Es dämmert schon, als sich in der Kapelle gegenüber dem Münchner Gasteig ein paar Frauen zum Gottesdienst versammeln. Auf dem kleinen Hügel neben der römisch-katholischen Kirche St. Nikolai befindet sich die ukrainisch-orthodoxen Kirche. Ein Kinderwagen steht in der Mitte des kleinen Gotteshauses.

Erst kürzlich hat der Erzpriester Valentin Smoktunowicz das Kind getauft. Es sind schwierige Zeiten für die Gläubigen hier. Die Vorweihnachtszeit ist in diesem Jahr von Sorgen und Ängsten getrübt.

"Es ist sehr traurig. Weihnachten ist Familienzeit, aber die Männer sind noch in der Ukraine",

sagt Smoktunowicz. Für die Frauen, die allein mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet sind bedeutet das, Weihnachten getrennt von ihren Angehörigen zu verbringen. Viele von ihnen schicken Geld und Kleidung in die Heimat, da es in vielen Regionen der Ukraine keine Stromversorgung mehr gibt.

Putin hat das Märchen beendet

 "Durch den Krieg hat Putin das Märchen von ‘Wir sind eins‘ beendet", sagt der Erzpriester über das Verhältnis von Ukrainern und Russen. Aber auch wenn der Krieg viel durcheinandergebracht hat und Einfluss auf das diesjährige Fest hat - Weihnachten läuft nach festen Regeln ab.

Die orthodoxen Christen befinden sich aktuell in der Fastenzeit. Sie beginnt 40 Tage vor dem Heiligen Abend, der traditionell am 6. Januar gefeiert wird. Orthodoxe verzichten währenddessen auf Fleisch und Milchprodukte und gehen auch nicht tanzen. Die Fastenzeit sei eine geistige Vorbereitung. "In dieser Zeit singen die Menschen Weihnachtslieder, auch zuhause in den Familien. Jetzt beten die Menschen für ihre Kinder, Enkel und Eltern", sagt der Priester.

Das Fasten ist jedoch aufgrund des Krieges nur eingeschränkt möglich.

"Viele Geflüchtete leben in Unterkünften mit Gemeinschaftsküchen und können die Essensregeln nicht einhalten",

berichtet Smoktunowicz. Das sei aber kein Problem, es gehe vor allem darum den Glauben zu pflegen. Bedauerlicherweise könnten aber deutlich weniger Ukrainer*innen Gemeinschaft mit anderen Gläubigen während des Gottesdienstes erleben, seitdem das 9-Euro-Ticket ausgelaufen ist. Viele können sich die Fahrtkosten zur Kirche nicht mehr leisten, erzählt der orthodoxe Priester.

Gemeinde um 80 Prozent gewachsen

Nichtsdestotrotz, die Gemeinde von Valentin Smoktunowicz in München ist seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine um 80 Prozent gewachsen. Aktuell besuchten 100 bis 150 Personen den Gottesdienst. An Weihnachten erwartet der Geistliche 200 bis 300 Besucher*innen. Der Weihnachtsgottesdienst am 6. Januar wird nebenan in der großen römisch-katholischen Kirche St. Nikolai stattfinden – diesmal mit einem Konzert zusammen mit dem Chor der ukrainisch-orthodoxen Kirche aus Neu-Ulm.

"Wir werden wie immer Weihnachten feiern. Nur auf andere Weise. Die Angst kommt dazu, aber es bleibt immer die Hoffnung."