Solo für den Soli: Es ist schon irgendwie seltsam, dass ausgerechnet über eine Steuer, die die "Solidarität" im Namen führt, exemplarisch und nicht gerade solidarisch gestritten wird. Stein des Anstoßes: Laut Berliner Regierungsbeschluss sollen Spitzenverdiener von der Abschaffung des Solidaritätsbeitrags ab 2021 nicht profitieren. Hört man sich die Argumente der Kritiker an, so gibt es unter den Wohlhabenden in unserem Land anscheinend nur "Leistungsträger". Da sollte schon etwas differenziert werden.
Mit der Fokussierung auf den Soli setzt der Streit allerdings an der falschen Stelle an. Längst nämlich sind grundlegendere Reformen in der deutschen Abgabenpolitik nötig, will man denn zu einer gerechteren Lastenverteilung zwischen Arm und Reich und damit auch wieder zu mehr Gemeinsinn kommen. Die Kirchen, die in ihrem vielgepriesenen Sozialwort von 1997 eine "Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" forderten, äußern sich zu diesem Thema derzeit leider eher zurückhaltend. Selbst der wirtschaftsliberale Internationale Währungsfonds (IWF) hat unlängst als Folge des deutschen Exportbooms einen Anstieg der sozialen Unterschiede in unserem Lande moniert und Korrekturen bei Löhnen und Steuern gefordert.
"Keine Schulden auf Kosten unserer Nachkommen"
Solange aber in Deutschland Einkommen aus Arbeit meist höher besteuert werden als beispielsweise die aus Erbschaften, und solange sich Berlin vor der Wiedereinführung einer Vermögenssteuer drückt, wird sich im Gefüge von Arm und Reich hierzulande grundlegend nichts ändern.
Für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen kann das Ende des Soli nur ein schwacher Trost sein. Erschwerend kommt die Scheu vieler Politiker vor einem wirklich großen Wurf hinzu. Denn der würde die zumindest zeitweilige Abkehr von der schwarz-roten Null, also dem Schuldenbremse-Popanz erfordern. Dabei herrschen gerade günstigste Kreditbedingungen. Deutschland braucht nach Jahren der Sparpolitik endlich einen wuchtigen Investitionsschub – in die Infrastruktur, den Klimaschutz, den Wohnungsbau, die Forschung und die digitale Transformation, die im Übrigen auch mehr Bildungsgerechtigkeit zwischen Arm und Reich verlangt.
Der gern bemühte Einwand "Keine Schulden auf Kosten unserer Nachkommen" ist zwar grundsätzlich richtig, aber hier verfehlt. Denn neue, zudem leicht tilgbare Schulden sind dann kein Sündenfall, wenn sie für nachhaltige Investitionen gemacht werden und damit gerade auch künftigen Generationen zugutekommen. In jedem Fall braucht es für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes mehr sozialen Ausgleich.