Kirchenpräsidentin Wüst: Kurschus hätte mit Rücktritt warten können

Montag, 27. November, 09.47 Uhr: Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat ihr Bedauern für den Rücktritt der Theologin Annette Kurschus als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigt. Sie habe großen Respekt vor diesem Schritt, sagte Wüst, die auch Sprecherin des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der EKD ist, am Samstag vor der in Speyer tagenden Landessynode.

Besser als ein Rücktritt wäre es allerdings gewesen, den Ausgang eines laufenden Verfahrens in einem mutmaßlichen Fall von sexualisierter Gewalt abzuwarten.

Kurschus sei nicht wegen des gegen sie erhobenen Vorwurfs zurückgetreten, sagte Wüst. Vielmehr habe sie den Weg dafür frei machen wollen, dass die Arbeit für Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche gut weitergeführt werden könne.

Durch die öffentliche Diskussion über den Fall sei Kurschus' Amt so weit geschädigt gewesen, dass sie nicht habe weitermachen wollen, sagte Wüst. Mit Kurschus verliere die evangelische Kirche eine "großartige Theologin" mit einer hohen Glaubwürdigkeit.

Entscheidung über neuen Ratsvorsitz wohl Ende 2024

Mittwoch, 22. November, 15.05 Uhr: Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bleibt voraussichtlich die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs bis zur nächsten Ratswahl in einem Jahr amtierende Ratsvorsitzende. 

"Sofern Synode und Kirchenkonferenz nichts anderes beschließen, wird die Wahl eines/einer Ratsvorsitzenden auf der nächsten Synodentagung im November 2024 erfolgen", erklärte ein EKD-Sprecher am Dienstag auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Dort werde zunächst eine Nachwahl für die dann unbesetzten Ratsplätze erfolgen, hieß es weiter: "Dem schließt sich die Wahl einer ratsvorsitzenden Person aus der Mitte des dann gewählten Rates an." Die gewählten Personen sollen ihr Amt den Angaben zufolge dann jeweils bis zum Ende der regulären Ratsperiode im November 2027 wahrnehmen.

"Abweichende Verfahren sind mit unterschiedlichen rechtlichen Hürden möglich", erklärte der EKD-Sprecher. 

Nach Darstellung des Sprechers soll die Mitte November wegen des bundesweiten Bahnstreiks vorzeitig beendete Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 5. Dezember digital fortgesetzt werden. Bei der Fortsetzung der unterbrochenen 4. Tagung werde die bisher geltende Tagesordnung abgeschlossen.

Ex-Verfassungsrichter verlässt Kirchenleitung aus Solidarität

Montag, 20. November, 17.35 Uhr: Nach dem Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden und westfälischen Präses Annette Kurschus hat der frühere Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, seinen sofortigen Rückzug aus der westfälischen Kirchenleitung erklärt. Das bestätigte ein Sprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Kurschus sei "einem nicht gerechtfertigten Vertrauensentzug, verbunden mit einer erschreckenden Lieblosigkeit und Kälte an der Spitze der EKD und in den eigenen Reihen vor Ort zum Opfer gefallen", heißt es in einem Schreiben von Bertrams an die Kirchenleitung, das dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag) vorliegt.

Ohne Kurschus an der Spitze der Kirchenleitung wolle er nicht länger Mitglied dieses Gremiums sein, erklärte Bertrams. Mit ihrer Rücktrittserklärung habe die Theologin noch einmal vor Augen geführt, was für eine Präses und Ratsvorsitzende sie gewesen sei: "ein integrer und mitfühlender Mensch, eine glaubwürdige Verkünderin der Frohen Botschaft", zitiert die Zeitung aus dem Schreiben. Sie sei "eine Theologin und Predigerin von einem Niveau, wie es in Deutschland nicht oft anzutreffen ist".

Bertrams, der bislang nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung war, hatte am Wochenende in einem Beitrag für die Zeitung Rücktrittsforderungen gegen Kurschus als unangemessen kritisiert. Er bekunde "in voller Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Kirchenleitung öffentlich meine und unser aller Solidarität".

