Literatur und Geschichtsschreibung - bei wenigen sind sie so eng miteinander verbunden wie bei Ricarda Huch. In der Weimarer Republik zählt sie zu den prominentesten Intellektuellen und bekanntesten Literaturschaffenden. Vor 75 Jahren, am 17. November 1947, ist sie in Schönberg im Taunus gestorben, begraben wurde sie auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.

Die promovierte Historikerin stellte Geschichte mit literarischen Mitteln dar, die Dichterin schuf Prosa und Lyrik, die ihr Geschichtsverständnis atmet. Es war eine Sicht auf die Historie, die unterhalb der bloßen Fakten nach etwas sucht, was sich wohl nur unbewusst ahnen lässt. Bei Leopold von Ranke, einer Autorität der Historikerzunft, vermisste sie "das unterirdische Rauschen der übermenschlichen Mächte, das vielleicht nur durch die Musik der Worte mitgeteilt werden kann".

Historikerin Ricarda Huch

In diesem Sinne verfasste Ricarda Huch ihre Werke über den Dreißigjährigen Krieg, über die deutsche Romantik, den preußischen Reformer von Stein, über "Luthers Glaube". Auch viele ihrer Romane und Novellen widmen sich historischen Stoffen.

Ihre Biografie lässt auf eine Frau schließen, die sich konventionellen Zwängen selbstbewusst widersetzt: 1864 wird sie in eine wohlhabende Braunschweiger Kaufmannsfamilie hineingeboren. Sie ist 19 Jahre alt, als sich eine Liebesbeziehung mit ihrem Vetter und Schwager Richard Huch entwickelt, dem Mann ihrer älteren Schwester. Da dies in Braunschweig nicht verborgen bleibt, verlässt sie ihre Heimatstadt und geht 1887 nach Zürich. Dort ist, anders als in Deutschland, Frauen bereits das Universitätsstudium erlaubt.

In kürzester Zeit holt sie die Maturitätsprüfung mit Bravour nach und promoviert nach drei Jahren in Geschichte. Wenig später erscheint ihr erster Roman: "Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren" - ein Erfolg. In Braunschweig sorgt das Buch für Ärger: Jedem Eingeweihten ist klar, dass Ricarda Huch in diesem Schlüsselroman die unglückliche Liebe zwischen ihr und ihrem Schwager schildert.

Ricarda Huch und die Poesie

1898 heiratet sie den Zahnarzt Ermanno Ceconi und zieht mit ihm nach Triest, wo die Tochter Marietta geboren wird. Nach sieben Jahren geht die Ehe auseinander, Ricarda hat sich immer noch nicht von ihrem Schwager gelöst, der sich nun endlich von ihrer Schwester scheiden lässt. 1907 heiraten die beiden, Richard ist mittlerweile 57, Ricarda 43 Jahre alt. Die Erfüllung eines Jugendtraums in reifem Alter scheitert. Die konfliktreiche Ehe wird 1911 geschieden.

Der Zwiespalt zwischen Selbstständigkeit und Freiheit einerseits und bürgerlicher Geborgenheit andererseits hat bisher ihr Leben bestimmt. In einigen Werken verarbeitet sie ihren eigenen Konflikt zwischen verbotener Leidenschaft und Konvention. Sie ist inzwischen eine erfolgreiche Autorin. Ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und historischen Werke bringen ihr große Anerkennung. 1931 erhält sie den Goethepreis der Stadt Frankfurt.

Ihr Stil weist in die Vergangenheit: Der Erzähltradition des Realismus, namentlich dem Vorbild Gottfried Keller, ist sie verpflichtet, ohne dessen Meisterschaft zu erreichen. An ihrer Lyrik gehen die Entwicklungen der Zeit fast spurlos vorbei. Ihre Biografin, die Jenaer Germanistin und Historikerin Katrin Lemke, erklärt:

"Über die meisten der Werke dürfte die Zeit hinweggegangen sein, was nicht verwunderlich ist, da Ricarda Huchs Wurzeln erkennbar in der Literatur des 19. Jahrhunderts liegen."

Ricarda Huch und der Nationalsozialismus

Huch zeigt Rückgrat, als die Nazis ihre Loyalität verlangen. Bereits 1931 hat sie erklärt:

"Ich bin nicht marxistisch, ich bin nicht kapitalistisch, ich bin nicht nationalsozialistisch, aber auch nicht schlichtweg demokratisch im heutigen Sinne. Ich bin dafür, dass das Bürgertum den Staat mit ethischer Gesinnung erfüllen sollte."

Dahinter stand die Überzeugung von der "deutschen Freiheitsidee", die sie in verklärendem Rückblick im Mittelalter verwirklicht sah, ein föderales Prinzip, das auf wahrer - bürgerlicher - Aristokratie fußt: Die Anständigen nehmen ihre Angelegenheiten zum Wohle aller selbst in die Hand.

1933 weigert sie sich, eine Erklärung zu unterzeichnen, die sie zur loyalen Mitarbeit an den "nationalen kulturellen Aufgaben" im Sinne der NS-Machthaber verpflichten sollte, und tritt aus der Preußischen Akademie der Künste aus. Nach dem Ende der NS-Diktatur findet sie klare Worte zur deutschen Schuld: "Betrachten wir uns nicht als Opfer, sondern als solche, die mit der Hölle im Bunde waren und wunderbar gerettet sind. Diese Rettung mag uns hoffen lassen." 1947, kurz vor ihrem Tod, wird sie Ehrenpräsidentin des ersten deutschen Schriftstellerkongresses in Ost-Berlin.

Heute sind in ganz Deutschland Schulen nach ihr benannt. Die Stadt Darmstadt verleiht alle drei Jahre den Ricarda-Huch-Preis an Menschen, "deren Wirken in hohem Maß bestimmt ist von unabhängigem Denken und mutigem Handeln", verbunden mit Einsatz für die Ideale der Humanität und Völkerverständigung.