Mit den Neubauten stellt die Landeskirche 9.000 Wohnungen zur Verfügung, mittelfristig sollen es 10.000 Wohnungen sein, sagte der kirchliche Finanzchef Erich Theodor Barzen, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der kirchlichen Wohnungsbaugenossenschaft Evangelisches Siedlungswerk (esw) ist, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, biete die Kirche ihre Wohnungen zu vergleichsweise günstigen Mieten an, erläuterte Barzen. In München liege die kirchliche Durchschnittsmiete bei 8,46 Euro pro Quadratmeter, in Bayern insgesamt bei durchschnittlich 6,63 Euro. Denn im Gegensatz zu einem privaten Unternehmen brauche die Kirche "keine substanzielle Rendite, sondern nur eine schwarze Null". Neben Wohnungen für den allgemeinen Mietmarkt baut die Kirche auch in Spezialsegmenten neue Wohnungen, wie etwa für Senioren, Studenten oder Mutter-Kind-Wohnungen. Gut 100 kirchliche Wohnungen würden an anerkannte Flüchtlinge vermietet.

Für eine Linderung der Wohnungsnot sind nach Überzeugung des Oberkirchenrats neben einer stärkeren Förderung des sozialorientierten Wohnungsbaus auch geänderte politische und rechtliche Rahmenbedingungen nötig. Bei der Bauleitplanung sollte in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten die Schaffung von Wohnraum vorrangig berücksichtigt werden. Die "hohe Intensität" technischer Normen sollte zurückgefahren werden. "Die energetischen Vorgaben und Brandschutzbestimmungen haben einen Detaillierungsgrad erreicht, der nicht mehr sinnvoll ist", sagte Barzen. Das mache vor allem den öffentlich geförderten Wohnungsbau kompliziert und teuer. Außerdem sei eine intensivere Nachverdichtung unausweichlich, sagte Barzen. Dies treffe nicht immer auf Wohlwollen in der Nachbarschaft und müsse deshalb sensibel umgesetzt werden.

 

epd: Sehen Sie eine ethische Dimension, dass eine adäquate Wohnung sozusagen ein unveräußerliches Menschenrecht ist?

Barzen: Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gehört wieder in den Mittelpunkt gerückt. Artikel 161 der Verfassung des Freistaats Bayern sieht vor, Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- und Kapitalaufwand der Eigentümer entstehen, der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass Grund und Boden nicht dem freien Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelne überlassen sein dürfen, weil sie unvermehrbar und unentbehrlich sind. Das sind Sätze, die nicht aus dem Parteiprogramm der Linken stammen, sondern in die Mitte unserer Gesellschaft gehören.

 

epd: Wie kann dieser ethische Grundsatz Gestalt gewinnen?

Barzen: Diskutiert werden eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen. Das Vorkaufsrecht der Kommunen könnte gestärkt werden. Bisher beträgt die Frist dafür nur zwei Monate: Das ist für die internen Abläufe der Kommunen viel zu kurz. Ferner könnte es den Kommunen erleichtert werden, partielle Preisbindungen bei neu zu schaffendem Wohnraum vorzuschreiben. Bei der Veräußerung von Grundstücken könnten die Kommunen verstärkt zu Konzeptvergaben übergehen. Hier erhält nicht der Bieter mit dem höchsten Gebot den Zuschlag, sondern derjenige, der - vereinfacht gesagt - die meisten Kindergärten baut. Auch Genossenschaften oder sozialorientierten Unternehmen können so zum Zuge kommen. Die Höhe der Grunderwerbsteuer könnte bei kurzfristigem Halten höher angesetzt werden und bei Ersterwerb von Grund und Boden niedriger. Bodenwertsteigerungen, die auf neu geschaffenen Baurechten basieren, könnten die Verpflichtung nach sich ziehen, finanziell zur Infrastruktur beizutragen. Gewinne sind legitim. Aber die Allgemeinheit sollte auch profitieren.  

 

epd: Zeigt sich auch in der kontroversen Diskussion um die kirchliche Immobilie im Münchner Stadtteil Solln der Gegensatz zwischen Einzelinteresse und Gemeinwohl?

Barzen: Mit dem geplanten Mehrfamilienhaus leisten wir einen konkreten Beitrag gegen die Wohnungsnot in München. Mehr als 20 Menschen werden dort ihr Zuhause finden. Das Gebäude tritt an die Stelle einer Villa, in der früher der renommierte Theologieprofessor Rendtorff wohnte. Es ist nachvollziehbar, dass seine Töchter das Haus und damit sein Andenken bewahren möchten. Ferner sind die Anwohner besorgt aufgrund der Verdichtung. Unser Vorhaben wird sich jedoch in die bestehende Bebauung einfügen: Mehr als Dreiviertel des 2.000 Quadratmeter großen Grundstücks wird Grünfläche bleiben. Die Hälfte des Wohnraums werden wir dauerhaft der "Hilfe im Alter - gemeinnützige GmbH der Inneren Mission München" zur Verfügung stellen. Diese wird es an Pflegkräfte des evangelischen Pflegezentrums Sendling vermieten. Der Pflegenotstand lässt sich nur eindämmen, wenn für das Pflegepersonal bezahlbare Wohnungen geschaffen werden. Deshalb ist die Entscheidung für das neue Mehrfamilienhaus sinnvoll und nötig.