Kommissarische Vorsitzende Kirsten Fehrs

Montag, 20. November, 14.18 Uhr: Auch Bischöfin Kirsten Fehrs, die ab sofort kommissarisch das Amt des Ratsvorsitzenden übernimmt, hat sich zum Rücktritt von Annette Kurschus geäußert. Fehrs würdigte Kurschus Entscheidung "mit Hochachtung": "Über acht Jahre warst Du mit Herz und klugem Wort überall da, wo Du gebraucht wurdest. Dafür danke ich Dir im Namen des Rates und wünsche Dir viel Kraft und Gottes Segen für alles, was jetzt ansteht." Für den Rat der EKD verbinde sich mit dem Rücktritt nun die Verpflichtung, "den eingeschlagenen Weg bei Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt konsequent weiter voranzugehen."

Leseempfehlung: Das ist Bischöfin Kirsten Fehrs

Stellungnahme der Sprecher*innen des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der EKD

Montag, 20. November 2023, 13.12 Uhr: Die Sprecher*innen der Betroffenenvertretung und der kirchlichen Beauftragten des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der EKD haben nach dem Rücktritt von Annette Kurschus ein Statement veröffentlicht. Darin erklärten sie, die Entscheidung der nun ehemaligen Ratsvorsitzenden der EKD "mit Respekt zur Kenntnis" zu nehmen und dankten Kurschus "für ihre persönliche Unterstützung des Beteiligungsforums".

Weiter hieß es: "Ihre Entscheidung, auf die Ämter zu verzichten, schützt unsere Arbeit vor weiteren Belastungen. Auch dafür sind wir dankbar. Die Rücktritte können ebenso den weiteren Prozess der Aufklärung – auch bzgl. der Vorwürfe gegen ihre Person – unterstützen."

Es existiere nach wie vor ein Widerspruch der Darstellungen zu diesem Aspekt des Falles, der "durch unabhängige Fachleute untersucht werden" müsse. Priorität müsse dabei der Schutz und die Unterstützung betroffener Personen haben. "Die Aufklärung und Ahndung der Taten in Siegen gehören, wie geschehen, in die Hände der Strafverfolgungsbehörden. Es liegt in der Verantwortung der Landeskirche für lückenlose und unabhängig durchgeführte Aufarbeitung zu sorgen. Dazu gehört auch stets die Frage des Umgangs mit der Tat durch alle beteiligten Personen. Wenn es arbeits- oder dienstrechtliche Pflichtverletzungen gab, sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen."

EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich nimmt Rücktrittserklärung entgegen

Montag, 20. November 2023, 12.06 Uhr: Anna-Nicole Heinrich hat die Rücktrittserklärung von Annette Kurschus als Präses der Synode der EKD entgegengenommen. "Ich habe Respekt vor dem Schritt, von allen Ämtern zurückzutreten, mit dem Annette Kurschus zeigt, welchen Stellenwert konsequentes Handeln beim Thema sexualisierte Gewalt – gerade im Interesse der Betroffenen – für die evangelische Kirche hat", teilte sie im Rahmen einer Pressemitteilung mit.

Heinrich dankte Kuschus für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Synode und Ratsvorsitzender.

"Dein nachdenklicher Ton und deine klare Ausrichtung am Evangelium haben der Kirche in herausfordernden Zeiten gutgetan."

Die Präses der Synode der EKD führte weiter aus: "Ich hoffe, dass die Entscheidung von Annette Kurschus nun den notwendigen Raum für die weitere Aufarbeitung des Falles und des Umgangs mit ihm schafft. Die Landeskirche von Westfalen steht in der hohen Verantwortung, dieses zu gewährleisten."

Landesbischof Christian Kopp zum Rücktritt von Annette Kurschus

Montag, 20. November 2023, 12.03 Uhr: Der bayerische Landesbischof Christian Kopp hat den Rücktritt der westfälischen Präses und Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, bedauert. "Ich habe sie als hoch kompetente, warmherzige und brillante Rednerin und Predigerin kennengelernt", sagte Kopp am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach Bekanntwerden von Kurschus' Rücktritt.

Sie sei eine "sehr dem Gegenüber zugewandte Pfarrerin und eine exzellente Zuhörerin und Seelsorgerin". Sie habe die EKD "sehr kompetent und warmherzig vertreten": "Persönlich wünsche ich ihr das Allerbeste und Gottes Segen."

EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus tritt zurück

Montag, 20. November 2023, 11.45 Uhr: Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ist zurückgetreten. Sie legt auch ihr Amt als Präses der westfälischen Kirche nieder. Kurschus war seit 2021 die Ratsvorsitzende und war damit oberste Repräsentantin der protestantischen Christen in Deutschland. 

