Man könnte das Rotkehlchen einen Allerweltsvogel nennen. Alleine in Deutschland gibt es schätzungsweise vier Millionen Brutpaare, gefährdet ist die Art hier nicht.

Das unverkennbare Federtier mit der orange-roten Brust fasziniert Mythenerzähler und Forscher gleichermaßen. In einer von Naturschutzbund (Nabu) und bayerischem Landesbund für Vogelschutz (LBV) organisierten öffentlichen Abstimmung wurde das Rotkehlchen zum "Vogel des Jahres" 2021 gekürt.

Das auffällige und leicht zu bestimmende Tier nimmt in Christuslegenden einen prominenten Platz ein. Es soll bei der Kreuzigung von Jesus Christus einen Dorn aus dessen Krone entfernt haben und daraufhin mit einem Blutstropfen des Heilands besprengt worden sein.

In England erzählt man sich, der Vogel habe dem Gekreuzigten Trostlieder gesungen und sei dabei mit dessen Blut gekennzeichnet worden.

Rotkehlchen können bis zu 100 Dezibel laut werden 

Jenseits der Mythen wartet der kleine Singvogel mit erstaunlichen Besonderheiten auf. Beispielsweise gibt es im Federkleid zwischen Weibchen und Männchen keinen Unterschied, während bei anderen Vögeln die farbliche Ausstattung stark geschlechtsabhängig ist.

Außerdem kann das rund 14 Zentimeter große und bis zu 18 Gramm schwere Rotkehlchen einen unfassbaren Krach machen: Um einen Konkurrenten aus seinem Revier zu vertreiben, dreht das Männchen auf bis zu 100 Dezibel auf - damit spielt es in der Liga einer Diskothek oder eines Presslufthammers.

Und es gibt noch mehr Eigenheiten bei diesem Vogel, der sich vor allem von Insekten, Spinnen, Regenwürmern, aber auch Samen und kleinen Früchten ernährt.

So nutzt er die Technik des sogenannten Einemsens: Dabei nimmt das Rotkehlchen lebende Ameisen in den Schnabel und zieht sie sich durch seine Federn. Dieses auch von anderen Vögeln praktizierte Verhalten soll vermutlich der Gefiederpflege dienen, zumal Ameisensäure gegen Krankheiten wirkt.

Das Rotkehlchen besitzt Magnetfeld-Rezeptoren

Das Geheimnisvollste dürfte aber der Orientierungssinn des Rotkehlchens sein. Hier ist der Vogel gleich mit zwei Rezeptoren ausgestattet, die Magnetfelder messen. Der eine befindet sich im rechten Auge, ist vom Licht abhängig und berechnet offenbar den Winkel, unter dem eine magnetische Feldlinie die Erdoberfläche schneidet.

Der andere Rezeptor steckt im nasalen System und reagiert auf Veränderungen im sogenannten magnetischen Fluss. Noch sind wichtige Details dazu ungeklärt - beispielsweise der genaue Sitz des Magnet-Sinnesorgans -, die Biologen staunen allerdings über so viele Sensoren in einem so kleinen Vogel.

Tiere profitieren von naturnahen Gärten

Da die Art in unseren Breiten nicht gefährdet ist, gibt es auch keine speziellen Förderprogramme für das Rotkehlchen. Der bayerische Landesbund für Vogelschutz sieht allerdings mit Sorge allzu "aufgeräumte" Gärten, in denen die Vögel weniger Nahrung und kaum einen Nistplatz finden.

Stefan Bosch vom baden-württembergischen Nabu weist darauf hin, dass von vielen Naturschutzaktionen auch der "Vogel des Jahres" profitiert. Dazu gehören naturnahe Gärten, Biotopvernetzung, eine bessere Waldwirtschaft und die Pflege von Hecken, Gebüschen und Obstwiesen.

Artenfreundliche Gärten nützen vielen Tieren, sagt Bosch - nicht nur dem Rotkehlchen, sondern auch Tagpfauenauge, Admiral, Florfliege, Spitzmaus, Igel und Zwergfledermaus.