Im Zuge der Digitalisierung beschäftigen sich Startups heute ganz selbstverständlich mit der Frage, wie sie ihre Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass die Kunden auch Vertrauen zu ihnen aufbauen können. Ethische Fragestellungen spielen dabei eine erhebliche Rolle. Doch wie können diese ethischen Fragen möglichst einfach in die Produktentwicklung implementiert werden? Damit beschäftigt sich ein kleines Handbuch mit dem Titel "Start-Up with Ethics".

Anhand von Interviews und Workshops haben die Professoren Petra Grimm, Tobias Keber und Michael Müller einen Leitfaden entwickelt, der dabei helfen soll, ethische Fragestellungen in die Entwicklung von Produkten und Geschäftsmodellen zu implementieren. Ausgehend von der fiktiven Entwicklung einer Applikation erläutern die Autoren, wie sich die Entwicklungsteams in einem "Ethics by Design"-Prozess darüber Gedanken machen können, welche Werte sie haben und wie sie diese Werte auch in ihrem Produkt verankern können.

Wie bekommen wir die Ethik in Startups und Nonprofits?

Was mit "Ethics by Design" gemeint wird, macht ein einfaches Beispiel deutlich: Wenn ein Unternehmen eine Spielpuppe mit Mikrofon und ein Lautsprecher erfindet, so muss sich das Entwicklungsteam Gedanken darüber machen, ob und wie diese Funktion an- und ausgeschaltet werden kann, um sicherzustellen, dass das Spielzeug nicht als Abhörgerät missbraucht wird.

Unternehmen müssen also darüber nachdenken, welche Haltung sie vertreten, wie sie Vertrauen zu ihren Kundinnen und Kunden aufbauen können und wie sie Qualität und Nachhaltigkeit in ihren Produkten berücksichtigen. Doch wie soll das geschehen?

Als Unterstützung für die konkrete Arbeit an einem Produkt dient in dem Handbuch eine Methode, die die Buchautoren entwickelt haben und "Start-up with Ethics Compass" nennen. Der Kompass, den die Unternehmen für sich entwickeln sollen, beschäftigt sich mit den Werten des Unternehmens, nimmt unter die Lupe, worin der Sinn und das Netzwerk bestehen – und wie die Geschäftsprozesse diesen Werten angepasst werden können.

Der Kompass wird in vier aufeinander folgenden Schritten erarbeitet:

Schritt 1: Die Core-Story

Als Grundlage für die eigene Arbeit sollen die jungen Unternehmen ihre gemeinsame Geschichte erzählen. Dafür werden Methoden des Design Thinking genutzt, bei denen etwa ein Flipchart ausgefüllt wird und der Satz "Wir machen…. um bei unseren Kunden etwas auszulösen… hin zu dem Ziel, dass…." ergänzt wird.

Schritt 2: Value Navigation

Im nächsten Schritt soll das Team herausfinden, welche Werte das Unternehmen oder die Einrichtung vertritt. Ausgehend von Geschichten über Konflikte mit Kunden, anderen Institutionen oder im Team soll herausgearbeitet werden, welche Werte wichtig sind  - also zum Beispiel Vertrauen, Gleichheit, Effizienz, Privatheit oder Fairness und Verantwortung. Diese Werte können auf einer Landkarte eingetragen werden.

Schritt 3: Sinn-Erzählung für das Unternehmen

Wenn die Grundlagen stehen, sollen die Unternehmen damit beginnen, über die Strategie und den Sinn des Produkts zu sprechen. Hier geht es darum, dass sich das Unternehmen eine Vision ausmalt und diese mit der "Core-Story" in Einklang bringt.

Schritt 4: Netzwerke bilden

Jede Einrichtung und jedes Unternehmen ist angewiesen auf gute Netzwerke. Um die bestehenden Werte zu überprüfen und zu sichern, muss nun erarbeitet werden, wie die Werte mit den Partnern in Einklang gebracht werden können.

Schritt 5: Handlungen identifizieren

Nachdem die Grundlagen für die Arbeit stehen, können nun einzelne Aufgaben definiert werden. Kurzum: Die operative Arbeit kann beginnen. Hier geht es vor allem darum, bestehende Prozesse zu verändern und zu optimieren, damit die beschlossenen Werte und der Sinn möglichst gut enthalten sind.

Schritt 6: Anpassung

Wie jeder Prozess sollte auch der innere Wertekompass immer wieder überprüft werden. Der Plan, die Ausführung und die einzelnen Projektschritte müssen in regelmäßigen Abständen betrachtet und neu bewertet werden. Nur so kann der gesamte Lebenszyklus eines Produktes angepasst werden.

 

Arbeitsmaterial Start-Up with Ethics

Der Leitfaden "Start-Up with Ethics" ist praxisorientiert gestaltet worden. Anhand einer kleinen Story, in der fiktive Personen zu Wort kommen, werden die einzelnen Bausteine der Methode erläutert.

Im Anhang der 60-seitigen Publikation befinden sich verschiedenen Vorlagen, die für die Teamarbeit an dem Projekt genutzt werden können. Diese Worksheets können kostenlos im Netz heruntergeladen werden.

Podcast Ethik Digital - Gespräch mit Professor Petra Grimm

Petra Grimm ist Mitautorin von "Start-up with Ethics", ein Arbeitsbuch für Jungunternehmen. Im Podcast "Ethik Digital" spricht sie über das Projekt und stellt es vor:

Grimm: In einem Forschungsprojekt für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) haben wir Start-ups aus der Medienbranche zu Ethics by Design befragt und eine Methode entwickelt, mit der Start-ups selbst diesen Prozess konkret durchführen können. Dazu entstand ein Handbuch, das als praktischer Leitfaden dient. Dass es sich auch im wahrsten Sinne des Wortes lohnt, sich eine ethische Expertise anzueignen, zeigt die Praxis: Ein Beispiel hierfür ist die smarte Spielzeugpuppe "Cayla". Sie hatte im Unterschied zu anderen internetfähigen Puppen keinen Ausschaltknopf und zeigte nicht an, dass sie Gespräche aufnahm, sie war "always on" - sie wurde von der Bundesnetzagentur als Spionage-Tool eingeschätzt, weil sie Gespräche aufzeichnen und an die Hersteller übermitteln konnte. Dabei hätte es in der Entwicklung nur ein paar Cent gekostet, einen Ausschaltknopf einzubauen. Aber so musste die Puppe vom Markt verschwinden, die Eltern wurden sogar aufgefordert, sie zu zerstören.

 

Der Podcast "Ethik Digital" von Rieke C. Harmsen und Christine Ulrich kann auf diesen Kanälen abonniert werden:

Fragen und Anregungen mailen Sie bitte an: rharmsen@epv.de