ihrer Werke.

Gegenwind

Ann-Helena Schlüter legt einen schöpferischen Antrieb vor, den ihr so schnell wohl niemand nachmacht. Das begeistert einerseits Fans, schafft aber auch Feinde. "Wegen Neidern nicht zu nennen", steht manchmal bei einem ihrer Konzerttermine auf der Homepage mit dabei, wenn Schlüter damit rechnet, dass es an einem Auftrittsort zu unschönen Begegnungen mit Männern kommen könnte, die im Netz sexistische Kommentare über sie verbreiten.

"Oftmals sind es dieselben Leute, die einen verehren und verfolgen", erklärt die Künstlerin.

Sie sei sich bewusst, dass sie als präsente Frau in einer von Männern dominierten Welt der Orgelszene polarisiere.

Schlüter lässt sich davon nicht bremsen: Eben sei sie dabei, ihren B-Schein als Kirchenmusikerin zu erwerben und damit ihrer bereits dicken Mappe an Qualifikationen noch ein weiteres Dokument hinzufügen. Und sie bleibt weiter "on the road", spielt Konzerte in ganz Deutschland, wohin sie eingeladen wird.

"Momentan fühlt sich das noch sehr gut an. Und so lange mach ich weiter."