Eine große Mehrheit der Menschen findet einer Umfrage zufolge, dass Reiche mehr von ihrem Vermögen abgeben müssten. Die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh verwies am Samstag auf eine repräsentative Umfrage zum Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland. Die Ergebnisse zeigten einerseits, dass der Wunsch nach einem Ausgleich groß ist. So seien 75 Prozent der Befragten für die Verringerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich. Andererseits seien aber nur 37 Prozent bereit, dafür selbst höhere Steuern zu zahlen. Wer weniger verdient, ist den Angaben zufolge eher bereit, etwas abzugeben, als jene, die über mehr Geld verfügen.
Die empfundene Verteilungsungerechtigkeit habe ihre Ursache aus Sicht vieler Befragter unter anderem in einer nicht leistungsgerechten Entlohnung, lautet ein weiterer Befund der Umfrage. Nur knapp 24 Prozent der Befragten stimmten der Aussage "Man wird in Deutschland entsprechend seiner Leistung vergütet" zu.
Nur 17 Prozent der Befragten glauben, es gebe Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland.
Lediglich 27 Prozent sagen, es gehe zwischen den Generationen gerecht zu. Etwas höher ist der Anteil derjenigen, die davon überzeugt sind, das eigene Vermögen (34 Prozent) und das eigene Einkommen (35 Prozent) seien gerecht, wie die Stiftung erklärte. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen: Menschen mit höherem Einkommen und höherer formaler Bildung, Männer sowie Bildungsaufsteiger empfinden die Gesellschaft als deutlich gerechter als Menschen mit niedrigerem Einkommen und Bildungsstand sowie Frauen.
Für die Politik seien die Befunde beunruhigend, korreliere doch das Vertrauen in Politik und staatliche Institutionen mit der empfundenen Gerechtigkeit, erklärte Kai Unzicker, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung.
Nehme die gefühlte Ungerechtigkeit weiter zu, drohe der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter zu schwinden.
Ein ähnliches Paradoxon zeige sich beim Blick auf die Wahrnehmung der Gerechtigkeit zwischen den Generationen, hieß es. Zwar gehe mehr als die Hälfte der Befragten davon aus, dass die Jüngeren Wohlstandseinbußen im Vergleich zu ihren Eltern erfahren werden. Unterschiedliche Anpassungen im Rentensystem oder beim Wahlrecht zugunsten der jüngeren Generationen oder dem Verzicht auf neue Schulden befürworten aber jeweils weniger als 20 Prozent der Befragten.
Die Befragung zeigt zudem, dass 62 Prozent davon ausgehen, dass Reichtum in Deutschland vom Glück beziehungsweise dem Elternhaus abhängt. Als gerecht und fair wird es dagegen erlebt, wenn Menschen in der Lage sind, ihr Leben selbst zu gestalten. Die Rolle des Staates wird eher darin gesehen, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Eine große Mehrheit der Befragten unterstütze dabei die beiden zentralen Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft: das Leistungsprinzip (85 Prozent), demzufolge es gerecht ist, wenn jene mehr erhalten, die mehr leisten, und das Bedarfsprinzip (95 Prozent), wonach Gerechtigkeit sich auch darin ausdrückt, wenn eine Gesellschaft sich um Schwache und Hilfsbedürftige kümmert.
Für die Erhebung des ifo-Instituts wurden den Angaben nach 4.900 Menschen im Alter von 18 bis 69 Jahren in Deutschland online befragt.