Frauen sind im deutschen Kino immer noch unterrepräsentiert und werden in der Filmbranche benachteiligt. Der Anteil der weiblichen Charaktere liegt etwa bei 30 Prozent, auch bei den Regisseuren sind Frauen deutlich im Nachteil, wie verschiedene Studien belegen.
Doch wie steht es um starke Frauen im Kino? Wir stellen Kinofilme, Dokumentarfilme, Serien und Videos vor, die sich ungewöhnlichen und rebellischen Frauen in und aus Deutschland widmen.
Die Unbeugsamen – Dokumentarfilm über Frauen in der Politik
Zur Uraufführung des Filmes "Die Unbeugsamen" kam sogar Angela Merkel ins Kino. Der Dokumentarfilm von Regisseur Torsten Körners erzählt von starken Frauen in der deutschen Politik. Erst 1961 schafft es die CDU-Politikerin Elisabeth Schwarzhaupt als erste Frau in die Regierung – sie wird unter Adenauer zur Gesundheitsministerin ernannt. Der Film macht deutlich, wie schwer sich die Frauen ihre Standing in den Parteien erkämpfen mussten, von Männern belächelt wurden und abgewertet. Diese Politikerinnen seien "so eloquent, haben Charisma und Witz", resümierte Filmemacher Körner, der für den Film zahlreiche Archiv-Dokumente sichtete. Hier ist der Link zur Filmseite. Und hier kann das Video bei Amazon ausgeliehen werden.
Victoria – Eine Nacht im Rausch
Auf der Berlinale 2015 machte dieser Film Furore: "Victoria" zeigt das atemberaubende Protokoll einer Nacht in Berlin. Die junge Spanierin Victoria trifft vor einem Club vier junge Männer, freundet sich mit diesen an und zieht durch die Stadt. Das Besondere an dem Film des Schauspielers und Autors Sebastian Schipper ist die Tatsache, dass es keinen einzigen Schnitt gibt in diesem Film. Der Film wurde drei Mal in einem Stück gedreht. Diese unmittelbare Nähe zu den Akteuren entfaltet einen großen Sog und eine ungeheure Faszination, zumal die Geschichte eine ungewöhnliche Wendung nimmt – und die Menschen vollkommen verändert. Video bei Amazon ausleihen.
Hannah Arendt
Die Philosophin und Schriftstellerin Hannah Arendt wird in diesem "Biopic" von Barbara Sukowa dargestellt. Der Film von Margarethe von Trotta schildert das Leben der deutsch-jüdischen Theoretikerin, die 1941 in die USA emigrierte und für ihre Schriften weltbekannt wurde. Mit diesem Biopic setzt Margarethe von Trotta ihre Reihe großer Frauenporträts fort. Original-Filmmitschnitte vom Eichmann-Prozess in Jerusalem sind in den Film integriert. Gezeigt wird auch das ambivalente Verhältnis zwischen Hannah Arendt und dem mit den Nazis sympathisierenden Philosophen Martin Heidegger (Klaus Pohl). Barbara Sukowa zeigt die Denkerin in all ihren Facetten. Mit Axel Milberg als Ehemann, Ulrich Noethen als Hans Jonas, Julia Jentsch als Sekretärin Lotte und Michael Degen als Kurt Blumenfeld sind Freunde und Weggefährten bestens besetzt. Hier gehts zum Film auf der ARD.
Aimée & Jaguar
In dem Film "Aimée und Jaguar"von 1999 von Max Färberböck verlieben sich zwei Frauen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges kennen und lieben. Lily ist mit einem Nationalsozialisten verheiratet und Mutter von vier Kindern, Felice ist als Jüdin Mitglied einer Untergrund-Organisation. Der Film mit den Schauspielerinnen Juliane Köhler und Maria Schrader zeigt eindringlich, wie schwierig eine gleichgeschlechtliche Beziehung während des Nationalsozialismus war – und wie Freundschaft und Zuneigung die Grenzen des Systems sprengen können.
Wolke 9
Der Film von Andreas Dresen beschäftigt sich mit der Frage, wie es ist, wenn eine ältere Frau sich verliebt. Inge lernt Karl kennen, verliebt sich spontan und leidenschaftlich in ihn und verlässt nach 30 Jahren ihren Ehemann Werner, um mit Karl zu leben. Das wäre eine Liebesgeschichte wie viele – wären die Beteiligten nicht allesamt weit über 60 oder gar über 70 Jahre alt. Die starke, kompromisslose Entscheidung und der Umgang des Films mit Sexualität im Alter sorgten für eine starke mediale Resonanz. Video bei Amazon ausleihen.
Toni Erdmann
Der Kinofilm "Toni Erdmann" entstand 2016 und füllte die deutschen Kinosäle. Er schildert das Leben einer jungen frau, die Karriere als Unternehmensberaterin macht, und ihr Verhältnis zum Vater, einem pensionierten Musiklehrer. Die Vater-Tochter-Komödie spielt mit extremen Rollen und Konflikten zwischen dem ungleichen Paar, zugleich bringen die Auseinandersetzungen die beiden einander näher. Ein herrlich lustiger und heiterer Film. Video bei Amazon ausleihen.
