"Wie ist Sterben?" "Was geschieht nach dem Tod?" "Habe ich gut gelebt?" Diese und andere unbequeme Fragen stellt Neşmil Ghassemlou gleich im ersten Kapitel ihres Buches "Seelensang". 40 Jahre ihres Lebens hat die Psychoonkologin und Palliativmedizinerin Gespräche mit Sterbenden geführt. Eine plötzliche Krebsdiagnose, ein Rückfall in die Krankheit – nicht immer haben Menschen Zeit oder Kraft, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, wenn es auf einmal so weit ist. Für die Begleitenden ist es nicht selten noch schmerzhafter, den sicheren Tod eines geliebten Menschen hinzunehmen.
Welche Worte können Angehörige, aber auch Beschäftigte im Bereich der Pflege, der Sterbebegleitung oder Psychotherapie finden? Welche Impulse können sie geben, um den Sterbenden in ihrer Situation zu helfen?
Viele Fragen und keine eindeutige Antwort
"Seelensang" erzählt wahre Geschichten aus dem Berufsleben der Autorin. Andere hat sie mehr oder weniger zufällig erlebt. Die Ausgangssituation ist immer die gleiche: eine Todesbotschaft. Die, die sie erhalten, gehen unterschiedlich damit um. Für die meisten ist es ein Schock, auf die eine oder andere Weise. Manche haben noch etwas vor sich, das unbedingt getan werden muss, bevor es auf das Ende zugehen kann. Viele kämpfen mit den Schmerzen, dem Verlust der Selbständigkeit.
Hier lässt Neşmil Ghassemlou die Geschichten für sich sprechen. Sie schreibt keine Anleitung für den Umgang mit Sterbenden oder mit dem eigenen Tod. Stattdessen reflektiert sie klug über die Gespräche und Erlebnisse. Gemeinsam mit ihren Patient*innen bespricht sie die großen Fragen und blickt mit ihnen auf das gelebte Leben zurück. Angehörige unterstützt sie darin, schwierige Entscheidungen zu fällen.
Hoffnung trotz Diagnose
Die Kapitel enden mit dem Tod. Die Patient*innen sind oft noch nicht alt. Das Abschiednehmen fällt schwer. Trotzdem ist "Seelensang" kein Buch, das nur traurig macht. Immer wieder beschreibt Ghassemlou an realen Beispielen, wie ein spontaner Gedanke, eine beherzte Handlung oder ein vertrauter Händedruck trost- und hilfreich sein können. Vom Diagnosegespräch über den Hausbesuch bis hin zu zufälligen Begegnungen: gerade bei Menschen, die mit ihrem Sterben allein sind, reicht meist die bloße Anwesenheit und Anteilnahme einer anderen Person aus. Und nicht selten gehen die Menschen in Ghassemlous Buch die letzten Schritte gern. Sie sind bereit, loszulassen und dem eigenen Tod gefasst ins Auge zu sehen.
Eine Stütze bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod
Die Autorin richtet sich mit ihren Geschichten an eine große Zielgruppe: Ärzt*innen und Pflegenden, aber auch Familienmitgliedern will sie Mut machen, sich diesen schweren Momenten zu stellen. Das letzte Kapitel lädt die Lesenden dazu ein, sich das eigene Sterben meditativ zu vergegenwärtigen – "mit Neugier und Forschergeist". Dabei wird klar: die Vorstellung, zu sterben, muss nicht furchterregend sein. Im Gegenteil: sie kann dabei helfen, sich auf das vorzubereiten, was – früher oder später – jedem und jeder von uns passieren wird.
Ghassemlous Buch ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod für alle: die, die ihm schon näher sind, und die, die sich noch weit entfernt von ihm sehen.
Seelensang. Geschichten vom Leben und Sterben
Wenn der eigene Tod plötzlich konkret wird, fühlen wir uns verloren. Als Palliativmedizinerin und Psychoonkologin beobachtet die Autorin oft, dass viele Menschen nach einer Krebsdiagnose mit ihrer Angst alleine sind. Anhand von bewegenden Geschichten zeigt sie, wie Ärzte, Pflegende und Mitarbeiter im Hospiz Kranken nicht nur diagnostisch und therapeutisch beistehen, sondern auch seelische Sterbebegleitung leisten können. Sie lässt den Leser an Gesprächen teilnehmen, erklärt Gesprächstechniken und zeigt, wie Patienten inneren Frieden und eine Aussöhnung mit sich selbst finden können. Ein Buch für Menschen in medizinischen und pflegerischen Berufen und für alle, die sich mit dem eigenen Tod oder dem Verlust einer geliebten Person auseinandersetzen.
Verlag: Claudius Verlag GmbH
Seitenzahl: 139
ISBN: 3532628554, EAN: 978-3532628553
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