Zwei Töne von Sommerhimmelblau und ein sanftes Ockergelb: Drei Farbstreifen auf Höhe der Empore lassen erahnen, wie die Synagoge in der Reichenbachstraße bei ihrer Errichtung 1931 ausgesehen haben muss. Noch befindet sich Münchens ältestes erhaltenes jüdisches Gotteshaus im Rohbau: unverputzte Ziegelmauern, Fensterhöhlen ohne Glas, Gerüste unter der gläsernen Decke, die nackte Betonplatte, die den Boden des Betsaals bildet.

Aber die Computersimulation der ursprünglichen "Farbmagie", in der Architekt Gustav Meyerstein seine Bauhaus-Synagoge mittels geschickter Lichtführung erleuchten ließ, hat Rachel Salamander die letzten Jahre bei der Stange gehalten. Die Vorfreude darauf habe sie "mit vielen schlaflosen Nächten versöhnt", sagte die Publizistin beim Richtfest am Donnerstag.

Zusammen mit Ron Jakubowicz hatte Salamander 2013 den Verein "Synagoge Reichenbachstraße e.V." zur Rettung des Gebäudes gegründet, das bei der Reichspogromnacht 1938 verwüstet und bis 1945 als Werkstatt und Lagerhalle zweckentfremdet wurde. Rettung war nötig, denn seit der Einweihung der Hauptsynagoge "Ohel Jakob" im Jahr 2006 verfiel das kunsthistorisch bedeutsame Gebäude im Gärtnerplatzviertel, das seit 1947 Heimat der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) gewesen war. Der Verein gewann die Stadt München, den Freistaat Bayern und den Bund als Förderer, die sich die 12,6 Millionen Euro Baukosten teilen. Zehn Prozent muss der Verein mit Hilfe von Spenden aus Eigenmitteln aufbringen.

Synagoge sei Beweis für festen Platz der jüdischen Gemeinde

Zahlreiche Politiker waren beim Richtfest zu Gast, bei dem der Verein eine Lichtinstallation für das Foyer der Synagoge präsentierte. Der Chef der bayerischen Staatskanzlei Florian Herrmann (CSU) erklärte in seinem Grußwort, die Restaurierung der Synagoge sei

"der Beweis für den festen Platz, den die jüdische Gemeinde in München hat".

Münchens Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) dankte dem Verein für die "großartige, unermüdliche Arbeit", durch die "für uns alle ein Stück Münchner Geschichte wieder erlebbar" werde.

Für viele Gäste aus der jüdischen Gemeinde war das Richtfest auch ein Déjà-vu:

"Ich weiß noch genau, wo meine Mutter saß und wo mein Bruder seine Bar-Mizwa feierte",

sagt Ellen Presser am Rande der Veranstaltung und schaut sich mit einem Lächeln in dem kahlen Raum um. Die Synagoge in der Reichenbachstraße war "die Glaubensheimat meiner Kindheit", erklärt die Leiterin der IKG-Kulturarbeit. Presser kennt nur die 1947 mit wenig Geld notdürftig instand gesetzte Synagoge. Wie das Gotteshaus nach Meyersteins Idee wirklich aussah, darauf ist auch sie gespannt.

Eröffnung bahnt sich für das nächste Jahr an

Lange müssen Presser und andere Neugierige nicht mehr warten: Nachdem mit Dach, Fundament und Gebäudetechnik drei Meilensteine der Sanierung vollendet seien, gehe es jetzt zügig mit den Innenarbeiten weiter, erklärte Rachel Salamander im epd-Gespräch. Bald sollen die nach alten Dokumenten rekonstruierten Glasfenster eingesetzt werden. Wenn die Mauern verputzt sind, folgt der Farbanstrich. Im Laufe des nächsten Jahres soll die einzige erhaltene Vorkriegssynagoge Münchens dann wieder im ursprünglichen Zustand eröffnet werden - schlicht und sachlich, aber magisch im je nach Lichteinfall wechselnden Farbspiel aus Türkisblau, Cremeweiß und Ockergelb.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden