In den Sozialen Netzwerken ist der bayerische Ministerpräsident Markus Söder seit vielen Jahren aktiv, überlässt nichts dem Zufall. Der ehemalige Fernsehredakteur weiß um die Macht der Bilder, wählt Motive vor dem Posten bewusst aus und formuliert (politische) Statements wohlüberlegt. Er gibt als König der Selbstinszenierung. Dahinter steht zwar ein Team von Mitarbeitern, ohne Söders Zustimmung geht jedoch nichts.

Auf seinem offiziellen Instagram-Kanal finden sich neben Selfies von der Fußballtribüne, Bildern und Videos von Söders Mahlzeiten (immer versehen mit dem eigens kreierten Hashtag #söderisst) und Impressionen von Wahlkampfterminen auch Slides mit Botschaften – meist auf hellblauem Hintergrund. Hier verbreitet der CSU-Vorsitzende seine politische Meinung.

Häufig zugespitzt, inhaltlich stark reduziert, polarisierend, provokant.

Typisch für Social Media, wo von Nutzer*innen nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne zu erwarten ist. Doch mit einem Beitrag, den Söder am Sonntag veröffentlichte, treibt der 56-Jährige es mit der Vereinfachung nun auf die Spitze – und beweist, dass ihm jeder populistische Kommunikationsstil recht ist, um Reichweite und Aufmerksamkeit zu erzielen.

Geschrieben in weißen Großbuchstaben, im Hintergrund die bayerische Flagge, heißt es:

"Bayern ist anders als Berlin, wir lehnen wokeness, cancel culture und Genderpflicht ab. Bei uns darf man essen was man will, sagen und singen was einem gefällt."   

Was man auf Instagram nicht erfährt ist, dass es sich hier um ein Zitat aus einem Interview handelt, das Söder der WELT gegeben hat (Bezahlschranke).

Dem Zitat ging die Frage voraus, ob der Ministerpräsident an einen Plan der Ampel-Regierung (mit Sitz in Berlin) glaube, den Süden (also Söders Bayern) zu benachteiligen. Ja, glaubt er. Das Interview beendet der Ministerpräsident mit der Aussage: "Wir sind vielen wohl zu erfolgreich. Das gefällt der linken Ampel nicht."

Wieso ist Söders Posting nun so problematisch? Wieso finden sich unter dem Beitrag unzählige Kommentare von Bayer*innen, die sich wütend von ihrem Landesvater distanzieren?

Starke Vereinfachung

Markus Söder wirft die Stichworte "wokeness", "cancel culture" und "Genderpflicht" in den Raum, ohne sie zu erklären, suggeriert jedoch mit seiner Ablehnung klar, dass es sich hier um Inhalte handelt, die es abzulehnen gilt. Grundsätzlich und ohne jegliches Entgegenkommen oder Verhandlungsspielraum. Schwarz gegen Weiß. Berlin gegen Bayern.

Dabei handelt es sich hierbei um drei Themenbereiche, die inhaltlich komplex sind und die wohl die meisten Menschen schon häufiger gehört haben, ohne jedoch präzise definieren zu können, was darunter genau zu verstehen ist. Drei Stichworte, die polarisieren und Emotionen auslösen. Drei Stichworte, die immer wieder zweckentfremdet werden. Wie auch hier.

Es ist eine extreme Vereinfachung mittels emotionaler Botschaften, der sich der bayerische Ministerpräsident hier bedient.

"Populismus propagiert oft einfache Lösungen, bei der komplexe Zusammenhänge unter den Tisch fallen", schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) auf ihrer Webseite. Ich lasse das mal so stehen.

Die Opferrolle

"Bei uns darf man essen was man will, sagen und singen was einem gefällt", schreibt der CSU-Chef weiter auf Instagram und klingt dabei wie ein trotziger Bierzeltbesucher, dem der Schweinsbraten weggenommen und verboten wurde, das sexistische Lied "Layla" zu schmettern und der Kellnerin anzügliches ins Ohr zu flüstern. Auf die Kommafehler dabei will ich jetzt mal nicht weiter eingehen. 

Aber Achtung: In keinem Bundesland ist es verboten, zu essen, zu sagen und zu singen, was einem gefällt – auch nicht in Berlin.

Es ist eine Opferrolle, die Söder hier inszeniert, indem er andeutet, dass ein abstraktes politisches "Berlin" uns armen Bayern bald das Essen, Sprechen und Singen verbieten wird.

Billiges "Die-gegen-uns"-Denken, das wohl dazu führen soll, dass alle Bayern sich hinter ihrem geliebten Ministerpräsidenten vereinen, um gemeinsam gegen die Gefahr aus Berlin zu kämpfen. Das "gute Volk" und die "böse Elite" – eine typische Vereinfachung populistischer Ideologie.

Reichweite

Dass ich nicht die einzige bin, die so denkt, bestätigt ein Blick auf die Kommentarspalte unter dem Posting. Am meisten Zustimmung in Form von Likes haben folgende Antworten auf Söders Statement bekommen:

  • "Ein ganzes Bundesland pauschalisieren? Ich, aus Niederbayern schäme mich für solche Aussagen. Dieses "wir & ihr". Da hab ich nur noch Kopfschütteln übrig. Wir werden hier in Bayern eh schon als rückständig und hinterwäldlerisch dargestellt. Und Sie erfüllen dieses Klischees mit solchen Aussagen. Davon kann man sich nur distanzieren." (917 Likes)
  • "Wie kann man den wokeness - also gegen rassistische, sexistische und soziale Diskriminierung zu sein - ablehnen?!" (609 Likes)
  • "Oh Gott, das ist nicht mein Bayern. Ab und an Rücksicht auf andere zu nehmen kostet nichts, macht das Leben aber für alle schöner. Die Aussage ist einfach reaktionär." (513 Likes)

Um die 800 Mal wurde der Beitrag inzwischen kommentiert – und damit häufiger als jeder andere der vergangenen Monate. Auch will ich nicht unterschlagen, dass er Zustimmung in Form von 13.400 Likes erfahren hat.

Die erwünschte Reichweite hat Medienprofi Söder damit sicher bekommen. Welcher Mittel er sich dafür bedient hat, ist jedoch mehr als bedenklich und lässt im Hinblick auf die bayerische Landtagswahl im Oktober befürchten, dass sich der Ministerpräsident für nichts zu schade ist, um sich und seine Partei erneut an die Spitze zu führen.

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