Die Aufgaben übernimmt nun die stellvertretende Ratsvorsitzende und Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Synode und Kirchenkonferenz müssen dann über eine Nachfolge bis zum Ende der Ratsperiode 2027 entscheiden.

Kurschus war wegen eines Missbrauchsverdachts in ihrem Umfeld unter Druck geraten. Sie hat sich am Montag öffentlich zu Vorwürfen gegen ihre Person geäußert. Die 60-jährige Theologin, die auch Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist, gab im Landeskirchenamt in Bielefeld vor Journalisten eine persönliche Erklärung ab.

Leseempfehlung: Die Rücktrittserklärung von Annette Kurschus im Wortlaut.

Darin nahm Kurschus Bezug "auf den Verdachtsfall sexualisierter Gewalt im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein und insbesondere auf die Vorwürfe gegen ihre Person, die in diesem Zusammenhang medial verbreitet wurden".

Am vergangenen Wochenende waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein öffentlich geworden, in dem Kurschus ab 1993 als Gemeindepfarrerin und Superintendentin tätig war, bevor sie 2012 die erste Frau an die Spitze der westfälischen Kirche wurde. Der Beschuldigte, den Kurschus nach eigenen Angaben sehr gut kennt, soll über Jahre hinweg junge Männer sexuell bedrängt haben. Im Raum steht die Frage, seit wann Kurschus von dem Missbrauchsverdacht weiß.

Die "Siegener Zeitung" berichtete am Mittwoch, die damalige Pfarrerin Kurschus sei Ende der 90er Jahre in einem Gespräch mit mehreren Personen in ihrem Garten über die Vorwürfe sexueller Verfehlungen gegen den Mitarbeiter informiert worden. Zwei Zeugen hätten ihre Darstellungen gegenüber der Zeitung an Eides statt versichert. Kurschus beteuerte dagegen, seinerzeit sei zwar die sexuelle Orientierung des Mannes thematisiert worden, "aber zu keiner Zeit der Tatbestand sexualisierter Gewalt". Sie wisse erst seit Anfang dieses Jahres durch eine Anzeige von den Missbrauchsvorwürfen.

Die EKD erklärte, der Rat habe in den vergangenen Tagen mehrfach mit und ohne Kurschus getagt.

Er bekenne sich "zu dem schwierigen und langen Weg der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie".

Es sei unabdingbar, dass auf diesem Weg betroffene Personen systematisch mitentscheiden. "Dabei setzt die EKD auf die Struktur des Beteiligungsforums, das diese Mitwirkung garantiert."

Die Staatsanwaltschaft Siegen sieht in dem möglichen Missbrauchsfall bislang keine strafrechtliche Relevanz, weil die mutmaßlichen Opfer nach derzeitiger Kenntnis zum fraglichen Zeitpunkt volljährig waren und die Vorfälle lange zurückliegen. Allerdings werde voraussichtlich in der kommenden Woche eine weitere Person vernommen, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Rücktritt von Annette Kurschus nach zwei Jahren ist der dritte in der Geschichte der EKD seit 1948. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann gab das Amt 2010 nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss am Steuer ihres Dienstwagens ab. Sie stand nur drei Monate an der Spitze der EKD. Ihr Nachfolger, der rheinische Präses Nikolaus Schneider, trat 2014 zurück, um sich um seine an Krebs erkrankte Frau Anne zu kümmern.

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manfred molls am Di, 21.11.2023 - 15:25 Link

Das war eine Bischöfin mit Herz und Verstand. Nicht ein einziger kath. Bischof hat ein solches Rückgrat. Über 50 haben wir davon und alle lungern in ihren Höhlen, ducken sich ab, und lassen mehr oder weniger unseren Herrgott einen guten Mann sein. Auch ein solches Verhalten führt immer mehr in den Abgrund. Es ist vielfach gottserbärmlich.
Ich hoffe, dass der ev. Kirche dieses Verhalten nach vorne bringt.
Interessant und gleichzeitig verwerflich ist das Verhalten der Großkopferten Protestanden. Auch sie haben sich im Fall der Landesbischöfin sehr vornehm zurück gehalten. Nicht ein einziger hat sie öffentlich unterstützt.