Der Nürnberger Kirchentag wolle eine "Zeitendeutung" versuchen und "Hoffnungsträger" sein, hat Kirchentagspräsident Thomas de Maizière bei der Vorstellung des Programms zum größten deutschen Christentreffen bekundet. Auf den großen Nürnberger Hauptpodien des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags soll unter anderem über die Klimakrise, Vielfalt, Rassismus, Genderfragen, Demokratie, Generationengerechtigkeit, Soziales, Internationale Sicherheitspolitik und Waffenlieferungen debattiert werden.

Viele Programmpunkte gibt es auch in Nürnbergs Nachbarstadt Fürth, in denen es hauptsächlich um die Zukunft von Kirche und Glaube gehen soll.

Warum heute Christ werden, sein, bleiben?

Der Kirchentag soll nach eigenem Bekunden eine Art "gemeinsames Lagerfeuer" werden. Aber was macht eigentlich das Feuer des christlichen Glaubens aus? Wie werde ich Christ? Warum heute Christ werden, sein, bleiben? Der Nürnberger Kirchentag findet in einer Zeit statt, die von einem dramatischen Ansehens- und Relevanzverlust der Kirchen geprägt ist.

Dramatisch daran ist, dass heute nicht mehr Menschen aus der Kirche austreten, die sich aus Gründen an ihr reiben, sondern, dass immer mehr Menschen in den reichen Industrienationen die Kirche schlicht egal ist. Doch Kirchenaustritte seien halt nicht das Thema des Kirchentags, beschied de Maizière, darum sollten sich bitte die Synoden in den Landeskirchen kümmern. Wie bitte?

Ein "unpolitisches" Christsein gibt es nicht, aber ...

Kirche ist die Gemeinschaft der Getauften. Gewissermaßen ein Gründungsartikel der Kirche ist der Taufbefehl Jesu in Matthäus 28 (18-20). Was kommt zuerst? Die Taufe oder die Lehre? Diese Frage ist in der Christenheit umstritten.

Doch wie immer man sie beantwortet: Es ist die "Christusbegeisterung" – in welcher Gestalt auch immer –, die das Herz der christlichen Existenz bildet. Aus dem existenziellen Grund des "Christseins und -werdens" erwächst alles Weitere: das, was man das "Soziale", "Gesellschaftliche", "Politische" nennen könnte.

Die sieben Werke der Barmherzigkeit (Matthäus 25, 34-46) sind Auftrag für jeden Christen: Kranke pflegen, Armen helfen, Geflüchtete aus Seenot retten, Gefangene besuchen, den Mund aufmachen für die Stummen und die Sache aller, die verlassen sind (Sprüche 31, 8), Gottes Schöpfung bewahren. Kurz: Ein "unpolitisches" Christsein gibt es nicht.

Eine "Zeitendeutung" zum Zustand der evangelischen Kirche

Doch zu all diesem Handeln kann man ebenso gut aus anderen Gründen kommen als aus dem Christsein heraus. Auch aus humanistischen Gründen beispielsweise und als atheistischer Verächter des Christusglaubens.

Und niemand wird Christ, weil Christen politisch handeln, wenn die Christen nicht darüber sprechen, warum sie Christen sind.

Was ist das Erste und was das Zweite des Christseins? Eine "Zeitendeutung" zum Zustand der evangelischen Kirche ist bereits aus der räumlichen Planung des Kirchentagsprogramms möglich. Was steht im Mittelpunkt? Und was am Rand?

Ohne die aus guten Gründen selbstbewussten Fürther kränken zu wollen: Könnte es sein, dass unserer evangelischen Kirche der Gegenwart da etwas verrutscht ist? Eine leidenschaftliche Debatte der Christusbegeisterten darüber – jetzt wäre die Zeit!

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kjd@online.de am So, 02.04.2023 - 15:50 Link

"Was bedeutet es, dass das "Zentrum Zukunft Glaube und Kirche" beim Nürnberger Kirchentag nicht in dessen Zentrum angesiedelt ist, sondern in Fürth?"

Ich bin im Kirchenvorstand einer kleinen Kirchengemeinde in der EKHN. Dort beschäftigen wir uns mit neuen Organisationsformen um den kleiner werdenden Gemeinden eine Zukunft zu geben. Die Landessynode hat hier den Weg gewählt die Strukturen an die geringeren Mitgliederzahlen anzupassen.
Wenn wir als Gemeinden - als Mitglieder der Kirche - bei einem Kirchentag zusammenkommen, wollen wir unsere Meinung gerne offen diskutieren.
Wenn hier allerdings Randthemen kleiner Gruppen in den Mittelpunkt gestellt werden und dafür die Themen aus der Mitte an den Rand gedrengt werden, ist dass meiner Meinung nach kein gutes Zeichen.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist wichtig, dass vor allem auch die Themen gehör finden, die in der Gesellschaft nicht gehört werden.
Was ist aber, wenn der Kern der Kirche schwindet?
Ich bin auf dem Kirchentag dabei. Vermutlich werde ich mich wohl eher in Fürth aufhalten. Es wäre schön, wenn ich dort gleichgesinnte treffe und wir so eine Möglichkeit finden Zeichen zu setzen, die dann vielleicht auch auf den Synoden gehör finden.
Klaus Jürgen Daniel

SDG am Di, 28.03.2023 - 10:41 Link

Wahre Worte. Die evangelische Kirche vergisst ihr Fundament.
Oder vielleicht noch schlimmer, sie möchte lieber nicht darüber sprechen.
Vielen Dank für diesen Artikel.