Dass Julia Harms Basketball spielt, "das war ein absoluter Zufall", sagt die 42-Jährige, die so viel lacht im Gespräch, dass man als Gegenüber einfach gute Laune bekommen muss! "Meine Eltern haben gar keinen Sport gemacht, aber als bei uns in der Nähe ein Kinderteam aufgemacht wurde, wurden meine Schwester und ich dahin geschickt". Und das sogar mit Hol- und Bringservice durch den damaligen Trainer.

Damals hatte Julia noch keinen besonderen sportlichen Ehrgeiz, der kam mit der Zeit. Vier Mal die Woche trainiert sie als Jugendliche in Nordrhein-Westfalen in der Nähe von Bonn, wird gefördert, darf in drei Altersklassen mitspielen – auch die Wochenenden sind voll gepackt mit Basketballspielen. Erstaunlich: Auch die Schule kriegt sie noch hin: "Ich hab‘ immer megaschnell geduscht nach den Spielen und hab dann Lateinvokabeln gelernt. Meine älteren Mitspielerinnen fanden das total befremdlich", erzählt Julia Harms lachend. 

"Mädchen- und Frauenteams scheinen immer weniger wichtig zu sein."

Als 17-Jährige wird sie selbst Coach und merkt schon da, wie viel Spaß ihr das macht, anderen Basketball beizubringen und Kids als Persönlichkeiten zu stärken. Eine Erfahrung machen Julia Harms und ihre Basketballkolleginnen immer wieder: "Mädchen- und Frauenteams scheinen weniger wichtig zu sein als Männer- und Jungsteams - wenn’s um Trainingszeiten geht, um Ausstattung, wenn’s um Fahrten geht, um Trainer. "Ich hab‘ zum Beispiel lange in Gotha in Thüringen gespielt. Da gab es hochklassig Damen- und Herrenteams. Aber als die Herren immer weiter aufgestiegen sind, wurde das Damenteam tatsächlich gekillt und alle Kapazitäten in die Herrenmannschaft gesteckt."

Artio - Sport für Mädchen und andere coole Menschen

2021 tut sich Julia mit anderen Frauen zusammen, mit der Idee einen eigenen Sportverein für Mädchen zu gründen. Artio – Sport für Mädchen und andere coole Menschen – so nennen sie ihren Verein. Artio ist eine gallische Jagd- und Bärengöttin, also eine starke Frauenfigur. Was ist einem Mädchenverein anders als in einem gemischtgeschlechtlichen, möchte ich wissen. Julia sagt:

"Mädchen untereinander sind dann keine Gruppe mehr, nicht mehr 'die Mädchen'! Sie trauen sich plötzlich, sich den Ball zu krallen und den unter keinen Umständen her zu geben. Jede kann ihre eigene Rolle finden, weil es ohne Jungs eine riesengroße Varianz gibt an Rollen, wie ich als Mädchen sein kann." 

Julia Harms ist 2023 vom Freistaat Bayern als "Starke Frau" ausgezeichnet worden.

Viele Mädchen kämen laut Julia gar nicht auf die Idee, einen Teamsport auszuprobieren. Wenn man ihnen den Sport zeigt, seien viele sofort Feuer und Flamme. Artio macht Basketball-Schnupper-Trainings. An zwei Nürnberger Schulen bieten sie einen Wahlkurs Baskettball an - an der evangelischen Wilhelm-Löhe-Schule und an der katholischen Mädchenschule Maria-Ward. Und in den Oster- und Herbstferien veranstaltet Artio einwöchige Camps. Die Trainerinnen sind weibliche Sportvorbilder.

Fünf feste Trainerinnen hat Artio, einige Frauen helfen noch aus oder unterstützen bei den Feriencamps. Zum Glück helfen auch Eltern immer wieder bei der Vereinsorganisation, neulich hat eine Mutter eine Vereinssoftware für die Mitgliedverwaltung recherchiert. "Ganz viele Leute helfen uns, weil wir vorgelebt haben, dass wir Jobs aufteilen und dass man auch Fehler machen darf. Das ist so toll zu sehen", schwärmt Julia. Unterstützen kann man den Verein auch finanziell, zum Beispiel bei der Trikotwerbung.

Was sie sich für ihre beiden Töchter wünscht, die auch bei Artio Basketball spielen, frage ich zum Schluss. Julia antwortet: "Sie sollen das machen können, was sie möchten!  Und ich wünsche mir, dass sie nicht immer beurteilt werden bei allem, was sie tun. Den Mut haben wir ihnen mitgegeben." 

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