Nur eines von vier Kindern hatte einer aktuellen ifo-Umfrage zufolge während des zweiten Corona-Lockdowns täglich gemeinsamen Unterricht für die ganze Klasse, zum Beispiel per Video; 39 Prozent maximal einmal pro Woche.

Das sei deutlich zu wenig, kritisierte der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Professor Ludger Wößmann, bei der Vorstellung seiner neuer Umfrage unter mehr als 2.000 Eltern in München. Weil es künftig wohl immer wieder Schulschließungen geben werde, müsse die Politik zügig dafür sorgen, dass jedes Kind täglich Online-Unterricht haben kann.

Auch im zweiten Lockdown haben Schüler weniger gelernt

Zwar gebe es mittlerweile deutlich mehr digitalen Distanzunterricht als während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 (sechs Prozent täglich). Dennoch sei für mehr als ein Drittel der Kinder der Schulalltag noch immer fast ausschließlich vom eigenständigen Erarbeiten des Unterrichtsstoffs geprägt und nur minimal von regelmäßigem Austausch.

Auch im zweiten Corona-Lockdown hätten Schülerinnen und Schüler insgesamt also weniger gelernt. Zwar hätten sie täglich eine knappe Dreiviertelstunde mehr mit schulischen Tätigkeiten verbracht als während der ersten Schulschließungen. Mit durchschnittlich 4,3 Stunden am Tag seien das aber noch immer drei Stunden weniger als an einem üblichen Schultag vor Corona (7,5 Stunden).

"Besonders bedenklich ist, dass 23 Prozent der Kinder sich nicht mehr als zwei Stunden am Tag mit der Schule beschäftigt haben", sagte Wößmann. Corona sei eine "extreme Belastung für die Lernentwicklung und die soziale Situation vieler Kinder."

Statt mit Schule hätten die Kinder und Jugendlichen mehr Zeit (4,6 Stunden) mit Fernsehen, Computerspielen und am Handy verbracht. Aktive Tätigkeiten wie Lesen oder kreatives Gestalten seien im ersten Lockdown angestiegen, hätten sich jetzt allerdings wieder auf den Umfang von vor Corona reduziert, erklärte Wößmann.

Die häufigste Lehraktivität war wie schon im ersten Lockdown das Bereitstellen von Aufgabenblättern. 97 Prozent der Schüler sollten zumindest einmal pro Woche bereitgestellte Aufgaben bearbeiten. 77 Prozent erhielten der Studie zufolge dazu zumindest einmal pro Woche Rückmeldungen von ihren Lehrkräften. Die Mehrzahl der Kinder hatte zu Hause Zugang zu Computer und Internet. 29 Prozent gaben jedoch an, regelmäßig Probleme mit der Nutzung digitaler Lernplattformen gehabt zu haben, fünf Prozent sogar täglich.

"Raum für Verbesserungsbedarf" 

Mehr als die Hälfte der Eltern (56 Prozent) glaubt, dass ihr Kind pro Stunde zu Hause weniger gelernt hat als im regulären Unterricht in der Schule; immerhin 22 Prozent sind allerdings auch vom Gegenteil überzeugt. Leistungsschwächere Schüler und Schülerinnen und Nicht-Akademikerkinder hätten zu Hause deutlich weniger effektiv und konzentriert gelernt.

Jedes fünfte Kind hat seit den ersten Schließungen an Förder- oder Nachhilfeunterricht oder Ferienkursen teilgenommen. Allerdings hätten vor allem Akademikerkinder diese Angebote genutzt, obwohl sie gerade auch für Schüler aus bildungsferneren Familien wichtig wären, betonten die Wissenschaftler. Hier gebe es "Raum für Verbesserungsbedarf", sagte ifo-Mitarbeiterin Katharina Werner: Es gelte, aktiver auf diese Familien zuzugehen.

Psychische Belastung für Eltern und Kinder

Mehr als die Hälfte der Eltern bezeichnete die Schulschließungen als große psychische Belastung für sich und für die Kinder; 40 Prozent haben mehr mit ihren Kindern gestritten als vor Corona. "Beide Werte waren diesmal deutlich höher als bei unserer Befragung zum ersten Lockdown", erläuterte ifo-Mitarbeiterin Larissa Zierow. Auch hätten sich die fehlenden Treffen mit Freunden und weniger körperliche Bewegung negativ auf die sozialen Fähigkeiten und die Gesundheit der Schüler ausgewirkt.

Der Umfrage zufolge hatten die Schulschließungen aber auch positive Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen: So gaben zwei Drittel der Eltern an, ihr Kind habe gelernt, mit digitalen Technologien besser umzugehen. 56 Prozent der Kinder hätten gelernt, eigenständiger zu arbeiten und 53 Prozent der Befragten sagte, sein Nachwuchs könne nun gut mit Krisen umgehen.