Zu wenig Geld, Personal und schlechte Strukturen: Nach Ansicht des Sozial-Experten Thomas Klie krankt und mangelt die Pflege. Wie und von wem Kranke künftig gepflegt würden, sei völlig offen, schreibt der evangelische Theologe und Jurist in seinem Buch "Pflegenotstand? Eine Streitschrift", das jetzt im Hirzel-Verlag (Stuttgart) erschienen ist.

Pflege als gesellschaftliche Aufgabe

Bislang werde die Lebenswirklichkeit von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen zu wenig gesehen. Die Vorstellung, dass die Pflege vulnerabler Personen allein in der Verantwortung einer Person, eines Dienstes oder einer Einrichtung liege, trage nicht, kritisiert Klie:

"Die Pflege ist kein privates, sondern ein öffentliches Thema."

Der Leiter des Freiburger Forschungsinstituts AGP Sozialforschung sowie des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung sieht die Pflege als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei würden professionelle Pflege und solidarische Sorge nicht mehr als Gegensatz, sondern zusammen gedacht. Klie ist überzeugt, dass Pflege in Zukunft nur noch dann funktioniert, wenn alle ihren Teil dazu beitragen - in Freundschaften genauso wie in Nachbarschaften oder Vereinen.

Gegen das Verdrängen

Eines der Hauptprobleme ist dem Experten zufolge die Tabuisierung des Themas. Gegen das Verdrängen empfiehlt Klie Bildungseinrichtungen, wie Volkshochschulen oder kirchlichen Bildungswerken, sich mit Care-Themen zu befassen. Schließlich sei in Deutschland die Bereitschaft, für andere Sorge zu tragen und sich verantwortlich zu fühlen, kulturell tief und breit verankert.

Voraussetzung für eine gute Sorge und Pflege seien verträgliche Bedingungen. Für die Sicherung der Pflege müsse die Politik mit gesundheits- und sozialpolitischen Ansätzen Verantwortung übernehmen. Kommunen müssten Pflege als Aufgabe der Daseinsvorsorge begreifen, für die die örtliche Bürgerschaft eine Mitverantwortung habe. Der Sozial-Experte regt die Bildung von Pflegegenossenschaften an.

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