Rebellinnen: Dokumentarfilm über Frauenfotografie in der DDR
Der Dokumentarfilm "Rebellinnen" widmet sich drei starken Frauen aus der DDR. Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer haben in den 1970ern und 80ern in der DDR als Künstlerinnen und Kreative gearbeitet. Sie wollen frei sein – und weil das nicht geht, zumindest die Kunst machen, die ausdrückt, was sie fühlen. Ihre Bilder erzählen auf berührende Art und Weise von ihrem Ausgeliefert-Sein in einem System, das viele junge kreative Menschen unterdrückt. Als der Konflikt mit der Staatssicherheit eskaliert, müssen sie sich entscheiden: Bleiben oder gehen. Der Film von Pamela Meyer-Arndt gibt einen neuen Blick frei auf die Kunst und das Leben dieser drei faszinierenden Frauen. Der Film erscheint bei Salzgeber und ist ab 3. November 2022 im Kino zu sehen, hier ist der Link zum Film.
Sophie Scholl – Die letzten Tage
Im Februar 1943 wird die junge Sophie Scholl dabei erwischt, wie sie Flugblätter an der Münchner Universität verbreitet und verhaftet. Nach tagelangen Verhören durch die Gestapo wird sie vom "Volksgerichtshof" der Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Film aus dem Jahr 2005 von Marc Rothemund widmet sich den letzten Tagen im Leben der jungen Frau, die zusammen mit ihren Freunden von der "Weißen Rose" versucht, gegen das NS-Regime vorzugehen. Hier geht es zum Film.
Paula Modersohn-Becker
Der Film von 1976 porträtiert die Malerin Paula Modersohn-Becker. Die junge Frau kommt zum Künstlerdorf Worpswede und wird Schülerin von Fritz Mackensen. In Paris lernt sie die Arbeiten von Gauguin, Césanne und Van Gogh kennen. Sie entwickelt einen ganz eigenen expressionistischen Malstil. Der Film zeigt eindringlich das Lebenswerk der Malerin, die kurz nach der Geburt ihres Kindes mit 31 Jahren starb. Link zum Kinofilm.
Lili Marleen
Der Regisseur Rainer Werner Fassbinder erzählt die Geschichte der noch unbekannten Barsängerin Wilkie. Als 1941 eines ihrer Lieder zufällig von Radio Belgrad gespielt wird, erlangt die Sängerin bei den Soldaten an der Front große Bekanntheit. Es folgt der unaufhaltsame Aufstieg im NS-Deutschland. Ihrem Liebhaber Robert, Sohn eines einflussreichen jüdischen Anwalts, hilft die Sängerin, vor der Gestapo zu flüchten und in die Schweiz zu fliehen. Link zur Fassbinder-Foundation und dem Film.
Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens
Käthe Kollwitz ist 47 Jahre zu Beginn des Ersten Weltkrieges, bekannt, geschätzt und Inhaberin mehrerer Preise. Ihr jüngster Sohn Peter meldet sich zu ihrem Entsetzen freiwillig als Soldat und fällt bereits zwei Wochen später. Dieses schmerzliche Ereignis trifft Kollwitz ins Herz. In ihrem künstlerischen Werk engagiert sich die Künstlerin um das Schicksal der Armen, denen sie täglich in der Praxis ihres Mannes, dem Armenarzt Karl Kollwitz, begegnet. Während des Nationalsozialismus wird sie gezwungen, "freiwillig" aus der Akademie auszutreten. Während des Zweiten Weltkriegs wird sie aus Berlin verwiesen. Die letzte Zeit vor ihrem Tod verbringt sie einsam und krank in Dresden. Der Film aus dem Jahr 1987 schildert die Stationen der Künstlerin.
Jenseits der Stille
Caroline Link widmet sich in dem Film von 1996 der Lebenssituation von taubstummen Menschen. Lara wächst mit zwei taubstummen Eltern auf und muss früh Verantwortung übernehmen. Als sie für ein Musikstudium nach Berlin ziehen will, führt das zu Konflikten mit ihrer Familie. Die Probleme verschärfen sich, als die Mutter stirbt. Ein feinfühliges Porträt einer jungen Frau, die ihren Weg sucht und sich von ihrer Familie emanzipiert. Video bei Amazon.
Sasha Waltz – Garten der Lüste
Die Tänzerin Sasha Waltz ist eine der bekanntesten Choreografinnen in Europa. Ihre Arbeiten überraschen durch einen ungewöhnlichen Umgang mit dem Raum und mit traditionellen Vorstellungen von Ästhetik. Der Film aus dem Jahr 2007 folgt einigen Lebensstationen – von den Anfangsjahren in Amsterdam über die Gründung der eigenen Kompagnie bis hin zu ihrer ersten Operninszenierung. Die Regisseurin Brigitte Kramer vermittelt mit ihrem filmischen Portrait "Garten der Lüste – Die Choreografin Sasha Waltz" einen profunden Einblick in die Arbeit der aus Karlsruhe stammenden Choreografin. Video bei Amazon ausleihen.
