Das Experiment: Ein Jahr so leben, als sei es das letzte

 Ein Jahr lang haben zehn Menschen aus ganz Deutschland ein "einzigartiges Experiment" gemacht: So leben, als sei dieses Jahr ihr letztes. Alle zwei Monate haben sie sich online per Zoom zusammengeschaltet, geredet, kleine Meditationen gemacht, über Texte und Gedichte nachgedacht. Zwischendurch erhielten sie per Mail Briefe mit Gedanken und Aufgaben, tauschten sich mit Gesprächspartnern aus, schrieben ihre Autobiografie. Alles mit dem Ziel, dem eigenen Tod gedanklich näherzukommen.

Geht das? Kann man so leben, als habe man nur noch ein Jahr? Soviel voraus: Allen war bewusst, dass es sich um ein Gedankenexperiment handelt. Welche Gefühle und Gedanken sich in der wirklichen, existenziellen Konfrontation mit dem nahen Tod einstellen, weiß niemand von sich. 

Was bewirkt die Vorbereitung auf den Tod?

Sich auf den eigenen Tod vorzubereiten, bereichert nach den Worten der Mannheimer Psychologin Corina Aguilar-Raab das Leben: "Die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit kann dem Leben eine besondere Qualität geben", sagte die Psychologische Psychotherapeutin an der Universität Mannheim dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wenn ich mich mit der Frage befasse, was im Hier und Jetzt für mich wichtig ist, meine Zeit nicht vergeude und meine Ziele und Werte kläre - wenn ich all das in mein Leben nehme, hat das etwas mit Vorbereitung auf das Sterben zu tun."

Es gehe dabei darum, "innere Werkzeuge" zu entwickeln, erklärte die Psychologin. Eine Möglichkeit seien Achtsamkeitsübungen, die es leichter machten, das Unausweichliche zu akzeptieren. Aguilar-Raab nannte als Beispiel: sich in kleinen Momenten klarmachen, dass der Tod eines Tages kommen werde, und dieses als "tägliche Praxis" zu übernehmen.

Das unlösbare Thema Tod

Der Gedanke an den Tod sei schwer zu akzeptieren.

"Dabei ist oft ein Glaube hilfreich, egal, wie er inhaltlich ausgestaltet ist: dass Dinge einen Sinn ergeben, selbst wenn sich dieser mir nicht sofort erschließt", erklärte die Professorin für Klinische Psychologie.

Gerade für "lebenskompetente" Menschen, die Dinge pragmatisch lösten, sei der Umgang mit dem Tod manchmal besonders schwierig: "Denn der Tod ist nicht lösbar."

Chance: Ziele und Werte im Leben definieren 

Es gehe daher auch darum, bestimmte Lebenskonzepte aufzugeben. Fragen von Status, Ruf oder Geld spielten am Lebensende keine Rolle mehr.

Zum Umgang mit dem Tod gehöre auch, sich mit den eigenen Schattenseiten zu beschäftigen, ergänzte die Psychologin. Die eigene Begrenztheit anzuerkennen, "wohlwollend und milde" mit eigenen Fehlern umzugehen - das sei eine gute Vorbereitung auf den Tod, sagte Aguilar-Raab.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden