Der Beauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für den Kampf gegen Antisemitismus, Christian Staffa, hat sich zur Entscheidung der Stadtkirchengemeinde Wittenberg geäußert, eine antisemitische Plastik – die sog. "Judensau" – entgegen der Empfehlung eines Expertengremiums, dem er selbst angehörte, an der Fassade der Stadtkirche zu belassen.

Protestantismus lutherischer Prägung "an Antisemitismus gebunden"

Im Gespräch mit dem Magazin "Die Eule" plädiert er für eine intensive Auseinandersetzung mit antisemitischen Bildprogrammen, weil "der Protestantismus in der lutherischen Prägung so manifest gebunden an Antisemitismus" ist,

"dass wir nicht drumherum kommen, uns damit permanent zu beschäftigen".

Staffa plädiert für eine Projektion an der Fassade, die das bestehende Mahnmal-Ensemble erweitert: "Die Frage, wie ein angemessener Umgang mit der Plastik an der Fassade aussehen kann, ist eine experimentelle Frage. Wir müssen dazu auch in die Kirche schauen mit ihrem "Reformationsaltar" von Lucas Cranach dem Älteren. Am gesamten so oft haarsträubend antijüdischem Bildprogramm müssen wir uns abarbeiten."

"Obszön und gotteslästerlich"

Emotional sei eigentlich klar, dass die Schmähplastik – Staffa nennt sie "Kirchensau" – weg müsse. Intellektuell müsse man sich aber mit diesen Abgründen bildhaft beschäftigen:

"Da die Darstellung aber so obszön und gotteslästerlich ist, habe ich schon immer für eine Verhüllung plädiert."

Der Expertenbeirat, dem Staffa angehörte, sei jedoch mehrheitlich anderer Meinung gewesen. Dessen Empfehlung, die Plastik abzunehmen, habe Staffa aber zugestimmt, weil er die Entscheidung "Abnehmen oder nicht?" nicht als Bekenntnisfall sehe:

"Wichtig aber erscheint mir die Frage, wie wir mit diesem antisemitischen Abgrund politisch, theologisch und pädagogisch umgehen."

Das sei mit einer Entscheidung für oder gegen das Abnehmen nicht ausreichend geklärt. Gotteslästerlich sei die Plastik wegen ihres Namens ("Rabini Schem HaMphoras"), erklärte Staffa. Das sei eine antijüdische Umdrehung weiter, die bei anderen antisemitischen Darstellungen an und in Kirchen nicht bestehe. Die Verunglimpfung des Gottesnamens mache die Plastik "tatsächlich einfach gotteslästerlich". 

Verbindung zum Kirchlichen muss bleiben

Staffa erklärte weiter, er sei gegen eine Verlegung der Plastik in ein Museum. Die Verbindung zum Kirchlichen müsse bleiben, sonst stehle man sich aus der Verantwortung.

"Die Sau ist Teil unserer Geschichte und wir werden diesen Teil nicht los, wenn wir sie in eine säkulare Ecke stellen."

Der Wittenberger Gemeindekirchenrat hatte vergangenen Mittwoch nach jahrelangem Streit bekannt gegeben, dass die judenfeindliche Schmähplastik nicht entfernt wird. Ein von der Gemeinde 2020 eingesetzter Expertenbeirat hatte im Juli 2022 empfohlen, die Schmähskulptur von der Fassade zu entfernen und in unmittelbarer Nähe kommentiert auszustellen.