Aenne Burda - Die Wirtschaftswunderfrau
Am 3. November 2005 starb Aenne Burda im Alter von 96 Jahren in ihrer Heimatstadt Offenburg. Eine Woche später folgte ein Trauerzug durch die Stadt, angeführt von einem Mercedes mit dem Sarg der Verlegerin, gefolgt von 50 schwarzen Limousinen mit Trauergästen wie Wolfgang Schäuble, Hans-Dietrich Genscher, Günther Oettinger, Filmproduzent Arthur Cohn, Modedesigner Karl Lagerfeld, Verlegerin Friede Springer. Sie verbeugten sich vor einer Frau, die die "Welt am Sonntag" 1979 noch vor Mildred Scheel und Hildegard Knef als "erfolgreichste Frau der Bundesrepublik" bezeichnet hatte. Die ARD hat den Film produziert. Hier geht es zum Link .
Welcher Film fehlt noch in dieser Liste? Ich freue mich über Hinweise: rharmsen@epv.de.
Beate Uhse - Das Recht auf Liebe
Die Schauspielerin Franka Potente verkörpert in diesem Spielfilm die junge Beate Uhse, die zu den großen Persönlichkeiten der jungen Bundesrepublik Deutschland gehörte. Sie war eine Abenteuerin, eine Kämpferin, Ehefrau und Mutter - vor allem aber war sie eine herausragende Unternehmerin, die die Welt verändern wollte. Heute ist "Beate Uhse" eine Weltmarke in Sachen "sex sells". Der Film spannt einen Bogen vom Ende des Zweiten Weltkriegs über den Beginn von Beate Uhses Karriere, die legendäre "Schrift X" und den Verkauf der ersten Präservative bis zum Jahr 1972. Gezeigt wird Beate Uhse als der Freigeist, der sie war, und als Außenseiterin einer Gesellschaft, der sie zugehörig sein wollte.
Den Film auf Amazon anschauen.
Dokumentation: Women. 2000 Frauen. 50 Länder. 1 Stimme
Ich liebe es, eine Frau zu sein: Mit diesen Worten beginnt eine großartige Dokumentation über Frauen. Dem Film "Woman" liegt ein weltweites Projekt zugrunde, dass 2.000 Frauen aus über 50 Ländern die Chance gibt, ihre Meinung darüber kund zu tun, was es heißt, in der heutigen Gesellschaft eine Frau zu sein. Hindernisse, Ungerechtigkeiten, aber auch besondere Stärken und einzigartige Fähigkeiten kommen so zur Sprache. In rührenden Geschichten sprechen die interviewten Frauen über ihre Bildung, die Mutterschaft, Sexualität, Ehe und den Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit. Doch auch tabuisierte Themen wie häusliche Gewalt und Menstruation kommen zur Sprache. Der Film wurde 2021 veröffentlicht.
Buch: "Rebellinnen - Frauen verändern die Welt"
Das Buch "Rebellinnen - Frauen verändern die Welt" enthält einen einführenden Text sowie Porträts von rund 30 Frauen aus dem deutschsprachigen Raum, die die Gesellschaft geprägt haben. Das Buch enthält zahlreiche Zeichnungen und Collagen von namhaften Illustratorinnen und Grafikern. Es kann in unserem Sonntagsblatt-Shop bestellt werden.
Frauen in der Filmbranche
Frauen sind in der Filmbranche gegenüber Männern deutlich im Nachteil. Das stellte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU) schon 2020 klar.
Im Bereich Regie sind einer Studie der Malisa-Stiftung zufolge deutlich mehr Männer (rund 62 Prozent) als "Experten" angestellt als Frauen (knapp 38 Prozent). Verhältnismäßig mehr Frauen (58 Prozent) sind den Angaben zufolge in der Kategorie der "Spezialisten" angestellt, wo das Anforderungsniveau niedriger ist. Auch der Verdienst unterscheidet sich: Männer verdienten im Schnitt gut 3200 Euro, Frauen hingegen nur 2.700 Euro. Die Mehrheit der ausschließlich geringfügig Beschäftigten seien wiederum Frauen (gut 58 Prozent).
Wie werden Frauen und Männer im Fernsehen und Kino dargestellt? In welchen gesellschaftlichen Rollen und Kontexten werden sie gezeigt? Wie häufig sind sie auf dem Bildschirm und auf der Leinwand zu sehen? Die Daten hierzu ermittelt regelmäßig die Malisa Stiftung. Die „Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität“, die von Professorin Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock geleitet wurde, zeigt, dass der Anteil von Frauen auf der Leinwand seit 2017 zwar zugenommen hat. Allerdings sind Frauen weiterhin weniger vielfältig sichtbar, wie die Studie zeigt. Hier sind die Ergebnisse zu finden.