"Ja, ich komme noch vorbei und besuche sie g'schwind", verspricht Claudia Voigt-Grabenstein in ihr Handy. Sie nimmt ein zweites Telefongespräch an, in dem es um eine Reparatur am Dach geht. Es ist jetzt noch die Kurzandacht für den Youtube-Kanal aufzunehmen, erinnert sie ein dritter Anrufer.

Mit dieser gespielten Szene ist die Pfarrerin in den vorerst letzten Video-Gruß aus der großen Nürnberger Lorenzkirche am Silvestertag eingestiegen. Das Team wolle kürzer treten. Und Geld sei auch ein Grund, sagt Voigt-Grabenstein in die Kamera.

Pandemie sorgte für viele Gottesdienst-Streams

Mit dem Lockdown in der Pandemie haben viele Kirchengemeinden im Frühjahr 2020 begonnen, Gottesdienste zu streamen oder Videoandachten zu produzieren. Pfarrerinnen und Pfarrer senden Low-Budget-Produktionen aus dem heimischen Wohnzimmer, im Hintergrund die halb fertige Lego-Burg der Kinder. Andere liefern sehr professionelle Filme mit Kamera-Umfahrten, Außenaufnahmen und Spezialeffekten. Manche haben 30.000 Abonnenten, andere nur ein paar Dutzend Klicks.

Die bayerische evangelische Landeskirche (ELKB) schätzt die Zahl der Gemeinden, die in der Coronazeit Online-Andachten produzierten, grob auf 15 Prozent der über 1.500 Gemeinden. Inzwischen seien es deutlich weniger, sagt der Sprecher der Landeskirche, Johannes Minkus. Aus dem Kirchenkreis Nürnberg gab es noch mehrere Angebote von Kirchengemeinden und Projektgruppen, die Sonntagsgottesdienste streamen oder wöchentlich über das Internet geistliche Impulse anbieten. Zuletzt produzierten aber nur noch die Lorenzkirche und die Martin Niemöller-Gemeinde in Langwasser YouTube-Andachten, sagt Dekanats-Öffentlichkeitsreferent Joachim Baumgardt.

Zögerliche Haltung gegenüber YouTube nachvollziehbar

Viele Gemeinden schafften kein wöchentliches Angebot, meint Baumgardt. Mit Blick auf die Klick-Zahlen und den großen Aufwand der Produktion, "ist die zögerliche Haltung gegenüber YouTube-Angeboten aber auch nachvollziehbar". Dagegen erreiche man mit einem Fernseh-Angebot bis zu 25.000 Zuschauende. Die Protestanten im Dekanat Nürnberg können Sendeplätze im Franken-Fernsehen beliefern. Der Lorenzkirchen-Kanal dagegen hat 660 Abonnenten. Ein Video, immer an der Orgel begleitet von den Kirchenmusikdirektoren Thomas Schumann oder Matthias Ank, wird im Schnitt und innerhalb mehrerer Wochen etwa 400 Mal gesehen.

In der kirchlichen Landschaft würden solche digitalen Angebote momentan noch als "Bonbon" oder Notlösung in Coronazeiten gesehen, stellt Pfarrerin Voigt-Grabenstein fest, "und zugleich weiß jeder von uns, dass diese Formate letztlich Zukunft haben". Sie ist überzeugt, dass in der Lorenzkirche technisch und inhaltlich "ein sehr qualifiziertes Format" entwickelt worden sei, das Menschen erreiche, die sonst nicht in der Kirche auftauchen.

"Ich bin ein wenig enttäuscht, dass auf leitender Ebene das kaum wahrgenommen und wertgeschätzt wird", fügt die Pfarrerin an.

Im Lorenzer Video-Format versuchten die Mitglieder des Prediger-Teams Details der berühmten Kirche zu entschlüsseln, die vom Glauben, vom Christsein oder von den Vorfahren erzählen. "Wir schaffen es damit, aus einer Kirche voller Kunstwerke eine erzählende Kirche zu machen". In einer ihrer letzten Andachten hat Voigt-Grabenstein erklärt, warum ein Stern auf einer der Kirchturmspitzen sitzt.

Lorenzer Gemeinde ging Geld aus

Das Geld ist der Lorenzer Gemeinde auch deshalb ausgegangen, weil sie aufwendig mit Profis, Kameramann Hans Batz und Tontechniker Corin Schatz, produziert hat. Billiges Filmen mit dem Smartphone käme als Alternative aber nicht in Frage, stellt die Pfarrerin fest. Das wäre Sparen auf Kosten von Arbeitsplätzen.

Auf zusätzliche Gelder des Dekanats kann die Gemeinde nicht hoffen. Die Kirchengemeinde muss mit den zur Verfügung gestellten Mitteln auskommen und alternativ gegebenenfalls Schwerpunkte setzen, erklärt Dekanatssprecher Baumgardt. Ein Antrag der Gemeinde an die Landeskirche auf Förderung der Andachten aus dem Digitalisierungsfonds der ELKB ist bereits 2021 abgelehnt worden. Mit dem Fonds sollten Projekte gefördert werden, die zu den Zielen der Digitalstrategie der ELKB beitragen und in denen Neues ausprobiert und Erfahrungen gesammelt würden, erklärt Johannes Minkus.

"Der Grad an Innovation erschien damals für eine Förderung als zu gering."

Es hätten bereits eine Reihe von Erfahrungen mit dem Genre vorgelegen.

200 Andachten mit ansteigender Lernkurve

An den fast 200 Andachten aus St. Lorenz ist jedenfalls eine Lernentwicklung abzulesen. Die erste Andacht zum Engelsgruß im März 2020 beginnt eine Pfarrerin im Talar hinter einem Pult stehend, klassisch "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes".

Schon in Folge drei wird es legerer: Der Kollege in Alltagskleidung macht es sich auf den Stufen zu einem Altar bequem, es folgt eine Sprecherin auf dem Baugerüst sitzend, zum Erntedankfest schenken sich zwei Theologen, in historischen Kirchenstühlen sitzend, zwei Krüge Bier ein.

Und nun kommt eine "kreative Pause" für das Andachten-Team. "Schauen wir, was wächst und entsteht", verabschiedet sich Voigt Grabenstein und verspricht:

"Wir kommen wieder."