Mohammad Alzanna friert im Nieselregen. Er schaut auf den vier Meter hohen Zaun, der zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist, und sagt: "Das hier ist nicht Deutschland." Seit Mai lebt der Syrer in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg. "Man kann dieses Lager nicht verbessern, man kann es nur schließen." Weil er über Italien nach Deutschland kam, soll er demnächst dorthin abgeschoben werden. Er weiß, dass die Polizisten mitten in der Nacht kommen werden, um ihn zu holen. Er hat es bei anderen Flüchtlingen oft genug erlebt.

In den Sondierungsgesprächen haben sich Union und SPD darauf verständigt, Asylbewerber künftig in Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren unterzubringen. Hier sollen alle beteiligten Behörden zusammenarbeiten, um das Asylverfahren zu beschleunigen. In Bamberg wird dieses Modell seit mehr als zwei Jahren erprobt. Doch in der Stadt ist man sich weitgehend einig: Zum Standard sollte man es lieber nicht machen.

"Nicht verbessern, nur schließen"

Als im Sommer 2015 die Plätze in den dezentralen bayerischen Flüchtlingsheimen zu knapp wurden, suchte die Politik in München und Berlin nach Lösungen. Die Wahl fiel auf die gerade von den US-Streitkräften geräumte Kaserne in Bamberg. Schrittweise wurde die Kapazität immer mehr ausgeweitet. Heute können hier 3.500 Flüchtlinge untergebracht werden. Der Stadt wurden dafür vom Land Bayern Millionenbeträge für die Wirtschaftsförderung versprochen.

Doch auch das Land profitiert von dem Arrangement: Der Bund, dem die Kaserne gehört, überlässt sie dem Freistaat mietfrei, obwohl Berlin den Ländern, die für die Unterbringung zuständig sind, für jeden Flüchtling 670 Euro überweist. Ausgezahlt wird den Asylbewerbern aber nur ein kleines Taschengeld. Dafür stellt das Land möglichst viele Sachleistungen: vom Essen über die Kleidung bis zu Shampoo, Windeln und Babynahrung.

Seit Mai lebt der Syrer Mohammad Alzanna in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg. Derzeit wohnen in der ehemaligen US-Kaserne am Rand der Welterbe-Stadt nicht ganz 1.500 Menschen - auf engstem Raum: ein Bad, ein Klo, 16 Betten, ein kleiner Aufenthaltsraum, eine Küche ohne Herd. "Man kann dieses Lager nicht verbessern, man kann es nur schließen.", sagt Mohammad Alzanna. Weil er über Italien nach Deutschland kam, soll er demnächst dorthin abgeschoben werden.
Seit Mai lebt der Syrer Mohammad Alzanna in der Aufnahmeeinrichtung in Bamberg.

Derzeit leben in dem Komplex am Rand der Welterbe-Stadt nicht ganz 1.500 Menschen - auf engstem Raum: ein Bad, ein Klo, 16 Betten, ein kleiner Aufenthaltsraum, eine Küche ohne Herd. "Das entspricht sieben Quadratmetern pro Flüchtling", sagt Stefan Krug, der Bereichsleiter für Sicherheit, Kommunales und Soziales der Regierung von Oberfranken beim jährlichen Presserundgang Mitte Dezember. "Genau wie es das Gesetz vorschreibt." Zudem kann jeder die Türen der Gebäude und Wohnungen jederzeit von außen öffnen - sie lassen sich nicht abschließen. "Aus Brandschutzgründen geht das leider nicht anders", sagt Krug.

Die Pfarrerin Mirjam Elsel, die im evangelischen Dekanat Bamberg die Flüchtlingsarbeit koordiniert, kritisiert die beengten Verhältnisse: "In einer solchen angespannten Situation kann diese Enge auf Dauer nur zu Gewalt und extremer Hoffnungslosigkeit führen." Sie selbst erlebt bei ihrer Arbeit in der Aufnahmeeinrichtung hautnah, wie groß die physischen und psychischen Belastungen für die Flüchtlinge sind: "Viele nehmen inzwischen Psychopharmaka, weil sie mit der Situation einfach nicht zurechtkommen."

