Das bayerische Kabinett hat in seiner Sitzung am Dienstag ein Gesamtkonzept zur Erinnerungsarbeit an die Opfer des NS-Regimes beschlossen. Der Freistaat bekenne sich damit zu seiner historischen Verantwortung für Erhalt und Erschließung der Erinnerungsorte an die Verbrechen des Nationalsozialismus, teilte die Staatskanzlei nach der Kabinettssitzung in München mit. Dazu gehörten "Täterorte" wie München als "Hauptstadt der Bewegung" und Nürnberg als "Stadt der Reichsparteitage" sowie Opferorte wie das erste Konzentrationslager in Dachau. Die Landtags-Grünen übten am Konzept deutliche Kritik. Die SPD-Fraktion mahnte an, auch die kleinen Erinnerungsorte in den Blick zu nehmen.

Im Rahmen des Gesamtkonzepts soll die KZ-Gedenkstätte Dachau als zentraler Opferort eine neu gestaltete Ausstellung erhalten. Zudem soll die Gedenkstätte saniert und bislang nicht berücksichtigte Teile des Areals mit einbezogen werden. Dadurch soll ein "europäischer gedenk- und Erinnerungsort" entstehen, an dem die "Gesamtgeschichte der Konzentrationslager in einzigartiger Weise aufgearbeitet und ihrer Opfer gedacht" werde. Auch die KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg soll weiter ausgebaut werden - in Zusammenarbeit mit der Uni Regensburg. Das gilt auch für mehrere KZ-Außenlager wie zum Beispiel Mühldorf.

Konzeptionelle Planungen für Nürnberg

In Nürnberg wird das Konzept des Dokumentationszentrums erneuert, wie die Staatskanzlei weiter mitteilte. Zudem sollen Zeppelintribüne und Zeppelinfeld umfassend saniert werden. Finanziert werde das von der Stadt Nürnberg, dem Freistaat sowie dem Bund. Für das "Memorium Nürnberger Prozesse" sei zudem eine erweiterte Überarbeitung der Dauerausstellung geplant. Nach der Einweihung des Neubaus eines Sitzungssaalgebäudes für die Strafjustiz im März soll der historische Saal 600 vollständig für die Ausstellung genutzt werden. Dort fanden zwischen 1945 und bis 1949 die NS-Kriegsverbrecherprozesse statt.

Die Grünen-Abgeordnete Gabriele Triebel bezeichnete das Konzept als "bloßen Merkzettel ohne klare Zielvorgaben". Man fordere schon seit vier Jahren ein Konzept, "hätten uns aber einen mutigeren Schritt" und auch klarere finanzielle Zusagen gewünscht, sagte Triebel. Zentrale Erinnerungsorte wie die KZ-Gedenkstätte Dachau litten seit Jahren unter einen chronischen Unterfinanzierung. Gebäude auf dem Gelände seien wegen Baufälligkeit teils nicht mehr betretbar, "das Krematorium in seiner Bausubstanz gefährdet". Das Gesamtkonzept sei insgesamt nur vage und vermeide zudem konkrete Zusagen zur Finanzierung.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßte die Pläne. Allerdings gebe es "über ganz Bayern verstreut hunderte kleine Erinnerungsorte, die ebenso Beachtung finden müssen", mahnte die Abgeordnete Margit Wild an.

Gerade bei den Menschen vor Ort sei es wichtig, so die Erinnerung wachzuhalten. Dachau oder Flossenbürg müssten die Menschen bewusst besuchen; die kleinen Erinnerungsorte hingegen - und wenn auch nur in Form einer Gedenktafel oder eines Denkmals - "kommen zu den Menschen", sagte Wild.

Laut Staatsregierung gehört zum neuen Gesamtkonzept auch die Stärkung von Projekten der "internationalen Bildungszusammenarbeit", hieß es. Auf Grundlage des Gesamtkonzeptes soll die Erinnerungsarbeit im Freistaat in den nächsten Jahren schrittweise weiter vorangebracht werden. Das Kultusministerium soll dazu in Abstimmung mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und allen Beteiligten gehen und detaillierte Konzepte ausarbeiten. Heuer jährt sich das Ende der NS-Gewaltherrschaft zum 75. Mal.