Weihnachten als Fest der Liebe und des Friedens? In den Ohren von in Deutschland lebenden Ukrainer*innen dürfte das zwiespältig klingen. Viele von ihnen sind vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Deutschland geflohen und hier in Sicherheit. Doch rund 1.500 Kilometer entfernt bangen Familienangehörige und Landsleute um ihr Leben, harren in Wohnungen aus, die infolge russischer Angriffe unbeheizt und ohne Strom sind. Und Soldaten müssen jeden Tag um ihr Leben fürchten.

Helfen statt feiern

Viktoriya Jost ist denn auch angesichts des Krieges in ihrem Heimatland kurz vor Weihnachten mehr auf Hilfe in der alten als auf Feiern in der neuen Heimat zu Mute. Die Vorsitzende des Ukrainischen Vereins Mainz sammelt zwar Geschenke für Kinder, doch die sind für Jungen und Mädchen in dem vom Krieg verwüsteten Land gedacht.

Von "Not-Rucksäcken" berichtet Jost auf Anfrage des Sonntagsblatts, in dem sich keine Spielsachen, sondern nützliche Dinge wie eine warme Decke, ein Regenschutz und "etwas Gesundes zum Knabbern" befinden - alles Sachen, die Kinder im Evakuierungsfall oder bei Luftschutzalarm brauchen, wie Jost verdeutlicht.

Der Ukrainische Verein Mainz hat in den Monaten seit Kriegsbeginn am 24. Februar bereits Hilfskonvois in das Land organisiert. Auch die Not-Rucksäcke würden an Partner dort zur Verteilung übergeben: "Das sind verlässliche Menschen", beteuert Jost.

Offenes Ohr für Landsleute

Die Vereinsvorsitzende hat dennoch ein offenes Ohr für die Interessen ihrer in Mainz lebenden Landsleute. Der Verein kann samstags Räume eines innerstädtischen Gymnasiums nutzen und bietet eine Samstagsschule für ukrainische Kinder an, die in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt leben. Dort lernen die Mädchen und Jungen mehr über die ukrainische Sprache und Kultur.

"Wir machen eine Nikolausfeier für unsere Schulkinder", sagt Jost, die selber Lehrerin ist. Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien soll der Heilige die Schülerinnen und Schüler besuchen. "Es ist unser Anliegen, dass sie Nikolaus hier erfahren", erläutert die Vereinsvorsitzende. Auf dem Programm steht gemeinsames Essen und Trinken sowie ein Theaterstück, das auf Ukrainisch Vertep heißt: ein Krippenspiel, bei dem nach Josts Darstellung viel gesungen wird.

Ähnliche Feiern planen auch manche der anderen Institutionen, die mit Geflüchteten aus der Ukraine zu tun haben. Dazu gehören in Mainz unter anderem die Malteser, der Stadtteiltreff Gonsenheim oder die Stiftung Juvente, ein Jugendhilfeträger, der korporatives Mitglied des örtlichen Caritasverbandes ist.

Stephan Schmitt von der Stiftung Juvente, die Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften betreut, berichtet auf Sonntagsblatt-Anfrage von drei Weihnachtsfeiern - in jeder der drei Unterkünfte eine. Seit dem 24. Februar seien rund 220 Personen aus der Ukraine, davon rund 60 Minderjährige in den drei von seiner Stiftung betreuten Unterkünften untergekommen.

"Um Kinder geht es in allererster Linie", unterstreicht der Stiftungs-Teamleiter. Den jungen Kriegsflüchtlingen wolle man das Gefühl vermitteln, dass sie behütet seien. "Die Ukrainer sind empfänglich und dankbar dafür", beschreibt Schmidt deren Stimmungslage.

Mit Seifenblasen und Gummibärchen aus der Reserve gelockt

Ganz persönliche Erfahrungen hat Ursula Dinges mit Geflüchteten aus der Ukraine gemacht. Die 82-jährige engagierte Katholikin teilt sich eine großzügige Wohnung mit zwei ukrainischen Frauen und deren insgesamt vier Kindern. Die sechs seien im März nach Mainz geflüchtet und anfangs sehr scheu gewesen, schildert sie dem Sonntagsblatt.

Mit Seifenblasen und Gummibärchen für die beiden Jüngsten, Mädchen im Alter von neun und zehn Jahren, sowie Freundschaftsbändern in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb habe sie versucht, die Neuankömmlinge aus der Reserve zu locken.

Bis heute sei die Verständigung schwierig, doch Übersetzer-Apps leisteten gute Dienste. "Ich versuche sie halt ein bisschen zu integrieren", sagt Dinges. Für die Kinder habe sie Adventskalender gebastelt und zu Nikolaus einen "kleinen Gruß" vorbereitet. "Ich bin ihre Babuschka", sagt sie.