Verständnis für die Bauernproteste haben Kirchenvertreter in Baden-Württemberg geäußert. Der Frust habe sich schon länger angestaut, berichtet die Bauernpfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Sabine Bullinger (Hohebuch) aus vielen Gesprächen, die sie mit Landwirtinnen und Landwirten geführt hat. Das Thema Agrardiesel habe jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht.

Auch ihr badischer Kollege, Pfarrer Peter Schock, beobachtet einen "sehr großen Frust, Wut, Enttäuschung und Resignation" bei den Bäuerinnen und Bauern. Das Vertrauen in die Politik in Berlin und Brüssel sei "tief erschüttert", sagt der Leiter des Kirchlichen Dienstes auf dem Lande (Karlsruhe). Die wichtigen Aufgaben der Landwirtschaft für die Ernährung und den Erhalt der Kulturlandschaft würden von Politik, Verbrauchern und Einzelhandel zu wenig wertgeschätzt.

Landwirtschaft für Versorgung und Bewahrung der Schöpfung

"Wir brauchen die Landwirtschaft für unsere Versorgung und ihren Betrag für die Bewahrung der Schöpfung", sagt Bullinger. Die Proteste richteten sich gegen Vorgaben vonseiten der Politik, die oft als praxisfern, bürokratisch oder als Gängelung empfunden würden. Kritisiert werde auch eine fehlende Planungssicherheit.

Mehr Wertschätzung sei aber auch vom Lebensmitteleinzelhandel nötig. Dieser schätze die heimischen Erzeuger nicht, sondern "diktiert durch seine Marktmacht unfaire Abnahmepreise", kritisiert Bullinger. Aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher müssten häufiger bereit sein, regionale Produkte zu kaufen und dafür angemessene Preise zu bezahlen.

Dies sieht Schock genauso und appelliert zudem an die Verantwortung der Kirchen selbst. In vielen Einrichtungen und Gemeinden der Landeskirche würden regionale Produkte verwendet. Allerdings gebe es da noch Nachholbedarf, ist der evangelische Theologe und Landwirt überzeugt.

Viele kleine bäuerliche Betriebe

In Baden-Württemberg sei die Landwirtschaft im Gegensatz zum Norden oder Osten Deutschlands noch sehr klein strukturiert. Es gebe viele kleinere bäuerliche Betriebe und Nebenerwerbslandwirte. Der Theologe bezeichnet dies als ein "agrarwirtschaftliches Topmodell" für Tierwohl, Klimaschutz und den Erhalt der Kulturlandschaft. Die bäuerliche Landschaftspflege mache zudem den Schwarzwald für den Tourismus attraktiv.

Die Bauern sprechen gegenüber dem Pfarrer offen über ihre Zukunftsängste. Da geht es etwa um mangelnde Planungssicherheit bei langfristigen Investitionen, die zunehmende Bürokratie oder auch die Betriebsnachfolge. Denn eine Sieben-Tage-Woche und lange Arbeitstage seien nicht mehr attraktiv, sagt Schock. Die geplanten Streichungen von Subventionen seien für viele kleinere Betriebe "ein weiterer Nagel im Sarg".

Das Evangelische Bauernwerk in Württemberg unterstützt die Proteste und appelliert an die Politik, "auf die berechtigten Forderungen der Bauernfamilien einzugehen", heißt es in einer Pressemitteilung. Protestiert werden solle "mit Anstand und Respekt gegenüber Menschen, Verbrauchern und Politikern mit anderen Meinungen".

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