"Es kann nicht zufällig sein, dass in den letzten zehn Jahren bei zehn Besetzungen immer Männer gewählt wurden"
Sie haben sich in einem Video auf Instagram kritisch zum Berufungsverfahren bei der Nachbesetzung der Stelle der oberfränkischen Regionalbischöfin Dorothea Greiner geäußert. Worauf bezieht sich Ihre Kritik?
Nina Lubomierski: Mir geht es nicht um eine einzelne Besetzung oder darum, jemanden namentlich zu nennen, sondern um die Struktur. Stellen Sie sich vor, wir hätten einen Würfel, der immer nur die Zahlen eins oder zwei zeigt. Wenn man zehnmal hintereinander würfelt und jedes Mal die Zahl eins erhält, würde man doch annehmen, dass mit dem Würfel etwas nicht stimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies zufällig passiert, liegt bei weniger als 0,1 Prozent. Das ist auch meine Kritik: Es kann nicht zufällig sein, dass in den letzten zehn Jahren bei zehn Besetzungen immer Männer gewählt wurden. Wir müssen uns fragen, ob es Strukturen in der Kirche gibt, die Männer begünstigen.
Welche Strukturen könnten das sein?
Meine Forderung wäre, dass wir Teilzeit- und Job-Sharing-Angebote brauchen. Außerdem sollte immer eine Diversity- oder Gleichstellungsbeauftragte in Berufungsverfahren beteiligt sein. Wir benötigen transparente Berufungsverfahren. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob sich wirklich keine Frau beworben hat, weil die Verfahren nicht transparent sind. Wir wissen nicht, wer sich beworben hat und wie die Auswahl getroffen wurde. Letztlich werden wir eine Quote brauchen, wenn wir wirklich Frauen in Leitungspositionen der Kirche sehen wollen.
"Halten wir Frauen in dieser Kirche klein, sodass sie nicht die Qualifikationen erreichen, die sie benötigen?"
Das Standard-Argument gegen Quoten lautet immer: Es soll nur die Qualität entscheiden.
Aber da müssen wir wieder an den Würfel denken. Es ist unwahrscheinlich, dass in den letzten zehn Fällen immer nur die Männer besser waren. Und wenn dem wirklich so wäre, müssten wir uns fragen, wie wir Frauen ausbilden und was wir tun können, um Frauen zu fördern. Halten wir Frauen in dieser Kirche klein, sodass sie nicht die Qualifikationen erreichen, die sie benötigen?
Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema?
Ich möchte das sehr ungern auf mich beziehen. Es geht mir nicht um Personen, sondern um Strukturen. Die Fakten sprechen für sich: Der Frauenanteil ist sowohl unter den Dekanen als auch besonders unter denen, die zusätzlich eine Verwaltungsstelle oder einen Kirchengemeinderat leiten, sehr niedrig. Das würde man nicht erwarten, vor allem weil wir uns als Kirche immer darauf berufen, dass wir Gleichberechtigung und Chancengleichheit fördern und für Vielfalt einstehen. Aber die Zahlen zeigen einfach etwas anderes.
Ende Februar hat sich eine Gruppe von kirchlichen Mitarbeiterinnen für mehr Gleichberechtigung in der Kirchenleitung eingesetzt. Hat das aus Ihrer Sicht einen Bewusstseinswandel eingeläutet?
Nun ja, wir hatten gehofft, dass sich dieser Bewusstseinswandel in der nächsten Besetzung manifestiert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass nach dieser mutigen Aktion – was man in unserer Kirche leider immer wieder betonen muss – die Stelle einer Regionalbischöfin erneut mit einem Mann besetzt wird. Daher kann ich sagen, es scheint keinen Bewusstseinswandel hervorgerufen zu haben.
"Mich haben zahlreiche Zuschriften von jungen Frauen, Pfarrerinnen oder Studentinnen erreicht, die sich fragen, ob sie in dieser Kirche richtig sind"
Ihr Video wurde auf sozialen Netzwerken viel verbreitet. Denken Sie, Sie haben mit Ihrer Kritik einen Nerv getroffen?
Wir sprechen oft darüber, dass wir in der Kirche einen enormen Nachwuchsmangel haben. Mich haben zahlreiche Zuschriften von jungen Frauen, Pfarrerinnen oder Studentinnen erreicht, die sich fragen, ob sie in dieser Kirche richtig sind. Der bayerischen Landeskirche muss klar sein, dass sie mit diesem Kurs den Nachwuchsmangel nicht bekämpft, sondern noch verstärken wird.
Ich möchte betonen, dass ich nur versucht habe, die Fakten zu nennen: Seit zehn Jahren und bei zehn Berufungen wurden immer Männer gewählt. Es wurde jedes Mal gesagt, dass die Männer die besseren Kandidaten waren. Deswegen vermute ich, dass sich keine Frau beworben hat und dass der Grund dafür eine große Frustration ist. Die letzten beiden Punkte sind Vermutungen, aber die vorherigen sind Fakten. Mir wird seit dem Post zurückgespiegelt, wie mutig es sei, diese Fakten auszusprechen. Es erfordert Mut, in unserer Kirche diese Fakten zu benennen, und das ist für mich auch Teil des Problems.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden
Diese Diskussion ärgert mich…
Diese Diskussion ärgert mich zunehmend. Wir haben freie Wahlen, freie Gremien und grundsätzlich gleichberechtigte Arbeitsmöglichkeiten in unserer Kirche. Dass nicht überall Frauen in Führungspositionen sind, hat wohl auch etwas damit zu tun, dass nicht alle Frauen dahin streben und solche Positionen einnehmen wollen. Andrerseits haben wir freie mit Männern und Frauen besetzte Wahlgremien. Es könnte auch sein, dass eine Mehrheit sich für einen männlichen Bewerber entscheidet, nicht unbedingt, weil er ein männliches Geschlecht hat, sondern bestimmte Voraussetzungen, die erwünscht sind.
Der Ruf nach "strukturellen Veränderungen" kommt mir so vor wie der Anspruch: "Einfach so freie Wahlen - das dürfen wir nicht mehr zulassen! Da werden ja dann zu wenige Frauen gewählt!"
Diese Diskussion beginnt, das Arbeitsklima in unserer Kirche zu belasten. Hier wird ein Wettbewerb ausgerufen und ständig unterstellt, dass Frauen nicht zum Zuge kämen ... Potentiell sind dann auf jeden Fall die "Männer" die "schlechteren", weil sie ja immer noch dazu beitragen, dass die Frauen benachteiligt werden und ihnen die Plätze wegnehmen. - Ich sehe es als Anfechtung, in solchen Wettbewerb einzusteigen ...