Das Ringelblum-Archiv
Es gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und gilt als das wichtigste Archiv zum Holocaust - dennoch ist das Ringelblum-Archiv weitgehend unbekannt. Das will das NS-Dokumentationszentrum in München nun ändern.
Mit einer Sonderausstellung wird der Gruppe unter Leitung von Emanuel Ringelblum gedacht, die sich "Oneg Schabbat" nannte und deren waghalsiger Sammelwut 35.000 Aktenseiten zu verdanken sind. Die internationale Kooperation wurde am Dienstag in Anwesenheit der beteiligten Expertinnen und Experten sowie eines Zeitzeugen eröffnet.
"Die Ausstellung zeigt den Blick der Opfer",
betont Monika Krawczyk, die Direktorin des Jewish Historical Institute in Warschau. Im Moment des Geschehens hätten die eingesperrten Juden das Narrativ nicht abgegeben, sondern ihren Zeitzeugenstatus reklamiert: "Wir erzählen, was sie uns antun."
In 38 Bänden hat ihr Haus sämtliche, zum Teil stark durch Wasser beschädigte, Archivarien publiziert. Mirjam Zadoff vom NS-Dokumentationszentrum nennt die Exponate der Schau "eine Sammlung von allem", darunter Fahrkarten, Schulaufsätze, Bonbonpapiere oder die Anlage von Statistiken.
"Wir wissen nicht, ob wir alles gefunden haben", erläutert Piotr Rypson, der das Ringelblum-Archiv in Polen leitet. Die im Geheimen arbeitenden Akademiker, Schriftsteller und Aktivisten hätten auch Duplikate angefertigt, den Lageplan von Treblinka habe man mehrfach in verschiedenen Behältnissen gefunden. Die enthaltenen Essays, Tagebücher und Alltagsgegenstände gewährten ein
"objektives Bild davon, wie der Alltag im Ghetto wirklich war".
Inhalt der Sonderausstellung
Mit einem Filmausschnitt beginnt die Schau, er zeigt Kinder, die Rhabarber schmuggeln. Dann sind 36 der geschätzt 60 Untergrundarchivare zu sehen, von denen nur drei die Shoa überlebten. Die Natur des Archivs ändert sich mit dem Beginn der Deportationen ab Juli 1942, was auch in der Ausstellung Ausdruck findet.
Der dritte und letzte Teil widmet sich dem Fund und der Aufarbeitung der Dokumente. In den Vitrinen liegen die wertvollen Originale, darunter auch eine der Blechkisten, die neben Milchkannen als Versteck dienten und dezentral versteckt wurden.
Dem Vorwurf, man höre den Opfern nicht zu, stellte sich Kuratorin Ulla-Britta Vollhardt. Sie schuf die Möglichkeit "sich in den Rhythmus einzufühlen". An den Hörstationen können Besucherinnen und Besucher zeitgenössischen Texten lauschen, die von Ensemblemitgliedern der Münchner Kammerspiele eingesprochen wurden.
Auf die Frage eines Journalisten an den Zeitzeugen Marian Turski, was die jungen Besucher aus dieser Schau lernen können oder sollten, antwortet er:
"Ein Verständnis für die Hölle der Schoa - und, dass Selbsthilfe und Solidarität ein Weg sind, nicht nur jener zu entkommen, sondern Strategien der Stunde sind."
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