Pfarrerin Elke Rudloff kennt das Sprechtempo von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm genau. Es wird in Zeichen pro Sekunde gemessen. Und da die Senderbeauftragte für ZDF-Gottesdienste im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik seit wenigen Tagen seine Predigt zum an Heiligabend, 24. Dezember, um 22.30 Uhr im "Zweiten" ausgestrahlten Gottesdienst besitzt, kann sie auch berechnen, wie viel Zeit sie für den Landesbischof in den 45 Minuten einplanen muss, die bereits am 22. Dezember in der Weißenburger Andreaskirche aufgezeichnet werden. Für die Pfarrerin der vorletzte Einsatz, da sie zum Jahreswechsel ihr Amt an die Nürnberger Pfarrerin Simone Hahn weitergibt. Und für die Weißenburger ein spannendes Ereignis, das minutiös geplant wird und so seine Tücken hat.
Anfang Dezember besuchte Elke Rudloff bereits zum achten Mal die mittelfränkische Kleinstadt. Bereits im Frühjahr 2017 hatte sie Dekanin Ingrid Gottwald-Weber die "frohe Botschaft" überbracht, dass die spätgotische Stadtpfarrkirche St. Andreas zum Schauplatz des erfahrungsgemäß zuschauerreichsten der Fernsehgottesdienste werden soll: Zwischen drei und vier Millionen Menschen schalten in der Regel ein. Die Weißenburger waren gleich mit im Boot. "Ich empfinde es als ein riesiges Geschenk", ist die Dekanin begeistert.
Das Motto: "Beim Gotteskind zuhause"
Vielleicht, weil auch das Thema stimmig ist: "Beim Gotteskind zuhause" lautet das Motto. Es geht um Heimat, Geborgenheit, sich zu Hause fühlen. Davon berichten eine Seniorin, die nach dem Krieg aus ihrer osteuropäischen Heimat nach Weißenburg geflüchtet ist, eine andere Frau kam aus der ehemaligen DDR hierher. Ein Iraner, der sich mittlerweile hat taufen lassen, erzählt seine Fluchtgeschichte und wie er in Weißenburg gut aufgenommen wurde. "Auch die Texte können Heimat bedeuten", ergänzt Pfarrer Alexander Reichelt, der den Gottesdienst ebenfalls mitgestaltet.
Natürlich gehört die Musik mit dazu. Kantor Michael Haag improvisiert seine Choralvorspiele in der Regel frei, diesmal hat er sie aber aufgeschrieben und mit der Stoppuhr abgestimmt. Auch er wird, wie auch die Geistlichen, einen Knopf im Ohr tragen, über den möglicherweise dezente Regieanweisungen kommen, dass aus Zeitgründen eine Liedstrophe weggelassen werden muss.
Monika Hümmer und ihr Gospelchor liefern einen schwungvollen Kontrast. Sie werden auf einer Seitenempore Platz nehmen, die von den Kameraleuten als idealer Platz auserkoren wurde. "Nicht jede Kirche ist geeignet", meint Rudloff. Für längere Kamerafahrten brauche man einen breiten Mittelgang. Die Übertragungswagen müssten zudem wenigstens 100 Meter neben dem Gotteshaus parken können, damit die Kabelweite reicht.
Wie viele Fernsehzuschauer sich für den Heiligabend-Gottesdienst interessieren, hänge auch davon ab, was vorher im Abendprogramm gezeigt wird. "Nach einem rührseligen Spielfilm haben viele schon weitergezappt, nach einer Musikshow bleiben die Leute eher am Apparat", erklärt Rudloff, die jetzt in die Ausbildung von Prädikanten in der westfälischen Landeskirche wechselt. Rudloff kennt "ihre" Zuschauer genau: Die eine Gruppe schaltet bewusst ein, bei der anderen läuft die Kiste sowieso.
Ehrenamtliche am Telefon
Die meisten ZDF-Fernsehgottesdienste werden live gesendet, der an Heiligabend aber aufgezeichnet. Wenn die Glocken dann im TV gegen 23.15 Uhr zum Auszug läuten, sitzen an ihren heimischen Telefonen noch die rund 25 Ehrenamtlichen der Gemeinde am "Zuschauertelefon". Bei einer Extra-Schulung erklärt Rudloff den Freiwilligen, dass die meisten Anrufer ein freundliches Feedback zum Gottesdienst geben oder einen Sendemitschnitt bestellen möchten und sich für die Kirche und deren Kunstwerke interessieren. "Einen Kirchenführer sollten Sie immer neben sich liegen haben", erklärt sie.
Auf den ausgeteilten Formularen werden Gesprächsnotizen festgehalten, die später ausgewertet werden können. Probleme der Anrufer wälzen oder lösen sollen die Telefonisten nicht. Wenn ein Gespräch zu persönlich wird, sitzen professionelle Seelsorger ebenfalls mit in der Leitung, an die verwiesen wird.
Millionengrenze bei den TV-Gottesdiensten wird meist geknackt
Die Zuschauerzahlen bei einem "gewöhnlichen" TV-Gottesdienst bewegen sich zwischen 700.000 und 800.000. "Zum Vergleich: So viele Menschen besuchen in etwa sonntags evangelische Kirchen in Deutschland", sagt Rudloff. Nicht zu vergessen: Auch Fernsehzuschauer aus Österreich und der Schweiz schalten ein, sodass die Millionengrenze bei den TV-Gottesdiensten in der Regel geknackt wird.
Die Sendung kann man dann noch einige Wochen lang in der Mediathek sehen. Geklickt oder geladen werden auch die Texte und die Predigt, die im Gottesdienst verlesen wird.