Dino Winterstein wirkt heiter, ausgeglichen und gelassen. Das ändert sich auch nicht, als er zu erzählen beginnt, was er erlebt, wenn er im Gespräch sagt: "Ich bin Sinto." Viele Leute kennen den Begriff noch immer nicht, sagt der 35-jährige Würzburger: "Und die, die ihn kennen, werden plötzlich ganz still." Und dann, das habe er Dutzende Male erlebt, legt sich ein Schalter um: "Mit einem Mal verhalten sich die Leute mir gegenüber ganz anders." Oder sie sagen nach einer Weile unsicher: "Na ja, macht doch nichts."

Dino Winterstein wuchs in einem multikulturellen Würzburger Viertel auf. Schon die Tatsache, dass er in einer ganz normalen Wohnung groß wurde, wird als erstaunlich empfunden: "Sag ich, dass ich Sinto bin, werde ich sehr oft gefragt, wo denn mein Wohnwagen steht", lacht der Gitarrist und Sänger. So ganz weit hergeholt ist der Gedanke dann allerdings doch nicht: "Meine Eltern lebten noch in einem Wohnwagen, bis sie etwa 18 waren."

Winterstein kann von zahlreichen Anfeindungen erzählen. Mit das krasseste sei ein Vorstellungsgespräch gewesen: "Ich wurde allein deshalb eingeladen, um mir anzuhören, dass man sich, wenn man so heißt wie ich, bei dieser Firma gar nicht erst zu bewerben braucht." In Würzburg sei nun mal weithin bekannt, dass es sich bei den Wintersteins um eine Sinto-Familie handelt.

Dino Winterstein: Nur wenige Sinti erzählen von sich

Winterstein sagt, dass nur wenige Sinti von sich erzählen. Auch deshalb sei so wenig über Sinti, einer Teilgruppe der Roma, bekannt. Als Musiker versucht Winterstein, mit seinem sechsköpfigen "Winterstein-Sintett" Brücken zu schlagen.

Er erzählt gern. Zum Beispiel davon, dass seine Familie seit 600 Jahren in Deutschland lebt. Wird er gefragt, was der Unterschied zwischen einem Sinto und seinem deutschen Nachbarn ist, antwortet er: "Die Familie hat bei uns eine viel größere Bedeutung." Man kennt nicht nur die Cousins, "sondern auch die Cousins der Cousins". Bei "Winterstein-Festen" treffen sich mitunter 400 Verwandte.

Thomas Baumann vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beklagt einen "gesellschaftlich weitgehend akzeptierten" Rassismus gegen Sinti und Roma. Rechter Hass sei in vielen Fällen Triebfeder zu antiziganistischen Straftaten. 63 solcher Taten wurden 2018 in Kriminalstatistiken registriert, darunter sieben Gewaltdelikte.

Seit 2017 werden Straftaten gegen Sinti und Roma in Deutschland gesondert erfasst

Erst seit Anfang 2017 werden Straftaten gegen Sinti und Roma in Deutschland gesondert erfasst. Im ersten Jahr der Erfassung meldeten die Länder 41 politisch motivierte antiziganistische Straftaten im Bereich "Hasskriminalität".

Die Zahl der "ganz normalen" Diskriminierungen steige, sagt der Politologe Bernd Grafe-Ulke, der in der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in Celle das Projekt "Kompetent gegen Antiziganismus und Antiromaismus in Geschichte und Gegenwart" (KogA) leitet. Wahlslogans der NPD wie "Lieber Geld für die Oma als für Sinti und Roma" nähren nach seiner Ansicht den gesellschaftlichen Boden, auf dem offene Feindseligkeit gedeiht. "Sinti, die seit Jahrhunderten in Deutschland beheimatet sind, werden durch den öffentlichen Diskurs wieder zu Migranten", erklärt er.

In KogA sieht der Politologe eine große Chance. Rund 80 Menschen durchliefen das Programm. Sie lernten die seit Jahrhunderten währenden Stigmatisierungen und Verfolgungen von Sinti und Roma kennen und erführen von Projekten, die helfen sollen, die gesellschaftliche Teilhabe dieser ethnischen Minderheit zu verbessern.