Im Schnitt bleiben die Flüchtlinge hier zwei Monate

Für wenige Wochen sei diese Art der Unterbringung vielleicht hinnehmbar, sagt Elsel. Doch im Schnitt bleiben die Flüchtlinge hier zwei Monate. Vielen sind hier länger als sechs Monate, manche länger als ein Jahr. Viele könnten wie Mohammad Alzanna nachts nichts schlafen, weil jederzeit die Polizei ins Zimmer stürmen kann, um den Nachbarn abzuholen. "Das ist für viele eine permanente Re-Traumatisierung. Das Camp in Bamberg taugt unter keinen Umständen als Modell", so Elsels Fazit.

Auch viele, die in den Straßen rund um die Aufnahmeeinrichtung leben, haben Angst: Sie verrammeln ihre Türen, installieren Überwachungskameras, manche trauen sich kaum auf die Straße. Regelmäßig schrecken sie auf, wenn die Polizei ins Camp gerufen wird und zehn Streifenwagen mit Sirene und Blaulicht durchs Viertel rasen. "Für die innere Sicherheit der Stadt ist die Aufnahmeeinrichtung eine enorme Belastung", sagt Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD). "Polizei, Ordnungsamt, Feuerwehr und Rettungsdienste sind hier zusätzlich gefordert. Das muss jedem klar sein, der solche Zentren schaffen will."

"Ein Lager in dieser Größe macht Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Bürgern nahezu unmöglich", sagt Tontsch. Denn die meiste Zeit trennt ein Zaun Anwohner und Flüchtlinge.
Noch aus US-Kasernenzeiten: Ein Stacheldrahtzaun umgibt die Aufnahmeeinrichtung.

Doch auch für die Kommunalpolitik ist die Aufnahmeeinrichtung eine Herausforderung. Regelmäßig treffen sich alle beteiligten Akteure mit den Anwohnern, um Probleme zu besprechen und nach Lösungen zu suchen. Auf Anregung der Bürger wurde etwa ein Bus-Shuttle für die Flüchtlinge eingeführt, der sie in die Innenstadt oder ins Klinikum bringt. Auch soll der Haupteingang demnächst verlegt werden. Anfangs waren die Treffen öffentlich. "Leider müssen wir die Anwohner inzwischen persönlich einladen, damit solche Treffen nicht von politisch rechten Kreisen instrumentalisiert werden", sagt Starke. "Das ist nämlich geschehen. Plötzlich tauchten dort nicht nur AfDler auf, sondern auch Rechtsextreme. Eine Veranstaltung konnte nur noch mit Polizeischutz durchgeführt werden."

Dabei ist der Umgang mit dem Thema schon schwer genug. Von den Anwohnern will sich Medien gegenüber niemand mehr mit Namen äußern. Zu groß ist die Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Das Phänomen kennt auch Heinz Kuntke, der als erster Vorsitzende des Bürgervereins Bamberg Ost die Anwohner gegenüber der Stadt vertritt. Auch er wählt seine Worte vorsichtig. Ob die Aufnahmeeinrichtung ein Modell sei? "Davon kann ich nur abraten", sagt er. "Würde man 1.200 deutsche junge Männer auf so engem Raum zusammensperren, was wäre da wohl los?"

Ein so großes Lager macht Begegnung unmöglich

In der 75.000-Einwohner-Stadt gibt es rund 100 Ehrenamtliche, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Eine von ihnen ist Ulrike Tontsch von der Initiative "Freund statt fremd", die in einem Flüchtlingscafé auf dem ehemaligen Kasernengelände mit vielen Asylbewerbern ins Gespräch kommt. "Oft sind das ganz hilfsbereite, schlaue und mutige Menschen, die sich ein neues Leben aufbauen wollen. Die wollen arbeiten und unbedingt etwas tun."

Die Anwohner bekämen von all dem nichts mit. "Ein Lager in dieser Größe macht Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Bürgern nahezu unmöglich", sagt Tontsch. Denn die meiste Zeit trennt ein Zaun Anwohner und Flüchtlinge. "Solche Massenunterkünfte schüren Ängste", findet die Ehrenamtliche: "Das verringert letztlich die Akzeptanz von Flüchtlingen und erschwert die Integration." Bei der Bundestagswahl haben in dem Wahlbezirk rund um das Lager 20 Prozent die AfD gewählt.